Verblüffend ähnlich

Wer viel Zeit und Mühe in seine Homepage investiert hat, reagiert unwirsch, wenn er seine Arbeitsergebnisse an anderer Stelle kopiert wiederfindet. Entgegen der landläufigen Meinung ist die Rechtslage dabei aber nicht eindeutig.

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Dr. M. Michael König

Vor einigen Wochen wurde folgender Fall des `Raubkopierens´ einer Homepage im WWW heftig diskutiert: Ein österreichischer `newbie´, Gregor Mima, hatte eine der zahlreichen 007-Homepages kreiert. Andere Surfer stießen auf die Homepage eines Unternehmens unter http://www.terrakom.com, die schon in der Gestaltung eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit der 007-Homepage aufwies (die Seite besteht inzwischen nicht mehr).

Aber die Ähnlichkeit endete damit nicht. Auch die Hilfe-Texte zum Einstellen des Browsers sind fast vollständig wörtlich identisch. Einer dieser Surfer richtete daraufhin eine Site namens `The Rip Files´ ein, um auf diesen Fall aufmerksam zu machen und eine Diskussion in Gang zu bringen.

Ich kann nicht klären, wer von wem abgeschrieben hat - auch wenn ich mir insbesondere bei dem Hilfetext nicht recht vorzustellen vermag, daß das betreffende Unternehmen selbst zufällig dieselben orthographischen Fehler gemacht und zufällig beziehungsweise irrtümlich von den `007-Seiten´ statt von ihrer eigenen Homepage gesprochen hat. Wenn aber Gregor Mima tatsächlich sein Layout selbst gestaltet und seinen Hilfetext selbst geschrieben hat und dies von dem Unternehmen übernommen worden ist, stellt sich doch die Frage, ob das erlaubt ist und ob man sich gegen einen solchen `Klau´ nicht wehren kann.

Der erste Gedanke gilt dem Urheberrechtsschutz. Zweifellos könnte man das Kopieren des Layouts einer Homepage als eine Urheberrechtsverletzung ansehen - wenn die Kopie denn körperlich wäre. Das Urheberrecht greift nämlich nur bei Verkörperungen ein - und im Gegensatz zu einem Ausdruck ist die Bildschirmanzeige selbst ja nicht körperlich. Dies gilt nicht nur für Homepages sondern auch für jede beliebige Software. Natürlich steckt etwas Körperliches dahinter, nämlich der HTML-Code. Dieser bewirkt jedoch nur die Bildschirmanzeige, ist sie aber nicht selber. Man mag dies als juristische Haarspalterei ansehen und ablehnen, kommt damit aber nicht weiter, denn die Rechtslage beurteilt sich nun einmal nicht nach dem persönlichen Rechtsempfinden jedes einzelnen sondern nach den Gesetzen und dem, was Rechtswissenschaft und Rechtsprechung daraus machen.

Auf Grund der Urheberrechtsnovelle 1994 [1|#Lit1], durch welche die EG-Softwareschutz-Richtlinie umgesetzt wurde, wird aber teilweise die Auffassung vertreten, daß ungeachtet der urheberrechtlichen Regelungen und deren tradierten Verständnisses auch Bildschirmanzeigen per se geschützt sein sollen - eben deswegen, weil mit der EG-Richtlinie Software umfassend geschützt werden soll. Ich halte diese Argumentation jedoch für nicht überzeugend.

Der EG mag man noch zubilligen, vom deutschen Urheberrecht keine Ahnung zu haben. Die Bundesregierung beziehungsweise die mit der Umsetzung der Novelle befaßten Juristen im Justizministerium kennen dies aber genau. Sie wußten, daß nach unserem Recht eine unzulässige Vervielfältigung in Form einer körperlichen Festlegung erfolgen muß.

Eine Ausnahme von diesem Prinzip erfolgte nicht. Somit geht eine entsprechende Ausdehnung der §§ 69a ff. UrhG, durch welche die EG-Richtlinie in deutsches Recht umgesetzt wurde, weit über eine reine Auslegung hinaus und muß dem Gesetzgeber überlassen bleiben.

Allerdings kann man mit einem kleinen Trick doch noch weiterkommen. Zweifellos geschützt sind ja Programme. Hierbei beschränkt sich der Schutz nicht auf Maschinenprogramme; auch Quellcodes fallen darunter. Denn der gewährte Schutz gilt nach § 69a (1) und (2) S. 1 UrhG für `alle Ausdrucksformen´ eines Computerprogramms in `jeder Gestalt´. Ich habe keine Bedenken, auch HTML-Codes als Programme anzusehen, denn letztlich ist ein Browser nicht anderes als der Interpreter einer speziellen Interpretersprache - nämlich eben HTML. Gemäß der gängigen Definition von Software als `Anweisungen an eine Maschine ...´ ist diese Bewertung nicht zu beanstanden. Somit kann die - teilweise - Übernahme eines fremden HTML-Codes eine Urheberrechtsverletzung darstellen.

Durch die EG-Richtlinie sollte ja auch die `kleine Münze´ der Software und daher nahezu jedes Programm geschützt werden. Daher wird man die nach § 69a (3) S. 1 UrhG erforderliche Individualität als Ergebnis einer geistigen Schöpfung des Urhebers für alle HTML-Codes bejahen können - sofern sie das Niveau eines `hello world´ etwas übersteigen.

Man sollte hierbei aber immer im Hinterkopf behalten, daß damit nicht originär das Layout sondern nur ein bestimmter HTML-Code geschützt wird. Wenn also ein Plagiator zum Beispiel nicht eine komplizierte Tabellengenerierung abkupfert sondern nur das Layout durch eine andere Textgestaltung nachahmt, sind die HTML-Codes zwangsläufig in keiner Weise ähnlich, so daß dieser Schutz nicht eingreifen kann.

Einfacher sieht die Rechtslage bei den Hilfe-Texten aus. Zumindest in diesem Fall waren sie genügend individuell, um sie dem Urheberrechtsschutz von Sprachwerken zu unterstellen. Deren Übernahme würde eine Urheberrechtsverletzung darstellen - auch wenn das `Du´ durch ein `Sie´ ersetzt wird.

Beschränkt man sich aber auf Gewerbetreibende, so kann sich ein Schutz der Gestaltung der Homepage selbst über das Wettbewerbsrecht erreichen lassen. Nach § 1 UWG sind nämlich unmittelbare Leistungsübernahmen im Rahmen eines Wettbewerbsverhältnisses sittenwidrig. Wie an anderer Stelle erläutert [2|#Lit2] muß es sich um eine unmittelbare Leistungsübernahme handeln. Diese liegt zum Beispiel vor, wenn ein fremdes Programm lediglich kopiert und vertrieben wird.

Anders dagegen, wenn sich der Konkurrent an das Erstprodukt lediglich anlehnt, sich von diesem inspirieren läßt und sein eigenes Programm entwickelt: Dies stellt - wenn überhaupt - nur eine nachschaffende Übernahme dar, die nur dann unzulässig ist, wenn ganz besondere unlautere Momente hinzutreten, die in der Art der Leistungsübernahme gefunden werden können. Die Übergänge sind selbstverständlich fließend, so daß ein pauschales Bild eines noch zulässigen Nachschaffens nicht gezeichnet werden kann. Daneben kann natürlich auch das Erregen eines Irrtums relevant sein - wenn man also durch eine sehr ähnliche Gestaltung der Homepage bei dem Surfer den Eindruck erweckt, als seien beide Unternehmen verbunden. (fm)

[1] Zweites Gesetz zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes vom 9. Juni 1993, Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1993, Teil I, S. 910

[2] Dr. M. Michael König, Original und Nachahmung, c't 1/1990, S. 52 (fm)