Braune Minderheit

”Wir sind nicht rechtsradikal“, erklären Spielergruppen, die auf ihren Webseiten den Zweiten Weltkrieg glorifizieren und mit rechten Symbolen einen juristischen Drahtseilakt probieren. Selbstkritik üben leider nur wenige.

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Auf den Artikel ”Spielplatz Zweiter Weltkrieg“ (c't 7/03, S. 94) reagierten einige der angesprochenen Clans und änderten Inhalte ihrer Webseiten ab. Der Last Clan Standing hat inzwischen eine Deutschlandkarte mit den Grenzen von 1937 und den stilisieren Reichsadler mit der Unterschrift ”Am Ende steht der Sieg!“ entfernt. Stattdessen distanziert sich der Clan davon, rechtsradikal zu sein, Propaganda zu betreiben oder den Zweiten Weltkrieg zu verherrlichen. Unverändert blieb der Rest: Die Mitglieder müssen laut Regelbuch auch weiterhin den Offizieren gehorchen, ihr ”Leben riskieren“ und dem Clan ”Ruhm und Ehre“ bringen. In aufwendigen Flash-Animationen präsentieren sich die Spieler als ”Elite“, die ”für ihr Vaterland“ lebt, und es ”um jeden Preis“ verteidigt. Die Aufmachung der Webseite sei dem Spiel angepasst, so die Rechtfertigung.

Die ”Kampf Gemeinschaft Berlin“ (im Artikel irrtümlich als Kampfgruppe Berlin bezeichnet) lässt die Webseite nach eigenen Angaben extra von einem Rechtsanwalt daraufhin prüfen, dass keine verbotenen Symbole oder Parolen gezeigt würden. Und so änderte das Clanmitglied ”Phoenix“ auch schnell seine Forums-Signatur ”Geht zu Kretas & LSSAHS Streitkraft“, die eine Aufforderung enthält, sich der ”Leibstandarte SS Adolf Hitlers“ anzuschließen. Völkische, aber nicht strafrelevante Signaturen anderer Spieler blieben hingegen unverändert.

Keinen so guten juristischen Beistand hatte hingegen der Betreiber der Homepage des Clans ”1. Panzergrenadier Division“, als er dessen Leitspruch ”Unsere Ehre heißt Treue“ wählte. Nach einem Urteil des Oberlandesgerichtes Hamm kommt diesem Satz der gleiche Symbolwert zu wie der Losung ”Meine Ehre heißt Treue“, die die Waffen-SS auf ihrem Koppelschloss trug, wonach Webseite und Banner gegen § 86a StGB verstoßen würden. Auch hier betont der Clan, er sei nicht rechtsradikal und habe extra alle ”Nazi-Symbole“ bei der Gestaltung ausgespart.

Alle diese Spielergruppen sind im Deutschen Day-of-Defeat-Bund organisiert und nehmen regelmäßig an Liga-Spielen teil. In Reaktion auf den c't-Artikel kam es zu einer heftigen Forumsdiskussion, in der sich viele Spieler mit den kritisierten Clans solidarisierten und erklärten, nur eine geringe Minderheit der Day-of-Defeat-Spieler sei rechts eingestellt, und jeder, der rechte Sprüche klopfe, werde sofort von Foren und Servern verbannt.

Gewiss besteht ein Unterschied zu offen neonazistisch auftretenden Clans wie der ”Sturmabteilung Radical Attackers“. Eines der Mitglieder empfiehlt anderen rechten Spielern, keine Parolen in den Spielen zu grölen, weil dies der eigenen politischen Zielrichtung schade. Stattdessen solle man sich lieber in Kameradschaften und der NPD betätigen. Andere Forumsteilnehmer finden dies ”makaber“, distanzieren sich und klagen, dass solche Spieler die gesamte Spieler-Gemeinschaft in Verruf bringen würden - weder wurde der Spieler allerdings verbannt, noch wurde sein Beitrag gelöscht.

Leider sieht nur eine Minderheit der Spieler das eigene Auftreten selbstkritisch und gibt den Übrigen zu bedenken, dass die Webseiten genau das kommunizieren, wovon sie sich an anderer Stelle distanzieren. Offenkundiges Beispiel ist die Seite des ”SS Wolfclan“, der seinen Namen nur gewählt habe, um mehr Spieler zu einem Online-Gefecht zu bewegen. So verwendet wahrscheinlich auch der Spieler ”Kalle88“ nur aus Provokation das in der rechten Szene beliebte Zahlensynonym für ”Heil Hitler“. Tatsächlich findet man auf der Seite diverse Banner von Initiativen wie ”Gamer gegen Rechts“ oder ”Nazis raus aus dem Internet“.

Nazi-Symbole waren schon in der Punker-Szene der 70er-Jahre beliebt, um Bürger zu provozieren. Die Punks kümmerten sich aber im Unterschied zu den Gamern nicht darum, ob die Symbole verboten waren oder nicht - im Gegenteil: Je krasser sie ausfielen, desto mehr Spaß hatten die Bürgerschrecks. Zumindest einige Spieler verwenden sehr viel Energie darauf, dass sie als eindeutig rechts zu identifizieren sind, andererseits aber gegen keine Paragraphen verstoßen. Die Angst, Sponsoren zu verlieren oder vom Großteil der Spielerszene als rechtsradikal stigmatisiert zu werden, ist anscheinend groß. Sollte es tatsächlich stimmen, dass ihre Webseiten ohne politischen Hintergrund nur des Spiels wegen so gestaltet sind, dann fällt es angesichts des neuen Jugendschutzgesetzes (siehe S. 50 und 78 in diesem Heft) schwer, Argumente gegen ein formelles Verbot zu finden, weil die Spiele anscheinend unpolitische Gamer dazu animieren, Kriegs- oder Nazi-Propaganda zu verbreiten. Der Publisher Activision, der demnächst eine Verkaufsversion von Day of Defeat vertreibt, wollte sich zu der Problematik nicht äußern. (hag)

[1] Hartmut Gieselmann, Spielplatz Zweiter Weltkrieg, c't 7/03, S. 94 (es)