Audio-CD-Kopierschutz verärgert Kunden und Händler

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 7 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Carsten Meyer

BMG Entertainment, die Musikabteilung des Bertelsmann-Konzerns, hat seit kurzem Audio-CDs im Handel, die mit dem Kopierschutz Cactus Data Shield versehen sind. Entwickelt wurde dieser Mechanismus in Zusammenarbeit mit dem israelischen Software-Unternehmen Midbar und Sonopress aus Deutschland. Bislang sind die Alben ‘Razorblade Romance’ der Gruppe Him und ‘My Private War’ der einstigen Independent-Heroen Philip Boa & The Voodoo Club betroffen.

Der Kopierschutz verhindert allerdings nicht nur das Auslesen (Grabben) und Kopieren der Audio-Tracks mit dem PC oder das Abspielen auf CD-ROM-Laufwerken, sondern auch die Wiedergabe auf einigen (meist älteren) Audio-CD-Spielern. Ein Leser berichtete c't, dass sein gerade zwei Jahre alter Philips-Player mit einer derartig geschützten CD versagte. Besonders ärgerlich: Nicht auf der Hülle, sondern erst auf der CD selbst findet man den Hinweis ‘Achtung: Kopiergeschützte CD - Nicht am PC abspielbar!’ Die Warnung ist ernst zu nehmen: Nach etwa 30 Sekunden bricht der PC den Abspielvorgang ab; auch MP3-Dateien lassen sich nicht erstellen.

Der Handel zeigte sich nicht gerade begeistert: Saturn-Hansa beispielsweise verzeichnete eine erhöhte Rücklaufquote wegen angeblicher Mängel. Ein Brinkmann-Mitarbeiter klagte über die fehlende Möglichkeit, die Him-CD in das Music-Station-System einspeisen zu können, mit dem Kunden aktuelle CDs anspielen können. Der Linux-basierte Musikserver stürze beim Einlesen so gründlich ab, dass nur noch ein Kaltstart helfe. Allerdings gab es auch positive Lesermeldungen von CD-ROM-Laufwerken, die trotz des Schutzes ein Auslesen ermöglichten.

Der Kopierschutz beruht offenbar auf manipulierten TOC-Einträgen (TOC = Table of Contents) im Lead-in der CD; so wird auf allen CD-Spielern als Gesamtlaufzeit ein Wert von 28 Sekunden statt rund 42 Minuten und oft eine negative Restlaufzeit nach Überschreiten eben dieser ersten halben Minute angezeigt. Wenn sich ein PC mit CD-ROM-Laufwerk auf die in der TOC vermerkte Gesamtlaufzeit verlässt, bricht er nach 28 Sekunden die Wiedergabe oder das Einlesen der Audiodaten ab. Auch Auto-CD-Spieler, die sich normalerweise die CD-Position beim Ausschalten merken, fangen immer wieder bei Track 1 an.

Der Kopierschutz wirkt sich hingegen nicht auf die Überspielung per SPDIF-Digitalausgang aus; obwohl die Him-CD geradezu dilettantisch übersteuert aufgezeichnet wurde (mit manchmal 60 und mehr Audio-Samples in Folge ‘auf Anschlag’), ließ sie sich ohne weiteres auf DAT oder Audio-CD-Recorder überspielen. Versuche im c't-Labor ergaben, dass sich eine mit dem Philips CDR-765 in doppelter Geschwindigkeit duplizierte Him-CD anschließend wie eine nicht kopiergeschützte Audio-CD verhielt. Statt herkömmlicher CD-Rohlinge verlangen Audio-CD-Recorder wie der CDR-765 allerdings überteuerte Audio CD Recordables (der enthaltene GEMA-Anteil von 0,15 DM pro Spielstunde rechtfertigt kaum den doppelten Preis einer Audio-CD-R gegenüber einem CD-Rohling für computergestützte CD-Schreiber).

Audio-CDs mit ungültigen TOC-Einträgen verletzen den Red-Book-Standard und dürften demzufolge auch das Siegel Compact Disc Digital Audio nicht tragen. BMG gestand auf Anfrage von c't ‘gewisse Schwierigkeiten’ mit dem Kopierschutz ein. Bis diese ausgeräumt sind, werden vorerst keine weiteren damit versehenen Neuauflagen erscheinen. Vielleicht kann sich BMG ja auch dazu durchringen, ganz auf einen Alleingang mit dem zweifelhaften Kopierschutz zu verzichten. Käufern, die Schwierigkeiten beim Abspielen auf ihrem CD-Player haben, kann man nur empfehlen, diese CDs aufgrund von offensichtlichen Fertigungsmängeln zurückzugeben - dies wird vom Handel auch nach Öffnen der Verpackung akzeptiert. (cm) (cm)