Prozessorgeflüster

Das Frühjahr 98 verabschiedet sich mit heftigem Unwetter. Die High-Tech-Branche leidet unter Wachstumsstörungen, bei den x86ern sind sich einstige Weggefährten nicht mehr grün, die PowerPC-Allianz zerbröselt im Wind ... nur der Alpha gedeiht prächtig.

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Von
  • Andreas Stiller
Inhaltsverzeichnis

Das nun gegen Intel eröffnete Verfahren der Federal Trade Commission wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens ist nur eine von vielen Unwägbarkeiten im aktuellen Marktgeschehen. Wir haben die Vorwürfe gegen Intel und die Stellungnahme der Beklagten auf der nebenstehenden Seite zusammengefaßt. Solange die FTC das Verfahren nicht auf die Intel-inside-Kampagne oder gar auf marktbeherrschende Patente ausdehnt, dürfte es wenig Auswirkungen auf Intels Geschäftspolitik und die Aktienkurse haben. Letztere lagen Anfang Juni sowieso schon im Keller (von 85 Dollar Mitte Mai hinunter auf einen zwischenzeitlichen Tiefstand von 65 Dollar). Das Schicksal teilt Intel mit fast allen anderen der Branche, auch AMD, National Semiconductors und Motorola mußten kräftig Federn lassen, zu schlecht sehen hier die Bilanzen aus. Mit teilweise massiven Entlassungen will man die Bilanzen aufpäppeln.

Compaq hat nun endgültig den Aufkauf von Digital in der Tasche. Am 12. Juni stimmten die Digital-Aktionäre dem Deal zu. Compaq übernahm alle langfristigen Verbindlichkeiten bis zum Jahr 2024. Digital-Chef Palmer wurde aufs Altenteil geschickt, zusammen mit 15 000 Digital-Mitarbeitern, die jetzt ebenso überflüssig sind. Der Alpha-Prozessor samt seiner Entwickler wird jedoch gehätschelt und gepflegt. So ließ Compaq-Chef Pfeiffer keine Möglichkeit aus, auf den fünfjährigen Vorsprung in der 64-Bit-Technologie gegenüber Intels Merced hinzuweisen. Keine Unkenrufe der Analysten mehr, Compaq lasse möglicherweise den Alpha einschlafen. Vielmehr sieht es so aus, als baue sich Compaq konsequent mit Alpha ein zweites Standbein im High-End-Bereich auf, wohl vor allem, um mehr Unabhängigkeit von Intel zu erreichen.

Schließlich gab und gibt es immer wieder Zwist zwischen dem einst treuen Vasallen und dem allmächtigen Chip-Monarchen, wie etwa ein vor der FTC verhandelter Fall zeigt. Außerdem wurmt es wohl Compaq, daß Konkurrent HP maßgeblich am Design des Merced beteiligt ist. Und letztlich ist das Alpha-Faustpfand ja so schlecht nicht, immerhin dürfte der Alpha bei der Markteinführung des Merced weit ausgereifter als jener sein und mit erprobter 64-Bit-Unix-Software und gut der doppelten Performance aufwarten. Und so gründete Compaq zusammen mit dem Alpha-Lizenziaten Samsung schon mal eine spezielle Alpha-Vermarktungsfirma. Möglicherweise wird AMD später noch hinzustoßen, da ihnen nach der Verfügung der FTC Zugang zur Alpha-Technologie gewährt werden muß.

Im Low-Cost- und Desktop-Bereich hat sich Compaq mit Cyrix- und AMD-Prozessoren sowieso schon eine Alternative zu Intel geschaffen. Intel läßt sich so leicht jedoch nicht ausbooten. Im Servermarkt hat sich der Chip-Riese mit anderen Marktgrößen arrangiert, etwa mit Fujitsu, deren High-End-Server gleich 32 Merced-Prozessoren aufnehmen soll. Im Grafikmarkt will Intel offenbar mit der Dumping-Brechstange Fuß fassen: So sollen die i740-Grafik-Controller im Bündel mit Pentium-II-Prozessoren erheblich rabattiert zu nur sieben Dollar angeboten worden sein.

Bei den 32-Bit-Prozessoren wurde die Roadmap geändert. Die Prozessoren sollen preiswerter, früher und performanter auf den Markt kommen, als bislang vorgesehen. Insbesondere nahm der ominöse Tanner-Prozessor Gestalt an, allerdings nicht wie bisher vermutet als Pilot-Chip mit dem Merced-Sockel M, sondern als 500-MHz-Katmai-Version (Pentium II mit MMX-2) für den Slot-2.

Tanner und Katmai werden zunächst mit 512 KByte L2-Cache ausgestattet. Unklar bleibt jedoch, ob der Cache weiterhin mit dem halben CPU-Takt arbeitet, wie bei bisherigen Pentium-II-Prozessoren. Als Termin wird von Intel jetzt für Katmai das erste Quartal 1999 genannt, Tanner soll ein Quartal später folgen.

Vorher, nämlich noch in diesem Jahr, soll der Celeron/Mendocino auf den Markt, und zwar nicht nur mit 300, sondern mit bis zu 333 MHz. Im Unterschied zum bisherigen Celeron wird Mendocino einen 128 KB großen L2-Cache direkt auf dem Chip besitzen, der mit dem vollen CPU-Takt getrieben wird, so daß man zum Teil bessere Performance-Werte erwarten darf als beim Deschutes-333.

Das Frühjahrs-Durcheinander blieb jedoch nicht auf die x86-Welt beschränkt. Auch die PowerPC-Allianz trug ihren Part zum allgemeinen Tohuwabohu bei. So geht man immer mehr getrennte Wege. Zuerst brachte Motorola einseitig eine Architekturerweiterung (AltiVec) ein, und dann lösten IBM und Motorola ihre gemeinsame Design-Schmiede Somerset in Austin, Texas, ganz auf. Motorola übernimmt Somerset samt etwa 100 IBM-Mitarbeitern.

IBM setzt jetzt vor allem auf die Kupfertechnologie, die man offenbar nicht mit Motorola teilen möchte. Mühsam kitten die ehemaligen Bündnispartner ihre gemeinsame Beziehung zu Apple über eine 'workgroup', die versuchen soll, Inkompatibilitäten zu vermeiden. Zumindest bis zum G4-Prozessor, der im nächsten Jahr erwartet wird, dürfte man wohl noch in Linie bleiben. Doch IBM denkt offenbar nicht daran, Motorolas AltiVec in ihren G4 einzubauen. Für Server, die IBM vornehmlich im Auge hat, sind solche Multimedia-Erweiterungen halt unnötiger Schnickschnack.

Daneben zielt IBM jetzt auch verstärkt auf den prosperierenden DSP-Markt (+36 Prozent Umsatz im letzten Jahr), wo man gezielt dem Platzhirschen, Texas Instruments, Paroli bieten will. Hier lockt die digitale Telekommunikation und vor allem auch ASDL als ertragversprechender Einsatzbereich. Wie es heißt, will sich IBM ins gemachte Nest setzen und zu TI-DSPs kompatible Cores anbieten.

Intel hat auf diesem Gebiet noch nichts aufzuweisen, beginnt jedoch, ihr Mobile-Pentium-II-Module für Embedded-Applikationen zu bewerben. Ob man wohl auch MMX für ADSL gebrauchen kann? (as) (as)