Internet-Hilfssheriffs

Bei der Bekämpfung der Internet-Kriminalität wollen Polizei und Staatsanwaltschaften künftig intensiver mit den Providern zusammenarbeiten. Das Bundeskriminalamt (BKA) hatte daher Mitte Dezember rund 50 Online-Provider zu einem Workshop eingeladen, auf dem die Gründung einer gemeinsamen Arbeitsgruppe beschlossen wurde.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti
Inhaltsverzeichnis

Binnen eines halben Jahres wollen Polizei und Provider gemeinsam einen Code-of-Conduct sowie Abspracheregeln von Vorgehensweisen bei der Strafverfolgung erarbeiten. Auch Datenschützer, das Bundesjustizministerium und das Bundesinnenministerium sollen in die Diskussion eingebunden werden; zudem sind Gespräche mit den Landeskriminalämtern und Europol geplant.

Mit diesem Beschluß wurde auf der Tagung Schlimmeres abgewendet. Denn das BKA hatte den Providern zusammen mit der Einladung eine `Selbstverpflichtungserklärung´ zukommen lassen, die aber bereits im Vorfeld scharf kritisiert wurde. Während des Workshops fand dann keine öffentliche Diskussion zu dem Papier statt; BKA-Chef Schuster bezeichnete den Entwurf am Ende der Veranstaltung als Diskussionsgrundlage.

Kritik an der Erklärung hatte der Förderverein Informationstechnik und Gesellschaft (FITUG) in einer Pressemitteilung geübt: Die darin geforderte Herausgabe von Verkehrsdaten an Dritte sei `ohne das Vorliegen der gesetzlich gebotenen Voraussetzungen gesetzeswidrig und unter Umständen strafbar´. Eine etwaige Sperrung von Internet-Inhalten sei zudem `grundsätzlich abzulehnen´. Selbstkontrollmaßnahmen und Hotlines dürften nicht dazu führen, daß Internet-Provider und Nutzer `in zunehmendem Maße Polizeiaufgaben übernehmen´. Dies müsse den zuständigen Behörden überlassen bleiben.

Auch Juristen stellten klar, daß die gewünschte Überprüfung von Internet-Inhalten auf Einhaltung des Jugendschutzes sowie das Anzeigen `aufgedeckter Straftaten´ von den Providern kaum zu erwarten sei. Denn die Provider müßten hierzu prüfen, ob ein Straftatbestand erfüllt sei. Zudem seien die Handlungsmöglichkeiten der Provider durch Verträge und Datenschutz oft sehr eingeschränkt. Der Rechtsanwalt Michael Schneider betonte für die Provider, daß sie `gerne die Polizei unterstützen und Daten in der benötigten Weise herausgeben´. Voraussetzung sei allerdings ein richterlicher Beschluß beziehungsweise eine staatsanwaltschaftliche Entscheidung.

Walter Wilken vom Deutschen Kinderschutzbund bedauerte hingegen, daß die Provider nicht gleich zu Unterschrift der Selbstverpflichtungserklärung bereit waren. Er wies darauf hin, daß Logfiles nicht mehr datenschutzrechtlich geschützt seien, wenn es sich um die Daten eines Straftäters handelt. Wichtiger sei es jedoch, daß ein gefundenes kinderpornographisches Bild zum Urheber führe. Der Fund allein genüge nicht. Die Polizei müsse auch technisch-organisatorisch in der Lage sein, vor Ort die Beweissicherung auf den Rechnern durchzuführen.

Zwar sollen die Provider nicht als `Hilfspolizisten´ fungieren, doch `die Bekämpfung der Netzkriminalität kann nicht allein bei der Polizei liegen´, meint BKA-Direktor Leo Schuster, der den Workshop initiiert hatte. Im Bundeskriminalamt, wo die neu eingerichtete `Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität´ dieser Tage ihre Arbeit aufnimmt, hofft man, daß die Provider ihre eigenen Bestände auf `inkriminierte Inhalte´ durchsuchen und Tatverdächtige zur Anzeige bringen. Damit sollen die Provider der Zentralstelle zuarbeiten.

Dort sollen 20 Bedienstete anlaßunabhängig nach strafrechtlich relevantem Material im Internet und Online-Diensten recherchieren und ihre Erkenntnisse an die Strafverfolgungsbehörden weiterleiten. 1997 registrierte das BKA 1200 Fälle von Internet-Kriminalität. In der Polizeilichen Kriminalstatistik waren diese jedoch noch nicht ausgewiesen. Allein in Bayern hatten die verdachtsunabhängigen Recherchen des `Kommissariats 343´ jedoch 1997 zu 759 Strafanzeigen geführt.

Für die neue Zentralstelle des BKA wäre es eine erhebliche Arbeitserleichterung, falls sie mehr Hinweise durch die Provider erhielte, doch für die Provider wäre dies eine freiwillige, unter Umständen teure Dienstleistung. Laut Informations- und Kommunikationsdienstegesetz (IuKDG) sind sie nicht verantwortlich für Inhalte, die man über ihre Dienste abrufen kann, insofern sie nicht `von diesen Inhalten Kenntnis haben und es ihnen technisch möglich und zumutbar ist, deren Nutzung zu verhindern´.

Die Gesellschaft für Informatik (GI) wies in einer Presseerklärung `eindringlich´ darauf hin, daß die Betreiber schärfere Kontrollen `technisch kaum erfüllen´ können. Sie plädierte jedoch dafür, die Strafverfolgungsbehörden mit `allen gebotenen Mitteln´ zu unterstützen, um Täter aufzufinden und zu überführen. Dazu gehöre insbesondere `eine gezielte Ausbildung der Strafverfolger auf dem Gebiet der modernen Informations- und Kommunikationstechnik und eine ausreichende technische Ausstattung´. Auch Rechtsanwalt Michael Schneider forderte auf der Tagung `mehr Know-how bei Polizei und Staatsanwaltschaft´.

Zu kontroversen Diskussionen kam es nur am Rande der Tagung. Schwierige Themenbereiche wie etwa der Einsatz des automatischen Porno-Scanners PERKEO, die datenschutzrechtliche Grundlage für `jugendschutz.net´ oder eine Kryptoregulierung wurden diplomatisch ausgeklammert. Unter den Providern hatte die Einladepraxis des BKA im Vorfeld zu Verunsicherung geführt. So berichteten Teilnehmer, daß einige Selbstanmelder vom BKA wieder ausgeladen wurden. FITUG wertete dies als Zeichen, daß das BKA `einem breiten Dialog aller beteiligten Gruppen gezielt aus dem Weg gegangen´ sei. BKA-Sprecher Dirk Büchner wollte davon nichts wissen: So etwas sei doch eher `kontraproduktiv´, da man ja möglichst alle Provider erfassen wolle. (ad) (ad)