Zweite Klappe

Mit seinem kostenlosen Videoschnitt-Tool Movie Maker für XP konnte Microsoft bisher keinen Blumentopf gewinnen. Die Version 2 soll das ändern.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Holger Dambeck
  • Clemens Gleich

Das wurmte schon gewaltig: Während Mac-Käufer dank iMovie im Handumdrehen Videos schneiden und Titel, Blenden oder Musik einfügen können, mussten Windows-XP-Anwender ‘ab Werk’ mit einer Primitiv-Software vorlieb nehmen. Windows Movie Maker 1 beherrscht ja nicht einmal elementarste Videobearbeitungs-Funktionen und taugt allerhöchstens zum stumpfen Aneinanderreihen von Clips.

Anderthalb Jahre nach Erscheinen von Windows XP hat der Software-Gigant nun sein Videoschnitt-Tool gründlich überarbeitet. Movie Maker 2, das inzwischen auch als deutsche Version zum Download bereitsteht (12 Megabyte, siehe Soft-Link) macht auf Anhieb einen bessere Figur als sein Vorgänger. Die Bedienung ist übersichtlicher, endlich verfügt das Tool auch über Blenden, Effekte und einen Titelgenerator.

Die Installation ist unwiderruflich, sofern man vorher kein Systemimage erstellt oder mit der Windows-XP-Systemwiederherstellung einen Wiederherstellungszeitpunkt definiert. Bei der Oberfläche orientiert sich Movie Maker an der erfolgreichen, aber meist kostenpflichtigen Konkurrenz und teilt die Arbeit in Aufnahme, Bearbeitung und Ausgabe auf. Eine übersichtliche Linkliste mit Unterpunkten auf der linken Seite zeigt, was gerade zu tun ist.

Filme nimmt das Programm von DV-Kameras, Webcams oder der Festplatte entgegen (AVI, WMV, ASF, MPEG-1; MPEG-2 nur, falls Codec vorhanden). Als Aufnahmeformat empfiehlt der Movie Maker das Microsoft-Format WMV. Davon ist aber abzuraten, sofern dies nicht das gewünschte Ausgabeformat ist. Die beste Qualität liefert DV-AVI, das allerdings 3,5 Megabyte pro Sekunde belegt.

Sind die Daten erstmal auf der Platte, stellt das Programm die Clips in ‘Sammlungen’ zusammen. Der Bediener hat hier wenig Einfluss; Movie Maker fängt eigenwillig für jede Filmdatei eine eigene Sammlung an, in der Referenzen auf die erkannten Szenen (Clips) dieses Films liegen. Selber sortieren ist nicht möglich, man darf höchstens Musik (WAV, MP2, MP3, AIF, WMA, ASF) und Bilder (BMP, JPG, TIF, PNG, GIF) importieren.

Leider wird das Beschneiden der Clips (Trimmen) zur Fummelei, es lässt sich nur per Maus in der Timeline erledigen, was framegenaues Arbeiten erschwert. Die vielen Titelvarianten sind vorgefertigt und wie bei iMovie nur eingeschränkt veränderbar. Damit lässt sich zwar flott arbeiten, aber eigene Ideen müssen draußen bleiben. Unter den 34 Titelanimationen sind neben unaufdringlichen Fadings auch witzige Kompositionen wie ein Nachrichtenfenster à la CNN und die für Gangsterfilme typische rotierende Zeitung, in deren Titelbild der Clip läuft. Zusammen mit den neun Abspannvarianten wird es hier also vorerst nicht langweilig.

Die Vorversion kannte nur einen Übergang (Blende); jetzt hat Microsoft den Movie Maker mit anderen Einsteigerprogrammen gleichauf gebracht, zumindest was die Anzahl (61) angeht. Außer den üblichen Mattscheibenwischern und -schiebern freuen sich destruktive Naturen vor allem über die netten Splittervarianten. Bei den Effekten stört am meisten, dass man so gar nichts einstellen kann. Ein Schwellenwertfilter ohne festlegbaren Schwellenwert hat zum Beispiel nur sehr beschränkt Sinn.

Movie Maker ist (vor allem auf älteren Maschinen) träge und neigt zu Hängern. Noch ärgerlicher ist aber der Audioteil. Man kann in den Film hineinkommentieren (Voice-Over), Musik von der Festplatte einfügen und den Ton eines Clips mit der Maus abreißen und woanders verwenden, nur: Für all das gibt es nur eine einzige freie Tonspur neben dem O-Ton vom Video. Das heißt, entweder Musik oder Kommentar oder L-Schnitt. Wer mehr will, kommt um einen extra Audioeditor oder eine andere Schnittsoftware nicht herum. Hier bot das Vorbild iMovie schon in der ersten Version mehr, von der aktuellen ganz zu schweigen.

Mit den Ausgabe-Punkten ‘Als Anlage in E-Mail-Nachricht senden’ und ‘An Website senden’ will Microsoft offenbar WMV als Internetformat pushen. Der fertige Film kann auch auf DV-Kassette zurückgeschrieben werden. Wer im Platz sparenden WMV-Format geschnitten hat, muss dabei freilich Qualitätseinbußen hinnehmen und wegen der fälligen Umkodierung zusätzlich warten. Movie Maker rendert ohnehin wesentlich langsamer als andere Videoschnittprogramme.

Das Komprimieren in MPEG beherrscht Movie Maker nicht. Hier empfiehlt sich etwa der Encoder TMPGEnc. Er erzeugt aus DV-AVIs qualitativ gute MPEG-1-Ströme für VCDs. Dank variabler Bitrate und 2-Pass-Encoding neigen auch die MPEG-2-Dateien kaum zu Artefakten und sind scharf. Die Benutzung von TMPGEnc ist vier Wochen lang kostenlos. Und in der Regel veröffentlicht der Hersteller monatlich eine neue Version, die wieder kostenlos getestet werden kann. Die MPEGs lassen sich dann mit dem kostenlosen VCDEasy auf (S)VCD brennen.

Trotz der vielen Neuerungen kann Movie Maker nur teilweise überzeugen. Vor allem die rudimentären Audiofunktionen verhindern befriedigende Ergebnisse. Immerhin taugt das Programm aber nun zum fröhlichen Herumalbern mit (möglichst kurzen) Filmchen - und es kostet nichts. (hod)

(ole)