Vorn sein ist alles

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Vorn sein ist alles

Die schlechte Nachricht zuerst: Bei der Olympiade in Sydney bangen die Ausrichter ums Zuschauerinteresse, weil sie nur noch wenige Weltrekorde erwarten. Der menschliche Körper hat halt seine Grenzen. Die gute Nachricht: PC-Anwender haben dank AMD und Intel ein spannendes Alternativprogramm.

"Willkommen beim Takthochsprung. Nächster am Start für 1130 MHz: Pentium der Dritte aus Intelistan. Der Athlet betritt die Tartan-Bahn, nimmt Anlauf, setzt den Stab, schwingt sich in die Höhe und ... REISST! (Seite 16) Damit hat nach wie vor Thunderbird aus Amdien mit der bisherigen Bestmarke von 1100 MHz die Nase vorn. Aber noch ist der Wettbewerb nicht beendet, denn Pentium III hat einen weiteren Versuch nach der Werbepause frei."

Kann sich also Thunderbird olympisches Gold sichern? Intel wird natürlich alles daransetzen, dem Erzkonkurrenten den Lorbeerkranz streitig zu machen. In der Halle hat der Pentium IV jüngst schon die 2-GHz-Latte übersprungen (Seite 18), doch dieser Rekord harrt noch der Bestätigung unter Wettkampfbedingungen auf real existierenden Rechnern.

Dennoch gilt Moores Gesetz einstweilen weiter, nach dem sich ungefähr alle anderthalb Jahre die Komplexität eines Chips verdoppelt. Dachte man im PC-Pleistozän vor rund zehn Jahren noch, bei etwa 200 nm Strukturbreite auf den Chips läge die Grenze des technisch Machbaren, so gilt heute das Erreichen von 35 nm bereits als ausgemacht. Die Marketing-Cheerleader können also auch weiterhin auf steigende Taktfrequenzen setzen, um einer hohen Zahl des Mitbewerbers kurz darauf eine höhere entgegenzuhalten.

Doch was hat der gewöhnliche PC-Anwender heute von einem 1100-MHz-Prozessor? Weder das eine noch das andere Top-Modell ist beim Händler um die Ecke zu kaufen; falls doch, dann exorbitant teuer und mit hohem Wertverlust in kürzester Zeit. Da könnte man sich aus den Hundertern gleich eine olympische Fackel drehen, denn von den 30 Prozent Mehrleistung gegenüber einem Mainstream-System mit 800 MHz spürt man beim Textverarbeiten nicht wirklich etwas.

Der vernünftige PC-Anwender machts folglich nicht anders als der TV-Olympionike: Er fiebert freudig mit, hält sich aber mit überhasteten Aktionen zurück. Denn spätestens nach ein paar Monaten stehen neue Siliziumrekorde ins Haus und die alten Takt- und Preissieger werden aus ihren olympischen Höhen in irdische Niederungen herabgedrängt. Wer warten kann, spart bares Gold, etwa für eine Reise nach Athen in vier Jahren.

Ernst Ahlers

(ea)