Music in the Air

Kein analoges Rauschen, kein Knistern und die Bohrmaschine bleibt kalt.

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Den Verstärker einfach weit aufzudrehen dürfte die wohl einfachste Methode sein, mit zentral vorgehaltener Musik die gesamte Wohnung zu beschallen. Wer jedoch den Sound nachbarschaftsverträglich in der Wohnung verteilen wollte, musste bisher entweder Löcher in die Wände bohren und Kabel verlegen oder analoge Funkbrücken zur Übertragung einsetzen. Kabel jedoch neigen im Laufe der Zeit zu lümmelhaft krummer Haltung, an der das ästhetische Empfinden penibler Mitbewohner Anstoß nimmt, zumal sie auch Rückzugsgebiete für Wollmauskolonien bilden, die besonders in ausgedehnten Kabelgefilden einen natürlichen Schutz vor ihrem einzigen Fressfeind, dem Staubsauger, finden.

Mit analogen Funkbrücken lassen sich solche ökologischen Nischen immerhin im Handumdrehen beseitigen. Man schließt den Sender etwa an den Kopfhörerausgang des Verstärkers an, stellt im Nachbarzimmer die Boxen auf und schaltet sie ein - fertig. Doch gewährleisten solche UKW-Übertrager keine musikalische Feinkost, denn sie geben den gesamten Wellensalat, den die Antenne aufschnappt, wahllos an die Lautsprecher weiter, inklusive Rauschteppich und Funkstörungen.

Es gibt mittlerweile Audio-Brücken mit digitalen Übertragungsverfahren, die unverfälschte Klänge versprechen. Die Ausrichtung der Produkte ist uneinheitlich, sodass die Auswahl zunächst schwer fällt - von allen wünscht man sich aber genügende Reichweite, unverfälschte Weitergabe der Musik und eine Fernbedienungsfunktion, damit man die gemütliche Sesselrunde nicht wegen der Musikauswahl Richtung Arbeitszimmer verlassen muss.

Geht man von zwei vereinfachten Anwendungsszenarien aus, lässt sich das Angebot leicht vorsortieren: Im ersten Fall sind nur Audio-Geräte zu koppeln, während im zweiten der PC mit seinen digitalen und teils urheberrechtlich geschützten Dateien (DRM) im Mittelpunkt steht.

Zur ersten Gruppe, die nur Audiogeräte wie CD- oder DVD-Player und Stereo-Anlage miteinander verbindet, gehören die Bluetooth-Brücken Air2U BlueWalker und BlueTake Hi-Phono BT460 EX sowie das Vivanco Audio-Sender-Set CHT100, das mit einem proprietären Verfahren funkt. Eine Untergruppe bilden die drahtlosen Kopfhörersysteme, nämlich AipTek BT-MusiCool 300 sowie BlueTake i-Phono BT420 EX. Sie alle nutzen Bluetooth zur Übertragung, das für die Stereosignale das eigens entwickelte Advanced Audio Distribution Profile, A2DP, voraussetzt. Mehr zu Grundlagen der Audio-Übertragung - via Bluetooth, WLAN oder Powerline - findet sich im Beitrag ab Seite 156.

Von dieser Gruppe erwarten wir gute Analog-Digital-Wandler sowie einfache Montage und Bedienung. Prinzipiell könnten diese Audiobrücken auch Fernbedienungskommandos in Gegenrichtung befördern, aber Audioanschlüsse etwa von CD-Playern sind eben nur als Ausgänge konzipiert ...

Natürlich eignen sich die Audiobrücken auch zur Kopplung von PCs etwa mit Stereo-Anlagen; das liefe darauf hinaus, dass man die Musik nach verlustbehafteter Digital-Analog-Wandlung am Analogausgang der Soundkarte abgreift.

Der Sender der Brücke digitalisiert sie vor dem Versand, und der Empfänger wandelt sie erneut von digital zu analog. Um also Qualitätsverluste zu vermeiden und Musik möglichst durchgängig digital vom PC zum (vielleicht SPDIF-bewehrten) HiFi-Verstärker zu befördern, gibt es eine zweite Gruppe von Produkten, die digitale Musik vom PC kabellos via WLAN empfängt und an Kopfhörer oder HiFi-Anlagen weitergibt.

Zu dieser Gruppe gehören Apple AirPort Express, SlimDevices SqueezeBox, Creative Soundblaster Wireless, Philips Streamium SL50i, Roku Soundbridge M1000 sowie Terratec Noxon. Bei AirPort Express handelt es sich um eine kleine WLAN-Basisstation für DSL-Anschlüsse, die zusätzlich einen Audioausgang mitbringt. Sie funkt gemäß IEEE 802.11g brutto 54 MBit/s. Die übrigen WLAN-Produkte sind Streaming-Clients - zigarrenschachtelgroße Empfänger, die per Fernsteuerung die Musik abrufen und über ihr Audio-Interface der Stereo-Anlage zuführen.

Geräte dieser Gruppe sollten neben guten Analogausgängen auch SPDIF-Anschlüsse haben und möglichst alle gängigen digitalen Musikformate befördern, also auch DRM-geschützte AAC- oder WMA-Songs. Zudem erwartet man auf der Empfängerseite Displays sowie Fernbedienungsfunktionen, über die man die Wiedergabe des PC steuern kann.

Generell sollte man WLAN nur verschlüsselt betreiben, um so Missbrauch seitens Dritter zu unterbinden - etwa Massenversand von Spam-Mails. Dazu müssen alle Teilnehmer eines WLAN verschlüsselt kommunizieren, also auch WLAN-Streaming-Clients. Leider bietet mit Apples AirPort Express nur ein Kandidat das als sicher geltende WPA-Verfahren; die übrigen zwingen zu WEP-128. WEP-Schlüssel lassen sich jedoch mit gängigen Hacker-Tools knacken, und zwar umso schneller, je mehr Daten ein Hacker-Tool analysieren kann. Dass die Situation beim Audio-Streaming nicht so prekär ist wie bei den voluminösen Videoübertragungen, sollte keinen Hersteller beruhigen, zumal sehr unwahrscheinlich scheint, dass Anwender diese Schwäche mit gesonderten, nur für Musik-WLANs gekauften Basisstationen kompensieren würden.

Das MicroLink dLAN Audio Starter Kit von devolo, das zur Übertragung das heimische Stromnetz nutzt, nimmt eine Sonderstellung ein. Es kann analoge wie auch digitale Audio-Geräte koppeln sowie zentral auf PCs gelagerte, digitale Musik analogen oder digitalen Audio-Komponenten zuführen, eignet sich also für beide Anwendungszenarien.

Grundsätzlich haben digitale Brücken gegenüber analogen zwei Vorteile. Sie liefern auch unter mittelmäßigen oder schlechten Übertragungsbedingungen eine konstant hohe Klangquali-tät, und es treten keine Pegelschwankungen auf. Bei analogen Systemen nimmt die Klangqualität mit zunehmender Entfernung ab und das Rauschen nimmt zu. Zudem kommt es zu ungewollten Lautstärkeänderungen, wenn das Signal wechselhaften Dämpfungen unterworfen wird (etwa wenn Personen den Funkweg kreuzen).

Digitale Brücken bügeln nicht nur Dämpfungsschwankungen aus, sondern detektieren fehlerhafte Datenpakete vor der Weitergabe an das Audio-Interface anhand von Checksummen, und solche, die der Empfänger nicht reparieren kann, fordert er vom Sender neu an. Wenn die Neuen schnell genug unversehrt ankommen, hört man keine Funkfehler. In der Zwischenzeit treten keine Aussetzer (drop-outs) auf, weil der Empfänger die Daten nicht unmittelbar abspielt, sondern in Puffern zwischenlagert - bei ausreichender Funkqualität hat er immer einen Vorrat. Erst wenn die Fehlerrate die Korrekturgeschwindigkeit übersteigt, geht der Vorrat zur Neige und Aussetzer werden hörbar.

Ursprünglich war das nur ein wünschenswerter Nebeneffekt, denn Puffer gewährleisten in Kombination mit Flusskontrollen in erster Linie die verlustfreie Weitergabe etwa vom Funkmodul über den Mikrocontroller bis zum MP3-Decoder. Inzwischen setzen Hersteller zusätzliche Puffer ein, um die Reichweite zu erhöhen, innerhalb der man störungsfreien Empfang hat. Je länger nämlich die Sendestrecke, desto niedriger ist die Funkqualität am anderen Ende und desto häufiger kommen Sendewiederholungen vor. Je größer aber die Empfangspuffer, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass ein Datenpaket doch rechtzeitig korrekt ankommt.

Die digitale Übertragung und Zwischenlagerung hat freilich auch Nachteile. Die Musik setzt nicht unmittelbar ein, sondern erst bei vorgegebenem Pufferfüllstand. Das dLAN-System beginnt erst nach drei Sekunden mit der Wiedergabe.

Soll also eine Audiobrücke Teil eines 5.1-Surround-Systems werden, sind üppige Puffer ein K.o.-Kriterium, weil sie die Musik zu lange zurückhalten - aktuelle 5.1-Verstärker haben kleinere Puffer und können ihre Signale eben nur für Sekundenbruchteile verzögern, die bei Laufzeitunterschieden zwischen verschieden weit entfernten Boxen auftreten. Die Latenz äußert sich je nach Puffergröße als kleines Echo bis zu komplett unsynchroner Wiedergabe.

http://ct.de/0504/146

"Audio ohne Kabel"
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(dz)