Sanfter Zwang
Die Lobbyisten der Informations- und Kommunikationsbranche könnten schlagkräftiger und durchsetzungsfähiger agieren, wenn sie sich zusammenschlössen. Der stille Richtungskampf in der Branche wird sich bald entscheiden.
- Christiane Schulzki-Haddouti
- Ingo Ruhmann
- Ute Bernhardt
Der Koalitionsvertrag der rot-grünen Bundesregierung schmückte sich mit der verheißungsvollen Überschrift `Aufbruch und Erneuerung - Deutschlands Weg ins 21. Jahrhundert´. Von der Informations- und Kommunikationsbranche (IuK), auch `Branche der Zukunft´ genannt, war jedoch wenig zu lesen. Tatsächlich wurde alles, was mit Informations- und Kommunikationstechnologie zu tun hatte, Punkt für Punkt aus dem mehrseitigen Verhandlungspapier der Bündnisgrünen gestrichen: E-Commerce, Kryptographie und IT-Sicherheit, das Jahr-2000-Problem, der Bund-Länder-Kommunikationsrat, der Universaldienst, die Berufung kompetenter Berater unter dem Motto `Get Serious on Information Society´ und vieles mehr.
Mittlerweile organisieren sich auch die Abteilungen in den Ministerien neu - strikt nach den im Koalitionsvertrag vorgegebenen Mustern: Im Bundeswirtschaftsministerium gibt es eine Abteilung `Neue Bundesländer und Informationstechnologien´, und unter dem Stichwort `Medienkonvergenz´ wird sich der Staatsminister für Kultur, Michael Naumann, wahrscheinlich bald mit der digitalen Signatur beschäftigen müssen.
Nach einem `Masterplan für das 21. Jahrhundert´, von dem der parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Sigmar Mosdorf, gerne redet, sieht dieses Treiben nicht gerade aus. Immerhin werden so in den überwiegend mit Kohl-Beamten besetzten Ministerien alte Abhängigkeiten gelöst und Seilschaften zerschlagen.
In den letzten Jahren wurden im Zuge der Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes und der schnell voranschreitenden Medienkonvergenz ordnungspolitische Rahmenbedingungen festgesteckt. In der Diskussion um das Telekommunikationsgesetz (TKG), das Informations- und Kommunikationsdienstegesetz (IuKDG) und den Mediendienstestaatsvertrag mußten technische und rechtliche Aspekte berücksichtigt werden - nicht immer mit Erfolg. 1999 steht die Evaluation des IuKDG an: Fehlentwicklungen sollen korrigiert, die Medienkonvergenz soll stärker als bisher berücksichtigt werden. Will die IuK-Branche ihre Interessen wahrnehmen, muß sie in der Politik Ansprechpartner finden und umfangreiche Beziehungen pflegen. Diese Aufgabe übernehmen in Deutschland rund 20 Verbände und Interessengemeinschaften. Aber auch große Firmen wie IBM und Siemens unterhalten eigene persönliche Kontakte.
Obenan
Herausragende Arbeit leistet der Fachverband Informationstechnik (FVIT) im ZVEI/VDMA, zu dessen Mitgliedern alle Großen der Branche gehören. Der Zusammenschluß von ZVEI und VDMA ist der größte Industrieverband Europas. In 50 Gremien beschäftigt der Verband sich nach Auskunft seines Geschäftsführers Bernhard Rohleder mit der `ganzen Palette´ der IuK-Politik - vom Jahr-2000-Problem bis hin zum Software-Engineering. Er arbeitet aktiv in Standardisierungs- und Zertifizierungsgremien mit und betreibt mit EITO sogar eine industrieeigene Marktforschung. Zu den größten Erfolgen der letzten Zeit gehört das mit der Welthandelsorganisation WTO ausgehandelte `Information Technology Agreement´ (ITA), das ab dem Jahr 2000 weltweit den ersten Binnenmarkt für IuK-Produkte schafft. Damit fallen keine Zölle mehr an - die deutsche IuK-Industrie spart so 650 Millionen Mark im Jahr.
Auch das `Mutual Recognition Agreement´ zwischen der EU und den USA, das Doppelt- und Dreifachzertifizierungen verhindert, bringt eine jährliche Ersparnis von 2 Milliarden. Rohleder: `Hier zeigt sich, daß Verbandsarbeit wirklich etwas bringt.´
Die Integration divergierender Interessen im Rahmen von Arbeitsgruppen bezeichnet Rohleder als `ganz wichtige Arbeit´. Meinungsunterschiede einzelner Mitglieder werden daher in der Öffentlichkeit nicht ausgetragen. Die Öffentlichkeitsarbeit gilt beim FVIT daher nicht von ungefähr als `Ultima ratio´. Rohleder empfindet die Zergliederung von Interessenvertretungen in der IuK-Branche als `primäre Schwäche´. Allerdings hat der FVIT weiterhin mit seiner alten Verbandspolitik zu kämpfen: Noch vor zehn Jahren wurden kleine Unternehmen als Mitglieder nicht akzeptiert. Mittlerweile werden auch Kleine aufgenommen, doch primär engagieren sich die Großunternehmen im FVIT.
Das soll sich ändern: Ziel des FVIT ist es nun, auch die Kommunikation zwischen den kleinen und großen Unternehmen zu ermöglichen. Den FVIT-Kryptoworkshop beispielsweise besuchten sechzig Firmenvertreter, quasi die komplette deutsche Kryptoindustrie repräsentierend. In der Arbeitsgemeinschaft Mehrwertdienste engagieren sich hingegen nur die großen Unternehmen - die kleinen organisieren sich über den Deutschen Multimediaverband (dmmv).
Alexander Felsenberg, Geschäftsführer des dmmv, ist mit der Arbeit seines Verbandes, der auch Multimediagenturen mit einem Personal von zwei bis drei Personen aufnimmt, zufrieden: `Was die Mitglieder wollen, wird generell erfüllt.´ Er schreibt sich die `nachweisliche Beeinflussung´ des IuKDG in den Bereichen des Jugendschutzes und der Providerverantwortlichkeit auf seine Fahne. Trotz der Erfolge im deutschen Bundestag hält er einen geschlossenen Auftritt auf dem europäischen Parkett für sinnvoll. Ein `übergreifender IT-Verband´ sei wichtig, doch jeder Verband müsse hier `seine Identität wahren´ können. Immerhin wechselte zum 1. 1. 99 der Verband Informationswirtschaft (VIW) bereits geschlossen zum dmmv. Während der VIW sich allein im Business-to-Business-Bereich tummelte und nur Unternehmen mit bestimmten Qualitätsstandards akzeptierte, konnte der dmmv eine wesentlich breitere Mitgliederstruktur aufbauen.
Konvergenzen
In bestimmten Themenbereichen gibt es schon seit längerem eine enge Zusammenarbeit. So ist das Thema `Softwarepiraterie´ beim Verband der Software Industrie Deutschlands (VSI) und dem Verband Unterhaltungssoftware (VUD) hoch im Kurs. Sie arbeiten mit dem Bundesverband Bausoftware (BVBS) sogar in einer `Interessenvertretung der deutschen Softwareverbände´ (IDS) eng zusammen. Auch die Business Software Alliance Deutschland klinkt sich hin und wieder über eine PR-Agentur in die Diskussion ein.
Im Multimediabereich schlossen sich jüngst der dmmv und der Verband Privater Rundfunk- und Telekommunikation (VPRT) mit Verbänden aus dem Verlagsbereich zusammen, um eine gemeinsame Leistungsgröße zur Messung von Werbemitteln im Internet zu entwickeln. Kurz nach der Wahl forderten FVIT, der Bundesverband Informationstechnologien (BVIT) und der Bundesverband Informations- und Kommunikationssysteme (BVB) einen zentralen Ansprechpartner auf Regierungsebene, einen deutschen Al Gore. Doch nicht immer sind Konvergenzen gewünscht. So bezieht der Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM) seine Energie aus seiner Kritik an dem ehemaligen Staatsmonopolisten Deutsche Telekom.
Beim VATM ist man der Ansicht, daß die Zersplitterung der Verbandslandschaft eigentlich `egal´ sei, da man nur so spezialisierte Interessen vertreten könne. Von einer verschwiegenen Roundtable-Verbandspolitik, wie sie beim FVIT gepflegt wird, hält man hier offensichtlich wenig. Auch ANGA-Sprecher Müller bezweifelt, ob sich die Interessen einzelner Mitglieder in großen Verbänden wirklich wirksam vertreten lassen. Eine `Kanalisierung und Bündelung im Dialog mit Politikern´ sei enorm wichtig, doch hier sei eine `Interessensidentität´ und eine `geschlossene Front der Mitglieder´ die erste Voraussetzung.
Die Spezialisierung auf ostdeutsche Unternehmen der Softwareindustrie ist ein Vorteil, den der Unternehmensverband Informationssysteme (UVI) genießt. Er stieß nach der Wende geschickt in das ostdeutsche Verbandsvakuum und spielt mittlerweile auch auf Bundesebene eine Rolle. Anders als der VATM sieht der UVI jedoch in der Zersplitterung der Verbandslandschaft eine Erschwernis beim Auftritt der deutschen IT-Unternehmen auf dem globalen Markt. Ähnlich wie der VIW entschloß er sich daher 1998 zu einer Integration als eigenständiger Fachverband in den BVB.
Geht es nach Iris Köpke, BVIT-Sprecherin, könnte die `komplette Lobbyarbeit zusammengefaßt werden´. In den Fragen der Kryptopolitik, der Internetsteuern, Zölle und einer Bildungsinitiative seien sich die Verbände schließlich einig. Tatsächlich gab es im letzten Jahr anläßlich der CeBIT und der Systems geheime Sondierungsgespräche zwischen mehreren Verbänden - zu Ergebnissen kam man allerdings noch nicht. Soweit bekannt ist, wollen sich FVIT, dmmv, BVIT, BVB, UVI, VATM, VSI und der Verband Optische Informationssysteme künftig zusammenschließen. Nur: In welcher Form, mit welchen Aufgaben und Kompetenzen, ist noch unklar. Ein Strategiepapier wurde formuliert, wie ein Dachverband oder eine einheitliche Spitzenorganisation aussehen könnte. Schon in den nächsten Wochen könnte es nach Ansicht einiger Gesprächspartner zu einer Entscheidung kommen.
Elfenbeinturm
Falls sich Wirtschaft und Verbände tatsächlich nicht auf eine einzige starke Lobbyorganisation einigen, könnte diese Aufgabe vielleicht die Gesellschaft für Informatik (GI) als größter deutscher Informatikverband übernehmen. Schon die Gründung in den Räumen des Forschungsministeriums 1969 zeigte ein spezifisches Verhältnis der GI zur Politik. Dennoch dauerte es bis zum 25jährigen Jubiläum 1994, bis es sich die GI nicht nur zur Aufgabe machte, die Öffentlichkeit zu informieren, sondern sich per Satzungsänderung auch die `Mitwirkung im Vorfeld der einschlägigen politischen Planung und Gesetzgebung´ auf die Fahnen schrieb.
Doch obwohl der derzeitige GI-Präsident Wolffried Stucky wie schon sein Vorgänger Wolfgang Glatthaar es als Aufgabe sieht, `verstärkt politisch zu wirken´, blieb das politische Wirken der GI stark akademisch geprägt.
Die GI wird besonders aktiv, wenn es um Förderprogramme des Forschungsministeriums geht. So basiert das letzte Softwareförderprogramm des Ministeriums auf einem Memorandum der GI. Dies entspricht den besonderen Interessen der in der GI versammelten Professoren und Industrievertretern an Fördermitteln. Doch weder zu den Anhörungen des Bundestages zum Telekommunikationsgesetz noch zum IuKDG wurden GI-Vertreter eingeladen. Aus der Reihe fällt da die inhaltlich eindeutige Stellungnahme der GI gegen eine Regulierung von Kryptosystemen.
Der lange Weg, den Papiere durch die Gremien der GI nehmen, führt dazu, daß die GI politisch aktuelle Entwicklungen noch weniger kommentiert als Industrieverbände. Zudem bleiben politische Schwerpunkte vage - die Adressaten der GI bleiben letztlich vor allem Informatiker. Die GI hätte durch ihre Größe zwar die finanziellen Ressourcen, ihre Struktur und ihre eher akademische Sicht auf Informationstechnik und Politik hindern sie aber an effektiver politischer Einflußnahme.
Alternativen
Weniger zurückhaltend, aber zugleich auch weit weniger gut ausgestattet sind die `alternativen´ Verbände von Computerexperten. Computerclubs und -vereine gibt es viele, doch nur sehr wenige haben irgendeine politische Bedeutung. Allesamt haben sie sowenig Geld zur Verfügung, daß die politische Interessenvertretung ehrenamtlich, also an den knappen Feierabenden, geleistet werden muß.
Als Friedensinitiative entstand 1984 das Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF) e.V. als Schwesterorganisation der amerikanischen `computer professionals for social responsibility´ (CPSR) und erster alternativer Verband. Ebenso wie CPSR versteht es sich als Gruppierung von Fachleuten, die auf Fehleinschätzungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft aufmerksam machen. Das FIfF lieferte Studien für Bundestag und EU-Parlament, entsandte Experten zu parlamentarischen Anhörungen und berät politische Entscheidungsträger in Bund und Land. International ist das FIfF mit annähernd einem Dutzend ähnlicher Organisationen vernetzt. Als Lobbyorganisation hat es keine mit den USA vergleichbare Bedeutung - der knappe Etat ermöglicht nur eine Halbtagsstelle. Sponsoren gibt es ebensowenig wie Spenden. Zwar hatte das FIfF keinen `Abgeordneten in Bonn´, aber immerhin arbeitete ein Vorstandsmitglied als Abgeordnetenmitarbeiter. Auf diesem Weg drangen frühzeitig genaue Kenntnisse über politische Vorhaben im Bereich IT durch. So war eine rechtzeitige Einflußnahme möglich. Diese Konstellation besteht in der neuen Legislaturperiode nun nicht mehr. Statt dessen wird das Thema in konkurrierenden Ressortzuständigkeiten der Exekutive zerrieben.
Realisten
Auch der 1986 zum Verein mutierte Chaos Computer Club (CCC) ist regelmäßig bei parlamentarischen Anhörungen und ähnlichen Veranstaltungen vertreten. Wie schon ein Konzept zur Computervernetzung der Grünen Bundestagsfraktion Mitte der 80er Jahre zeigte, liegt der Schwerpunkt des CCC auf der Techniknutzung und der Verwirklichung von `Informationsfreiheit und weltweiter ungehinderter Kommunikation´, so CCC-Sprecher Andy Müller-Maguhn. Da der CCC keine angestellten Mitarbeiter hat, ist auch die politische Arbeit von der Zeit abhängig, die seine Mitglieder erübrigen können. Die politische Bedeutung des CCC sieht Müller-Maguhn vor allem darin, technische Entwicklungen `transparent und damit öffentlich nachvollziehbar zu machen.´ Den Erfolg solcher Bemühungen schätzt er aber eher skeptisch ein: `Politische Entscheidungen beruhen in den seltensten Fällen rein auf der von den Sachverständigen und Verbänden kommunizierten Sachlage. Oftmals spielen Interessen aus anderen Ressorts mit hinein´.
Eher juristisch orientiert ist die Deutsche Vereinigung für Datenschutz (DVD), die sich als unabhängiger Anwalt des Datenschutzes versteht. Nur zaghaft beschäftigt sie sich mit anderen Aspekten des IT-Einsatzes. Aus langer Erfahrung mit parlamentarischen Beratungen folgt für die DVD eine optimistischere Sicht auf die Möglichkeiten gerade von kritischen Informatikverbänden. DVD-Vorstandssprecherin Karin Schuler hält deren Bedeutung für `wesentlich wichtiger als sie zur Zeit genommen werden, weil sie ein themenbezogenes Korrektiv darstellen könnten, das innerhalb der etablierten Politik kaum von irgendeiner politischen Partei ausgeübt werden kann´. Schwieriger ist es, dies auch durchzusetzen: `wir schaffen´s mit den paar Mäusen und Männeken nicht. Das Thema ist zu unbequem, zu theoretisch´ für die breite Öffentlichkeit.
Senkung der Lohnnebenkosten | 77% |
Zulassung flexibler Arbeitszeiten | 76% |
Senkung der Unternehmenssteuern | 70% |
Mehr Venture-Kapital für I+K-Firmen | 65% |
Keine Benachteiligung von EC | 62% |
Schaffung von mehr Informatik-Studienplätzen | 60% |
Harmonisierung der Datenschutzanforderungen auf EU-Niveau | 54% |
Mehr öffentliche Investitionen in I+K-Technologien | 47% |
Verzicht auf überzogene Überwachungsregeln in der Telekommunikation | 44% |
Flexiblere Ausbildungsregeln | 44% |
Mehr Aufklärung über die Informationsgesellschaft | 43% |
Keine Handwerksordung für die I+K-Branche | 42% |
IHK-Mitgliedschaft auf freiwilliger Basis | 42% |
Erhöhung der I+K-Forschungsprogramme | 36% |
Keine Kryptoregulierung | 30% |
Quelle: BVB-Branchenspiegel II/98 |
Die Unternehmen der I+K-Branche betrachten diese Wettbewerbsfaktoren als `wichtig´ bis `sehr wichtig´ (alle Angaben in Prozent).
Der 1996 gegründete Förderverein Informatik und Gesellschaft FITUG e.V. sieht sich einer kritisch-konstruktiven Gestaltung der Informationsgesellschaft verpflichtet und ist ebenfalls in internationalen Organisationen vertreten. Mit seinen 38 Mitgliedern ist `FITUG sicher derzeit noch zu klein, um richtig Dampf zu machen´, so der Vorsitzende Jürgen Plate. Die Arbeit sei dadurch gekennzeichnet, `Information zu verbreiten´. Die Erfolge sind aber `weniger in den großen Schlagzeilen zu sehen´, so Rigo Wenning.
Vergleiche
Darüber hinaus gibt es weitere Gruppen mit nicht ganz eindeutigen Rollen. Das Projekt zur verfassungsmäßigen Technikgestaltung `provet´ etwa ist eigentlich eher ein universitäres Institut, das aber zugleich auch intensiv Expertisen für Gesetzesberatungen liefert. Um das Institut für Kommunikationsökologie (IKÖ), das sich ebenfalls als kritischer Verein versteht, ist es in den letzten Jahren still geworden.
Wie in den USA werkeln also auch in der Bundesrepublik eine Vielfalt von Initiativen. Sie besetzen verschiedene Schwerpunkte und wenden sich an unterschiedliche Zielgruppen. Insgesamt decken sie das auch von den Verbänden in den USA vertretene Themenspektrum ab.
Warum gibt es nun in der Bundesrepublik trotz durchaus vergleichbarer Vereine keine bedeutsameren IT-politischen pressure groups nach US-Muster?
Ein erster Grund dürfte in unterschiedlichen Voraussetzungen liegen. US-Vereine wie CPSR oder EFF mobilisieren Unterstützung durch das Aufdecken von Datenschutzskandalen. Das ist hierzulande die Aufgabe der Datenschutzbeauftragten und ein Grund für Profilierungsprobleme, besonders der DVD. Erst, wenn die `amtliche´ Zuständigkeit endet, kommt sie oder Vereine wie das FIfF beim Thema `Überwachung im Netz´ oder der CCC beim Aufdecken skandalöser Sicherheitslücken ins Spiel.
Ein zweiter Grund ist der Aufwand: Lobbyarbeit bedeutet Klinkenputzen, Besuche bei Ministerien und Abgeordneten. Zudem müssen die eigenen Positionen formuliert und mit den Beteiligten koordiniert werden. Solche Arbeit verlangt dauerhafte Präsenz und verursacht erheblichen Zeitaufwand. Nicht umsonst wendet selbst der Verband der Suppenindustrie e.V. die Mittel für ein Büro in Bonn auf. Dabei ist Politikern sicher leichter zu erklären, wo der Suppenindustrie der Löffel drückt, als ihnen Informatikprobleme zu erklären. Andreas Jaspers von der GDD hatte sogar bei den Beratungen des IuKDG den Eindruck, daß die Verbandsarbeit von den Politikern als lästig empfunden wurde, da in ihrem Rahmen auf rasche Lösungen gedrängt wurde. Die `mangelnde Absprache´ der Verbände untereinander sei ein weiteres Manko gewesen.
Eine `geschlossene Phalanx ist bei essentiellen Dingen wichtig´, meint Jaspers. Man müsse `weg vom Vereinsmeierischen´ und gemeinsame Aktionen beispielsweise in der Kryptopolitik entwickeln.
Mangels Geld ziehen sich ehrenamtlich arbeitende Vereine leider zu oft auf bloßes Kommentieren zurück. Erfolge bleiben daher begrenzt. Eine alternative politische Beratungskultur kann sich so nicht entwickeln. Im Vergleich mit den USA wird das besonders deutlich: Anders als das FIfF erhält CPSR von Stiftungen und anonymen Spendern mehrere hunderttausend Dollar zur Verfügung gestellt. Erst auf dieser Grundlage sind die professionelle Organisation von CPSR und ihre politischen Aktivitäten möglich. Ähnliches gilt für alle IT-politisch aktiven Organisationen in den USA. Die Global Internet Liberty Campaign (GILC) etwa, der FIfF wie FITUG angehören, wird in den USA von der Soros Foundation unterstützt.
Unterschiede
In den USA tritt wesentlich deutlicher und unbefangener hervor, daß politische Interessenvertretung ohne Geld unmöglich ist. Deshalb spenden Privatpersonen ebenso wie Unternehmen ihr Geld nicht nur an politische Parteien, sondern auch an kritische Computergruppen. Deren Einmischung ist politisch durchaus willkommen. Weil sie unabhängig von speziellen Unternehmensinteressen sind, liefern sie politische Alternativen und neue technische Optionen. Wenn hierzulande aber schon die Unternehmensverbände nicht zu einer schlagkräftigen IT-Lobby zusammenfinden, um ihre eigenen Interessen zu artikulieren, ist Hilfe für aufmüpfige Geister kaum zu erwarten.
Dabei fallen die Interessen von Unternehmen und kritischen Vereinen nicht notwendigerweise auseinander. Der vereinte Widerstand gegen eine Kryptoregelung oder die Telekommunikationsüberwachung sind Beispiele dafür. Doch selbst wenn solche gemeinsamen Ziele einmal erkannt worden sind, bleibt der Erfolg mager. `Die Kräfteverhältnisse zwischen Verbänden und Politik lassen sich am Beispiel der Kryptoregulierung exzellent studieren´, so CCC-Sprecher Müller-Maguhn. Es gibt noch Berührungsängste besonders von konservativer Seite, mit denen der CCC erfolgreich spielt. Ein sorgsam gepflegtes Bürgerschreckimage wiederum ist als Basis für politische Arbeit nur bedingt ausreichend.
IT-Politik hat hierzulande keinen Adressaten. Unternehmensverbände wenden sich an die Wirtschaftspolitiker, Wissenschaftsverbände ans Forschungsministerium. Solange beides nicht zusammen gesehen wird, macht eine gemeinsame Interessenvertretung keinen Sinn. Übergreifende Fragen werden von den kritischen Vereinen thematisiert, verpuffen aber allzu oft wirkungslos, weil dafür politisch niemand zuständig ist. Vorrang haben statt dessen einzelne kurzfristige ökonomische Interessen. Aber: Wirtschaftspolitik allein ist keine IT-Politik. Das eigentliche Ziel müßte sein, unsinnige Gesetzesvorgaben zu beseitigen und dafür Expertenrat einzuholen. Von der angelsächsischen Beratungskultur der `Think Tanks´ sind wir aber noch Jahre entfernt.
Die USA sind uns nicht zuletzt deshalb voraus, weil sie IT-Politik als umfassende Aufgabe in einer demokratischen Kultur sehen. Solange hier ein Scheuklappendenken verhindert, Gemeinsamkeiten ebenso zu entdecken, wie übergreifende und langfristige Fragestellungen zu erkennen, wird eine effektive politische Interessenvertretung Utopie bleiben. Solch partikulare Sichten würden auch erklären, warum die Idee der Informationsgesellschaft hier nur so schwer an Bedeutung gewinnt.
Literatur
[1] Christiane Schulzki-Haddouti, Lauschverordnung gestoppt, c't 13/98, S. 32
IT-Verbände | |||||||
Name,Adresse | Tel., Fax, Internet | Schwerpunkte | Mitglieder | Etat in DM | Personal | Sponsoren | Regional- gruppen |
ANGA - Verband Privater Kabelnetzbetreiber, Ermekeilstraße 46-48, 53113 Bonn | Tel. 0228/91513-0, Fax 0228/91513-14, www.anga.de | Private Kabelnetzbetreiber, Herstellerindustrie, Wohnungswirtschaft, Stadtnetzbetreiber, Satellitenbetreiber | 116 | k. A. | 4 | keine | keine |
BVB - Bundesverband Informations- und Kommunikations-Systeme, Dietrich-Bonhoeffer-Straße 4, 61282 Bad Homburg v. d. Höhe | Tel. 06172/9384-18, Fax 06172/31010, www.bvb.de | Software, Hardware, Telekommunikation IT-Dienstleistung (Mittelstand) | 300 | 2,5 Mio. | 10 | keine | keine |
BVIT - Bundesverband Informationstechnologien, Adenauerallee 18-22, 53113 Bonn | Tel. 0228/20136-13, Fax 0228/20136-99, www.bvit.de | Software, IT-Dienstleistung (Mittelstand) | 150 | 1 Mio. | 7 | keine | keine |
Deutscher Multimedia Verband e.V., Kaistraße 14, 40221 Düsseldorf | Tel. 0211/85286-0, Fax 0211/85286-15, www.dmmv.de | Multimediaproduzenten, -agenturen, -inhalteanbieter, Online-Dienste, ISP | 650 | 1 Mio. | 11 | keine | keine |
eco - Electronic Commerce Forum, Grasweg 2, 50769 Köln | Tel. 0221/9702407, Fax 0221/9702408, www.eco.de | Internet Service Provider | 108 | 2 Mio. | 2 | keine | 5 |
FVIT - Fachverband Informationstechnik, ZVEI sowie AG TMD im VDMA, Stresemannallee 19, 60596 Frankfurt/Main | Tel. 069/6603-1532, Fax 069/6603-1510, www.fvit-eurobit.de | Telekommunikationsdienste, Bürotechnik, IT-Hardware, IT-Software und Dienstleistung, Handel | 170 | 9 Mio. | 15 | keine | Brüssel, 8 deutsche Landesgruppen |
GDD - Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherung, Irmintrudisstraße 1b, 53111 Bonn | Tel. 0228/694313, Fax 0228/695638, www.gdd.de | behördlicher und betrieblicher Datenschutz | 1200 | 700000 | 4 | keine | 26 Erfahrungs- austauschkreise |
UVI - Unternehmensverband Informationssysteme e.V., c/o COMPAL DV GmbH, Gustav-Meyer-Allee 25/H.12/Tr.3, 13355 Berlin-Wedding | Tel. 030/46307463, www.uviev.de | v.a. ostdeutsche Softwareunternehmen | 120 | k. A. | k. A. | projektbez. Alcatel, Siemens, SUN, VIAG Interkom u. a. | 8 Landesgruppen |
VATM, Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten e.V., Oberländer Ufer 180-182, 50968 Köln | Tel. 0221/37677-25, Fax 0221/37677-26, www.vatm.de | Telekommunikation, Internet Service Provider, Online-Dienste | 40 | 1,5 Mio. | 4 | keine | keine |
VDE - Verband der Deutschen Elekroindustrie, Stresemannallee 15, 60596 Frankfurt/Main | Tel. 069/6308-0, Fax 069/6312925, www.vde.de | Ingenieure, Naturwissenschaftler, Unternehmen, Forschungseinrichtungen und -Institutionen | 36000 | k. A. | k. A. | k. A. | 34 Bezirksvereine |
VDI - Verein Deutscher Ingenieure, Postfach 10 11 39, 40002 Düsseldorf | Tel. 0211/6214-0, Fax 0211/6214-575, www.vdi.de | Ingenieure | 127000 | k. A. | k. A. | k. A. | k. A. |
VOI - Verband Optische Informationssysteme, Bismarckstraße 59, 64293 Darmstadt | Tel. 06151/668420, Fax 06151/684571, www.voi.de | Hersteller, Berater und Dokumenten-Management-Systeme und Speichersysteme | 150 | k. A. | 3 | keine | 5 |
VPRT - Verband Privater Rundfunk- und Telekommunikation, Burgstraße 69, 53177 Bonn-Bad Godesberg | Tel. 0228/93450-0, Fax 0228/93450-48, www.vprt.de | priv. Hörfunk- und Fernsehveranstalter, Unternehmen der Telekommunikations- und Multimediaindustrie | 160 | k. A. | 11 | keine | keine |
VSI - Verband der Softwareindustrie Deutschlands e.V., Seitzstraße 17, 80538 München | Tel. 089/29160293, Fax 089/29160296, www.vsi.de | Softwareherstellung, Distribution, Handel und Dienstleistung | 140 | k. A. | 3 | je nach Projekt z. B. Microsoft, Computer Reseller News | keine |
VUD - Verband Unterhaltungssoftware, Riemekestraße 160, 33106 Paderborn | Tel. 05251/771950, Fax 05251/7719519, www.vud.de | Entwickler, Distributoren und Publisher von Unterhaltungssoftware | 50 | k. A. | 4 | keine | keine |
CCC - Chaos Computer Club, Schwenckestraße 85, 20255 Hamburg | Tel. 040/4903757, Fax 040/4917689, www.ccc.de | Hacken, Informationsfreiheit | 1235 | k. A. | – | für Webserver | – |
DVD - Deutsche Vereinigung für Datenschutz, Bonner Talweg 33-35, 53113 Bonn | Tel. 0228/222498, www.aktiv.org | Datenschutz | 180 | 25000 | 1 | keine | 7 |
FifF - Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung, Medemstade 64, 21775 Ihlienworth | Tel. 04755/911154, Fax 04755/911026, CL/GRUPPEN/FIFF, www.fiff.de | Informatik und Gesellschaft, bürgerrechtliche und zivile Gestaltung der Informatik | 867 | 65000 | 1 | keine | 28 |
FITUG - Förderverein Informatik und Gesellschaft | www.fitug.de | Auswirkungen der Informatik auf die Gesellschaft | 38 | 4000 | – | keine | – |
GI - Gesellschaft für Informatik, Ahrstraße 45, 53175 Bonn | Tel. 0228/302145, Fax 0228/302167, www.gi-ev.de | Informatiker-Berufsverband | 20849 | 4,375 Mio. | 10 | wenige | 35 |
Teletrust Deutschland e.V., Eichendorffstraße 16, 99096 Erfurt | Tel. 0361/3460531, Fax 0361/3453957, www.teletrust.de | IT-Sicherheit | 65 | k. A. | 2 | keine | keine |
(fm)