Linux 4.4 soll 3D-Beschleunigung in virtuellen Maschinen nutzen können

Linux-Entwickler erweitern gerade einen Kernel-Grafiktreiber, Mesa und Qemu, damit Linux auch in VMs die 3D-Beschleunigung des Grafikprozessors verwenden kann. Zur Aufnahme in 4.4 ist auch ein Grafiktreiber für den RasPi vorgesehen.

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Linux 4.4 soll 3D-Beschleunigung in virtuellen Maschinen nutzen können
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Von
  • Thorsten Leemhuis
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Mit der Freigabe von Linux 4.3 vor einigen Stunden hat Linus Torvalds zugleich die Hauptentwicklungsphase von Linux 4.4 gestartet. Zur Integration sind Erweiterungen am bei Linux 4.2 integrierten Grafiktreiber Virtio-GPU vorgesehen, durch die in virtuellen Maschinen (VM) laufende Linux-Distributionen die 3D-Beschleunigung des Hosts nutzen können. Die Funktion wurde in den vergangenen Jahren unter dem Schlagwort "Virgl 3D" entwickelt und funktioniert bei Hosts mit KVM, denn beim Ganzen sind auch die Grafikbibliothek Mesa und das bei der KVM- und Xen-Virtualisierung verwendete Qemu involviert. Daher brauchen auch diese einige Erweiterungen – diese sind allerdings bereits in die Entwicklerzweige eingeflossen, aus denen im Dezember Mesa 11.1 und Qemu 2.5 hervorgehen soll.

Die Kernel-Entwickler wollen auch einen Treiber für den Grafikkern des Broadcom-Prozessors integrieren, der auf Raspberry Pi und Raspberry Pi 2 steckt. Dieser vorwiegend von Broadcom vorangetriebene Treiber beherrscht vieles selbst und verlässt sich deutlich weniger auf Funktionen der proprietären Firmware; auf deren Hilfe sind die eher simplen Linux-Treiber äußerst stark angewiesen, die Linux-Distributionen derzeit meist auf dem Kleinstcomputer einsetzen. Letztgenannte Treiber unterstützen dafür aber auch Stromspartechniken und 3D-Beschleunigung – mit dem zur Aufnahme vorgesehenen Treiber klappt beides noch nicht. Ein quelloffener 3D-Treiber ist bereits in Entwicklung und in aktuellen Mesa-Versionen bereits enthalten.

Zur Aufnahme vorgesehen sind auch einige Optimierungen an den Locking-Mechanismen im Code zum TCP-Verbindungsaufbau. Durch einen Satz von Änderungen konnte der zuständige Entwickler die Zahl der von seinem Testsystem per SYN/ACK hergestellten TCP-Verbindungen um das Zwei- bis Dreifache steigern; ein zweiter Satz an Patches steigert die Zahl abermals auf letztlich sechs Millionen Pakete pro Sekunde. Diese Umbauten steigern so nicht nur die Performance des TCP-Handshakes, sondern erschweren zugleich auch DDoS-Attacken.

Das via make xconfig aufgerufene Kernel-Konfigurationstool soll bei 4.4 auf Qt5 portiert werden. Ferner soll ein Dateisystem-Client für das Orange File System einziehen – ein aus dem Parallel Virtual File System (PVFS) hervorgegangenes verteiltes Dateisystem, das speziell für große Cluster mit vielen parallelen Zugriffen entwickelt wurde. Die Integration war bereits für 4.3 angedacht, scheiterte aber an einigen Unklarheiten, die mittlerweile geklärt wurden.

Der Interprozess-Kommunikationsdienst Kdbus wird kein Bestandteil von Linux 4.4, denn dessen Entwickler haben die Integration des IPC-Dienstes vertagt, weil sie nochmal tiefgreifende Umbauten vornehmen wollen.

In Entwicklungszweig Linux-Next, wo immer Änderungen für die jeweils nächste größere Überarbeitung des Kernels aufeinander abgestimmt wurden, liegen neben dem erwähnten noch knapp 9000 andere Änderungen zur Aufnahme in Linux 4.4 bereit. Die meisten von ihnen werden in den nächsten zwei Wochen in diese Version einziehen; manchmal tauchen aber kurz vor der vorgesehenen Aufnahme noch Probleme oder Kritik anderer Entwickler auf, woraufhin die Integration einzelner Änderungen dann verschoben wird.

Die nächste größere Überarbeitung des Linux-Kernel dürfte dann in der ersten Januarhälfte erscheinen – zumindest sofern Torvalds und seine Mitstreiter im gewohnten Tempo arbeiten, denn auf die zweiwöchige Hauptentwicklungsphase ("Merge Window") folgt eine typischerweise sieben oder acht Wochen andauernde Stabilisierungsphase, in der die Kernel-Entwickler keine größeren Umbauten mehr vornehmen.

Wie kürzlich überraschend beschlossen wurde, wird der Linux-Kernel 4.4 Langzeitpflege bekommen; daher sollen zwei Jahre lang überarbeitete Versionen von Linux 4.4 erscheinen, die Sicherheitslücken und Fehler des Kernels beseitigen und kleine, ungefährliche Verbesserungen bringen. (thl)