And the Winner is: IBM

Zweimal im Jahr veröffentlichen die Universitäten Knoxville Tennessee und Mannheim eine Liste der 500 leistungsfähigsten Computer. Am 3. November war es wieder soweit. Anlässlich der Supercomputer-Konferenz in Dallas stellten die Betreiber die sechzehnte Top-500-Liste vor.

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Von
  • Laurenz Weiner
Inhaltsverzeichnis

Die Top-500-Liste beruht auf den erzielten Linpack-Benchmark-Werten. Der Linpack Benchmark von Jack Dongarra, einer der Initiatoren und Verwalter der Liste, ermittelt die Leistung der Anlage beim Lösen eines Systems von linearen Gleichungen. Bei vorgegebener Komplexität des Lösungsalgorithmus können die Betreiber ihre Anlage unter weitgehend optimierten Bedingungen auf die Problemstellung ansetzen.

Die auffälligste Veränderung seit der Juni-Liste ist gleich auf Platz 1 zu finden: Der sechsmalige Spitzenreiter, Intels ASCI Red, verlor seine Position an den ASCI White von IBM. Die jüngste gigantische Schöpfung im Rahmen der Advanced Strategic Computer Initiative (ASCI) des amerikanischen Energieministeriums (DOE) erreichte auf Anhieb 4,9 Teraflop/s bei einem theoretischen Spitzenwert von 12,3 Teraflop/s. Das entspricht der Leistung von rund 25 000 aktuellen PCs (1 Teraflop/s = 1012 Fließkomma-Operationen pro Sekunde).

ASCI White ist bereits der vierte DOE-Rechner mit den US-nationalfarbigen Namen, und gemeinsam bilden sie die Spitzengruppe der Top500. Die enorme Rechenpower dieser an den National Institutes in Livermore (ASCI White und Blue-Pacific), Albuquerque (ASCI Red) und Los Alamos (ASCI Blue-Mountain) stehenden Anlagen dient wissenschaftlichen Prozessvisualisierungen und Berechnungen aller Art, vor allem aber der Simulation von Atomwaffentests und der Pflege des Waffenarsenals. Doch auch die Leistung von ASCI White reicht angeblich noch nicht aus, um auf reale Explosionen verzichten zu können; dazu wären nach Aussage amerikanischer Experten über 100 Teraflop/s erforderlich, die bis 2004 mit ASCI Q von Compaq zur Verfügung stehen sollen - eine Prognose, die angesichts des langfristigen Trends seit 1993 etwas gewagt erscheint. Danach verdoppelt sich die Leistung des jeweils schnellsten Supercomputers nur ungefähr alle 16 Monate, was für 2004 rund 40 Teraflop/s erwarten ließe. Doch Großprogramme wie die ASC-Initiative oder das rein zivile japanische Earth-Simulator-Project zur Simulation komplexer Prozesse der Biosphäre haben die Leistungssteigerung bei Supercomputern beschleunigt. Und IBM verfolgt mit Blue Gene bereits das Ziel, bis 2005 den Petaflop-Rechner (1015 Flop/s) für wissenschaftliche Zwecke wie das Genom-Projekt zu realisieren.

Insgesamt 233 neue Superrechner konnten sich in der November-Liste platzieren, was darauf hindeutet, dass die Betreiber in Forschung, Lehre, Wirtschaft, Regierung und Verwaltung zurzeit viele ältere Systeme durch leistungsfähigere ersetzen oder ausbauen. Infolgedessen kletterte die Einstiegsleistung in die Top 500 von 44 auf 55,1 Gigaflop/s. Die Linpack-Werte aller Top-500-Computer summieren sich auf über 88 Teraflop/s, fast 40 Prozent mehr als vor sechs Monaten. Inzwischen gibt es bereits 18 Großrechner, die mehr als ein Teraflop/s erreichen, darunter auch ein kommerziell genutzter in den USA.

Die vier Spitzenreiter verdeutlichen auch den hohen Anteil der in Nordamerika installierten Supercomputer. Mit 241 Systemen liegen die USA und Kanada immer noch klar in Front, auch wenn der Anteil leicht zu Gunsten der Europäer und Japaner gesunken ist. In Europa sind mittlerweile immerhin 177 Supercomputer beheimatet, in Japan 63. Doch unverändert haben die weitaus meisten Superrechner ihren Ursprung in den USA. 89 Prozent der 500 schnellsten Systeme wurden dort hergestellt, überwiegend als massiv parallele Systeme (MPP) und als Cluster von SMP-Rechnern (Constellations). Der Rest kommt nahezu ausschließlich in Form von Vektorrechnern aus Japan.

Europa holt langsam auf, doch nach wie vor arbeiten die meisten Supercomputer in Nordamerika.

Deutlicher haben sich die Anteile der in der Top 500 platzierten Hersteller verschoben. IBM stellt inzwischen nicht nur den Spitzenreiter, sondern auch die mit Abstand meisten Systeme - und darf sich über glänzende Supercomputer-Geschäfte freuen. Gleich neun der 20 schnellsten Anlagen tragen das IBM-Logo. Insgesamt 215 Superrechner stammen aus dem Haus Big Blue, gefolgt von 92 Sun-Systemen, 67 SGI-Computern und 47 Cray-Rechnern. IBMs Anteil wuchs damit seit Juni um fast 50 Prozent, was vor allem an der Skalierbarkeit der SP Power3- und SP PC604-Systeme liegt, die die gesamte Leistungsbandbreite vom ersten bis zum letzten Rechner der Liste abdeckt. Intel belegt mit ASCI Red zwar immer noch Platz 2, hat aber sonst keine weiteren Großrechner in der Liste.

Auch Compaq konnte seinen kleinen Anteil von sechs auf elf Alpha-Cluster ausbauen. Der mit 507 Gigaflop/s auf Platz 31 bestplatzierte ist zugleich der schnellste aller Cluster aus herkömmlichen Workstations. Derartige Anlagen sind auf dem Vormarsch; ihre Zahl stieg seit Juni von elf auf 28.

Darunter finden sich auch fünf Selfmade-Systeme aus normalen PCs; zwei davon stehen als die einzigen europäischen Supercomputer-Schöpfungen an Universitäten in Deutschland. Der Chemnitzer Beowulf-Cluster CLIC mit 528 Pentium-III-Prozessoren (800 Mhz) schafft 143 Gigaflop/s und belegt Platz 126. Ebenfalls unter Linux läuft der erst Anfang November in Betrieb genommene Tübinger Kepler-Cluster. Er vereint 196 Pentium-III-Prozessoren mit 650 MHz, erreicht 96 Gigaflop/s und landete damit auf Rang 215 der Top 500.

Insgesamt arbeiten 55 der 500 schnellsten Supercomputer in Deutschland, also gut ein Drittel der in Europa installierten Systeme; allen voran der Hitachi SR8000-F1/112 am Leibniz Rechenzentrum in München, der mit seinen 112 Vektorprozessoren im Linpack immerhin 1,035 Teraflop/s vorlegt. Das genügt für Platz 7 in der Top 500 und Rang 1 in Europa.

Am Europäischen Zentrum für mittelfristige Wettervorhersagen (ECMWF) in Reading UK rechnet mit dem Fujitsu VPP5000/100 der zweitschnellste Computer Europas an Wetterkarten. Im Linpack schafft der Vektorrechner mit 100 Prozessoren rund 886 Gigaflop/s, was für Platz 12 in der Top 500 reichte. Insgesamt sind in Großbritannien 34, in Frankreich 29 Superrechner mit Leistungen über 55 Gigaflop/s in Betrieb.

Man darf gespannt sein, wie die weitere Entwicklung bis zum Stichtag für die siebzehnte Top-500-Liste verläuft. Diese wird auf der dann wieder in Mannheim stattfindenden Supercomputer-Konferenz vom 21. bis 23. Juni 2001 erscheinen. (law) (ole)