Darf's eine Scheibe mehr sein?

Silberscheiben transportieren nicht nur Ballerspiele und Bildchen. Wer rasch wissen will, wem die 'ergebnis-offene Pflichtberatung' dient, wie 'efficiacy' zu übersetzen ist oder wo die Insel Poel liegt, braucht kein Druckwerk mehr - so die Theorie.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Dr. Thomas J. Schult
Inhaltsverzeichnis

In einem Nachschlagewerk will man meist nicht schmökern, sondern gezielt suchen. Im Handumdrehen sollen die gewünschten Informationen vor Augen stehen - ebenso korrekt wie ausführlich. Der typische Haushalt füllt seine Regalmeter in Griffhöhe mit Enzyklopädien, Wörterbüchern, Atlanten, Telefonbüchern und Straßenkarten. Inzwischen gibt es gute Gründe, alle diese Drucksachen durch Silberscheiben zu ersetzen: den schnellen Zugriff, die leichte Aktualisierung und Extrafunktionen von der Volltextsuche bis zum Routenplaner. Nach einer Untersuchung der Gesellschaft für Konsumforschung nutzten schon im abgelaufenen Jahr elf Prozent der Haushalte mit entsprechend ausgestattetem PC elektronische Nachschlagewerke.

Doch während man in ein Buch vor dem Kauf hineinschauen kann, öffnet sich die CD-Hülle meist erst dann, wenn das Geld schon fort ist. Angesichts der üblen Qualität mancher Produkte scheint das einigen Firmen sogar recht zu sein. Vieles ärgert den Anwender: Wörterbücher, mit denen man schon bei der Übersetzung einfacher Sätze scheitert, Enzyklopädien, die unter schmucker Multimedia-Oberfläche viel heiße Luft transportieren, Straßenkarten, die eine ganze Stadt kurzerhand verlegen oder im Routenplaner Entfernungen falsch berechnen.

Wer keine Nieten in Scheibenform kaufen mag, möchte sich auf unabhängige Tests verlassen. Doch was bei Motherboards und Druckern längst üblich ist, stellt bei CD-ROMs die Ausnahme dar: ein Prüfstand, der seinen Namen wirklich verdient und mit nachvollziehbaren Kriterien das Gute vom Schlechten trennt. c't möchte hier Vorreiter sein und das Angebot möglichst erschöpfend unter die Lupe nehmen. Wir werden die Tests regelmäßig aktualisieren, damit der Markt bei wichtigen Anwendungen wie Enzyklopädien, Wörterbüchern und Telefonbüchern transparent bleibt.

Den Startpunkt markierte unser Prüfstand Multimedia-Enzyklopädien [1], der den kritisierten Herstellern übel aufstieß, vielen Lesern jedoch eine echte Hilfe bei der Kaufentscheidung bot. Inzwischen haben fast alle Anbieter neue Versionen ihrer Produkte veröffentlicht. Mit großem Interesse verfolgen wir den Versuch, das WWW durch tausendfache Links in den Artikeln zum Teil der Enzyklopädie zu machen. Außerdem interessiert die Frage, ob immer noch zu englischsprachigen Produkten greifen muß, wer die Verbindung von seriösem Inhalt und ansprechender Präsentation schätzt.

Zum Thema Wörterbücher versuchen wir nun erstmalig, alle erhältlichen Produkte auf den Prüfstand zu stellen. Um nicht den Umfang zu sprengen, mußten wir uns auf die englische Sprache beschränken. Außerdem werden wir einsprachige englische Wörterbücher erst in einem der nächsten Hefte prüfen.

Verblüfft haben uns die enormen Qualitätsunterschiede bei den Wörterbüchern. Zunächst liegt die Vermutung nahe, daß teurere Wörterbücher einfach mehr Stichwörter haben. Zu unserer Überraschung scheitert aber gerade mit dem teuersten Produkt die Übersetzung manches einfachen Satzes.

Atlanten schließlich sind Neuland für c't. Erst die massenhafte Verbreitung von CD-ROM-Laufwerken brachte Landkarten auf den PC. Ähnlich wie bei Multimedia-Enzyklopädien dürfen wir einen echten Mehrwert erwarten, gemessen an den papierenen Vorgängern. Der Atlas unserer Träume hat nämlich gar keine einzelnen Karten mehr, sondern setzt den Betrachter quasi in ein Cockpit. In atemberaubender Geschwindigkeit umrundet er die Erdkugel in großer Distanz, taucht an einer beliebigen Stelle in die Atmosphäre ein, um binnen Sekunden etwa die räumlichen Verhältnisse im neuen Regierungsviertel am Berliner Spreebogen zu erkunden. Leider ist dieser Atlas noch eine Fiktion. Wir können jedoch erste Schritte in diese Richtung präsentieren.

Während Atlanten mehr der globalen Orientierung und der Urlaubsplanung dienen, verlangt der Alltag auf deutschen Straßen andere Produkte. Routenplaner erlauben die Auswahl der richtigen Strecke vor dem Antritt der Fahrt. Brauchbare Produkte drucken eine genaue Beschreibung der Route aus, die beim Fahren informiert ohne abzulenken. Routenplaner wie auch Telefonbücher sind unsere Themen für die nächsten Hefte.

Papierwälzer zum Nachschlagen werden sich sicher noch einige Zeit zwischen Gummibaum und Aktenordner halten. Da man sie oft nur braucht, um eine einzelne Information zu suchen, sind sie für Sekunden oder Minuten in Aktion, um dann wieder im Regal zu verschwinden. Die CD-ROM kann da zeitlich kaum konkurrieren, wenn der Rechner erst einzuschalten ist. Wo aber sowieso der Computer läuft - sei es am Arbeitsplatz oder zu Hause -, können sich die Zugriffszeiten durchaus vergleichen lassen, sofern die CD parat liegt. Wörterbücher und Routenplaner lassen sich oft auch komplett auf die Festplatte bringen, was noch schneller zur Antwort führt.

Neben der Geschwindigkeit des Zugriffs ist auch die Aktualität ein Kriterium, um zwischen Bit und Buch zu entscheiden. Einige Multimedia-Enzyklopädien bieten eine monatliche kostenlose Aktualisierung per WWW. Gedrucktes kann da nicht mithalten. Aufgrund der niedrigen Preßkosten einer CD kann auch der regelmäßige Austausch eines elektronischen Nachschlagewerks sinnvoll sein. Microsofts Enzyklopädie Encarta macht den Anfang: Wer sich die Scheibe jährlich im Abo sichert, zahlt nur die Hälfte.

Fragt sich also, wie lange wir überhaupt noch vom 'nachschlagen' reden können. Ein sprachlicher Ersatz muß aber erst noch gefunden werden. Oder gefallen Ihnen 'Nachklickwerke'? (ts)

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