Flugschule

Zum materialschonenden Training nutzt der Modellbauer gern einen PC-Flugsimulator. Das übt natürlich erst dann richtig, wenn man ihn mit der eigenen RC-Fernsteuerung bedienen kann - etwa über unser USB-Interface für Fernsteuersender. Dann fehlt zum perfekten Erlebnis praktisch nur noch die olfaktorische Komponente aus verbranntem Rizinusöl und Methanol.

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Von
  • Carsten Meyer
Inhaltsverzeichnis

Spätestens, wenn sich nach einem Steuerfehler das wertvolle Elaborat langer Bastelabende in Sekundenbruchteilen desintegriert und der verbleibende Trümmerhaufen nur noch Heizwert hat, denkt auch der risikofreudigste Pilot über das verlustfreie Training mit einem Modellflugsimulator nach. Davon gibt es inzwischen etliche an der Zahl, sogar für schwierig zu fliegende Hubschrauber- und Scale-Modelle. Sie bilden die aerodynamischen Eigenschaften der kleinen Fluggeräte exakt nach; einige glänzen obendrein mit einer naturgetreuen Umgebungsdarstellung - so etwa der neue AeroFly Professional DeLuxe von Ipacs, aus dessen Alpha-Version unser Aufmacherbild stammt.

Doch die Steuerung mit einem profanen Joystick mindert den Trainingserfolg - der Fernsteuersender erfordert halt eine andere Feinmotorik. Der Modellbau-Versandhandel bietet spezielle Interfaces an, mit denen man Fernsteuersender als Joystick-Ersatz an den Gameport oder die serielle Schnittstelle des simulierenden PC anschließen kann, fortschrittlicher ist aber die Anbindung über USB - wie in unserem hier vorgestellten Projekt. Voraussetzung ist zunächst eine so genannte Lehrer/Schüler-Buchse am Sender, die normalerweise zum Koppeln zweier Sender für den Schulungsbetrieb dient, ähnlich dem zweiten Pedalsatz in einem Fahrschulwagen. Bei einigen Sendern lässt sie sich auch nachträglich einbauen.

An der Lehrer/Schüler-Buchse liegt die Impulsfolge an, mit der im Sender die Hochfrequenz moduliert wird. Sie besteht aus einer Anzahl von Einzelimpulsen variabler Länge, die einschließlich einer abschließenden Pause ständig wiederholt werden (Puls-Phasen-Modulation PPM, siehe Bild). Jeder Einzelimpuls steht für die Stellung der korrespondierenden Rudermaschine (Servo-Kanäle), wovon ein bis acht (ggf. sogar mehr) vorhanden sein können. Der Servo-Mittelstellung entspricht eine Impulslänge von 1,5 ms, den beiden Endstellungen die Zeiten 1 ms (Stellung links/unten/Leerlauf) und 2 ms (rechts/oben/Vollgas). Wenn man lediglich die Zeit zwischen den ansteigenden Impulsflanken auswertet, sind das Tastverhältnis (üblicherweise 0,7 zu 0,3 ms und 1,7 zu 0,3 ms für die Endstellungen) und die Polarität des Signals egal.

Pinbelegung verschiedener RC-Sender (Lötseite der Stecker); mit einer Drahtbrücke (blau) im Stecker lässt sich bei einigen RC-Sendern im Lehrer/Schüler-Betrieb die Hochfrequenz abschalten.

Dieses fast vierzig Jahre alte Prinzip der „Digital-Proportional-Fernsteuerung“ hat sich firmenübergreifend einschließlich der definierten Impulslängen im Wesentlichen bis heute gehalten. Erst in jüngerer Zeit sind andere (herstellergebundene) Verfahren hinzugekommen, so die volldigitale PCM-Übertragung, die an dieser Stelle außen vor bleiben müssen.

Das Aufbereiten der Servo-Impulsfolge in ein für den Rechner bekömmliches Signal erledigt in unserem kleinen Projekt ein speziell programmierter Mikrocontroller mit integriertem USB-Port. Die Berliner Firma Code Mercenaries hat für c't einen Baustein ihrer JoyWarrior-Serie [1, 2|#lit] für diesen Zweck angepasst: Der JW24RC fragt keine Joystick-Schalter und -Potenziometer ab, sondern wertet die Impulslängen der PPM-Pakete aus. Ansonsten verhält er sich am PC wie ein ganz normaler Joystick mit bis zu fünf „analogen“ Achsen und bis zu zehn „digitalen“ Schaltern/Tastern, und als solcher benötigt er unter Windows und Mac OS X keine speziellen Treiber. Die Anzahl der Fernsteuerkanäle und die Polarität der Impulsfolge ermittelt der JW24RC automatisch.

Der JW24RC kommt wie alle JoyWarrior-Chips mit einer minimalen externen Beschaltung aus, hier bestehend aus nur fünf weiteren Bauteilen: ein Billig-Transistor, zwei Widerstände und zwei Kondensatoren (siehe Schaltbild). Zusätzlich sind noch acht Jumper vorgesehen, mit denen man die Richtung einzelner Kanäle invertieren oder Kanäle gegeneinander vertauschen kann. Die Umbelegung der Steuerknüppel ist allerdings nur selten erforderlich, da jeder moderne Sender ohnehin die freie „Mode“-Wahl (Geber-Zuordnung) bietet. Die Jumper-Vorgaben lassen sich übrigens per USB „überschreiben“ und umkonfigurieren; für diesen Zweck gibt es von Code Mercenaries ein kleines Tool.

Der PPM-auf-USB-Umsetzer JW24RC kommt mit einer Hand voll externer Bauteile aus. Falls Sie einen Quarz vermissen: Der USB-Takt wird intern über eine PLL-Schaltung erzeugt. Anstelle der USB-B-Buchse können Sie auch ein altes USB-Anschlusskabel verwenden, die Aderfarben sind im Schaltbild angegeben.

Der invertierende Transistor dient lediglich zur Impulsformung und Entkopplung. Wichtig ist allerdings das vorgeschaltete RC-Glied R2 und C2, das unerwünschte HF-Reste aus dem Signal filtert. PL1 ist der USB-Anschluss (Buchsenausführung B), PL2 führt zur Lehrer/Schüler-Buchse des Fernsteuersenders (Signal auf Pin 1, Masse auf Pin 2).

Die Ausführungen der Lehrer/Schüler-Buchse sind gar vielfältig: Von der fünfpoligen DIN-„Diodenbuchse“ bis zur simplen 3,5-mm-Klinke findet man hier fast alles, zum Glück aber meist in genormter Standardausführung. Die wichtigsten Belegungen haben wir in den umseitigen Abbildungen zusammengetragen. Bei vielen Geräten lässt sich über eine Brücke im Stecker auch die Hochfrequenz abschalten, was schon wegen des geringeren Stromverbrauchs unbedingt empfehlenswert ist. Ist die Abschaltmöglichkeit nicht gegeben, kann man alternativ den HF-Steckquarz entfernen.

Vielen einfachen Fernsteuersendern fehlt allerdings die Lehrer/Schüler-Buchse. Glücklich ist, wer sich mit einem Oszilloskop im Geräteinnern auf die Suche nach der charakteristischen Impulsfolge machen kann, um sie an geeigneter Stelle anzuzapfen und nach draußen zu führen. Wenn die Impulsaufbereitung im Sender von einem IC namens LM1871 (National Semiconductor) erledigt wird, hat man schon mal gute Karten: Hier liegen die PPM-Pakete definitiv an Pin 12 an. Vielleicht haben Sie ja noch einen alten Sender einfacher Bauart herumliegen, den Sie auf diese Weise einem dedizierten Verwendungszweck zuführen können. Tipps zu dieser Thematik liefern die Webseiten unter unserem Soft-Link.

Für die kleine Interface-Schaltung haben wir ein Platinenlayout entworfen, mit dem sich der kundige Praktiker unter Einsatz von UV-Licht und ätzenden Chemikalien eine Platine fertigen kann. Das Layout lässt sich als PDF von der c't-Projektseite (siehe Soft-Link) herunterladen und als Ätzvorlage ausdrucken. In anorganischer Chemie Unkundige sollten die Schaltung lieber auf einer Lochraster-Platine aufbauen, das Layout kann dann immer noch als Vorlage zur Bauteilplatzierung und Verdrahtung dienen.

Bestückungsplan und Layoutvorschlag für unser RC-Sender-Interface. Eine Ätzvorlage findet sich unter dem Soft-Link.

Die Jumper sind zunächst obsolet und zum Testen nicht notwendig. Der JoyWarrior-Chip sollte sich nach Verbinden mit dem USB als Eingabegerät (HID im Geräte-Manager unter Windows oder namentlich als JoyWarrior24RC im USB-Baum des System Profilers von Mac OS X) melden und nach Anschluss der Fernsteuerung die gegebenen Kanäle als Joystick-Funktionen zur Verfügung stellen. Technisch Interessierte können vom Hersteller das JoyWarrior-Datenblatt downloaden, zum Aufbau der Schaltung ist das Studium der detaillierten Beschreibung aber nicht notwendig.

Getestet und für gut befunden haben wir den RC-Warrior mit dem kostenlosen Flugmodellsimulator FMS 2.0b7 (Windows) und dem Hangsegelflugsimulator SSS 2.16.5 (für Windows, Linux und Mac OS X, siehe Soft-Link). Ersterer bietet eine ganze Anzahl naturgetreuer Motormodelle, vom agilen Kunstflug-Doppeldecker über Trainingsmodelle bis zum mehrstrahligen Airbus. Der FMS läuft in der Beta-7-Version schon sehr stabil und bietet eine detailreiche Umgebung einschließlich im Wege stehender Bäume und der obligatorischen Vereinsbutze.

Der „Slope Soaring Simulator“ SSS ist eher etwas für gemütliche Naturen, hier stehen verschiedene (auch nachladbare) Segelflugmodelle zur Auswahl. Damit man am Hang nicht allein dasteht, kann man künstlich intelligente Vereinskollegen (Robots) zum simulierten Flugtag einladen. Das hat weniger ein soziales Moment als vielmehr den Sinn, anhand der anderen Modelle lohnende Aufwinde zu erkennen. Etwas umständlich gestaltet sich der SSS-Download für Nicht-Windows-Nutzer; die müssen sich zunächst in einer Yahoo-Gruppe anmelden, um Zugriff auf die kompilierten Files zu erhalten. Auch der SSS ist entsprechend der GNU General Public License kostenlos. Natürlich läuft der JoyWarrior24RC auch mit kommerziellen Flugsimulatoren, solange die sich mit einem USB-Standard-Joystick bedienen lassen. (cm)

[1] Carsten Meyer, Draht nach draußen, USB-Interfacing mit Custom-Chips c't 8/2003, S. 204 oder http://www.heise.de/ct/03/08/204/default.shtml

[2] Code Mercenaries Homepage, http://www.codemercs.com/D_index.html

(cm)