Blüten im Speichermarkt

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Von
  • Georg Schnurer
Inhaltsverzeichnis

Der Kauf von SDRAM-Modulen für PCs ist eine heikle Angelegenheit. Nicht jedes Board-BIOS erkennt alle Module korrekt, und obendrein läuft auch nicht jedes Modul unter allen Betriebsbedingungen stabil. Jetzt kommt für den Kunden noch ein weiterer Unsicherheitsfaktor hinzu: Einige SDRAM-Chips auf den Modulen sind auch nicht das, was sie zu sein scheinen.

Dies mußte auch c't-Leser Ricardo D. erfahren. Der frisch gekaufte 32-MByte-SDRAM-Riegel war zwar mit Bausteinen bestückt, die eine Zugriffszeit von 10 ns auswiesen, die Chips waren aber eindeutig abgeschliffen und neu beschriftet worden. Reste der alten Typenbezeichnung wiesen auf eine Zugriffszeit von 15 ns hin.

Eine Untersuchung im c't-Labor lieferte weitere Indizien. Die Chips ließen sich als Bausteine aus den Hause Texas Instruments mit der Zugriffszeit-Kennung `-15´ identifizieren. Die neue Aufschrift `QM5126805AT-10´ wies dagegen auf den kalifornischen Hersteller Quadrant Components Inc. mit Sitz in Fremont hin.

Über verschiedene Zwischenhändler machten wir den deutschen Importeur, die Firma Elan aus Steinhagen, ausfindig. Elan-Technikchef Steinhagen versicherte uns, bei den SDRAM-DIMMs handele es sich um echte 100-MHz-Module mit einer Zugriffszeit von 10 ns. Die darauf verwendeten Chips seien ungeprüfte Bausteine aus Überproduktion, die ihr Lieferant Quadrant bei Texas Instruments Singapur eingekauft habe. Im Quadrant-Labor seien die Chips `requalifiziert´ und entsprechend beschriftet worden.

Als Beleg für diese Angaben erhielten wir noch ein Fax, in dem Jackson Cole, President und Chief Operating Officer von Quadrant, ausdrücklich bestätigt, daß Quadrant Chips anderer Hersteller selektiert und anschließend als `remarked parts´ verkauft. Alle Chips mit dem QC-Logo, so versichert Mr. Cole in dem Fax, seien echte und voll funktionsfähige `-10 devices´. Sollte ein Kunde mit den QC-Produkten nicht zufrieden sein, so nehme man diese selbstverständlich zurück.

Dies gelte natürlich auch für Elan, sagte der Firmensprecher. Auf alle Quadrant-Produkte gebe es überdies eine 12monatige Garantie. Bislang seien keine Beanstandungen aufgetreten, insofern sei man vollauf zufrieden mit der Qualität der DIM-Module.

Die Angaben über die angebliche Herkunft der SDRAM-Chips machten uns aber stutzig: Warum sollte TI Singapur an Quadrant billige 15-ns-Chips verkaufen, die sich auch als teuere 10-ns-Chips in den Handel bringen ließen? Welchen Grund hätte TI, einem Konkurrenten auf diese Weise Geld zu schenken? Überproduktion, wie von Elan angegeben, erscheint kaum glaubwürdig, gehören doch SDRAM-Chips zu den wenigen nach wie vor knappen Bausteinen im Speichermarkt, an denen sich noch Geld verdienen läßt.

Also fragten wir bei Texas Instruments nach und erhielten höchst aufschlußreiche Antworten. Product Marketing Manager Gaetano Perrella von der Memory Division Europa erklärte, TI übernehme keinerlei Garantie für so umgearbeitete Chips. Der Hersteller stehe nur für die ursprüngliche 15-ns-Spezifikation ein. Prinzipiell könnten sich zwar unter den 15-ns-Chips auch einige schnellere Bausteine befinden. Nach den strengen Kriterien von TI belaufe sich der Anteil aber auf höchstens 5 Prozent. Nur bei laxeren Qualitätsmaßstäben - etwa einem engeren Temperatur- oder Spannungsbereich - erhalte man eine höhere Ausbeute an 10-ns-Bausteinen.

Eine Überproduktion bei SDRAMs bezeichnete Perrella als höchst unwahrscheinlich. Diese Speicherart sei nach wie vor sehr gefragt, weshalb TI hier auch keine ungeprüften Sonderkontingente abzugeben habe. Alle Chips, die TI mit der `-15´ Markierung versehe, seien geprüft und entsprächen auch genau dieser Spezifikation. Daß Hersteller ICs aufkaufen und diese unter eigenem Label auf den Markt bringen, sei allerdings nicht ungewöhnlich. Dagegen könne auch TI als großer Hersteller kaum etwas unternehmen.

Von TIs europäischer Pressestelle erfuhren wir aber, daß sich Texas Instruments USA jetzt mit Quadrant in Verbindung setzen wolle, um sicherzustellen, daß die Originalbeschriftung der Chips in Zukunft `mit mehr Sorgfalt entfernt´ wird.

Dem Käufer der umetikettierten SDRAM-Module hilft das freilich wenig. Sein Ansprechpartner ist in jedem Fall der Händler, von dem er das Modul gekauft hat. Immerhin hat er im aktuellen Fall die Wahl, ob er die Module behält und den Versicherungen von Quadrant glaubt oder ob er sie vorsichtshalber umtauscht.

Das Pikante an der Situation des Kunden ist freilich, daß er die spezifikationsgerechte Funktion heute kaum überprüfen kann. Die umgearbeiteten Chips dürften aller Voraussicht nach in den meisten derzeit verkauften PCs klaglos ihren Dienst versehen, denn eine Zugriffszeit von 15 ns reicht unter normalen Betriebsbedingungen für eine Taktrate von bis zu 67 MHz aus, und ein typischer PC mit 430TX-, 430VX- oder 440LX-Chipsatz arbeitet nun mal mit maximal 66 MHz. Selbst wer seinen Rechner mit 75 oder gar 83 MHz betreibt, kann vielleicht noch Glück haben, auch wenn hier eigentlich 12- oder besser 10-ns-Chips erforderlich wären. Die angegebene Zugriffszeit von 10 ns wird erst bei der kommenden PC-Generation mit einem Bustakt von 100 MHz ausgenutzt. Bis diese Nagelprobe aber ansteht, ist die Garantiefrist abgelaufen. (gs)

[1] Ulrike Kuhlmann, Schnelle Speicherkäfer, Neue DRAMs beschleunigen den Datentransfer, c't 10/97, S. 298

[2] Datenblatt Texas Instruments TMS626812B (http://www-s.ti.com/sc/psheet/smos693/smos693.pdf)

[3] Texas Instruments Memory for Volume PCs Operates at Intel PC 100 Specification (gs)