Computerkunst am Rhein

Die größte deutsche Demo-Party lockte rund 1000 Computer-Fanatiker aus ganz Europa nach Bingen am Rhein. Sie bot diesmal neben den traditionellen Wettbewerben auch Seminare.

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Von
  • Patrick Brauch
Inhaltsverzeichnis

Auf den ersten Blick mutet es an wie eine beliebige LAN-Party: Eine dunkle Sporthalle, in der hunderte von Tischen und Stühlen aufgestellt sind, erleuchtet einzig durch tausende von Computerbildschirmen, auf denen beeindruckende Grafiken laufen. Auf den zweiten Blick jedoch fällt auf, dass die eingesetzten Rechner eher untypisch für Gamer sind: Von Amigas über Commodore 64 bis hin zu diversen alten Spielekonsolen findet man auf der Breakpoint eigentlich vorwiegend Rechner der älteren Generation.

Und wenn dort doch gespielt wird, handelt es sich eher um Klassiker wie Manic Mansion oder Bubble Bobble als denn um aktuelle First-Person-Shooter - so was ist auf einer Demo-Szene-Party ohnehin verpönt, prinzipiell gilt die Richtlinie „Gamer fliegen raus“. Denn im Mittelpunkt sollen natürlich die von den verschiedenen Gruppen vorgeführten Demos stehen. Dabei handelt es sich um eigenständig ablaufende Computerprogramme, die Grafiken und Sound in Echtzeit berechnen und abspielen.

Die Demo-Szene hat sich ursprünglich aus dem klassischen Cracker-Untergrund entwickelt, der den Kopierschutz aus Spielen entfernt und mehr oder weniger aufwendige „Intros“ vor die Programme gesetzt hat. Heute hat die Szene nichts mehr mit kriminellen Machenschaften zu tun, es geht alleine darum, aus einer - teilweise sehr alten - Hardware das Maximum herauszuholen. Der Verein Digitale Kultur e. V. fördert und unterstützt die Demo-Szene und organisiert die Veranstaltungen [1]. Dieses Jahr wurden Sieger in 18 Kategorien gekürt. Neben den traditionellen Wettbewerben im Bereich C64-, Amiga- und PC-Demo gab es auch freie Grafik-, Video- und Musik-Wettbewerbe.

Inzwischen hat auch die Industrie mitbekommen, dass in der Demo-Szene ein profundes Know-how steckt. Spiele-Entwickler gucken sich dort schon seit einiger Zeit Tricks ab, beziehungsweise stellen Leute aus dieser Szene ein. Auf der Breakpoint 2005 trat ATI als Hauptsponsor auf und schickte mit René Frolecke und Bastian Rath gleich zwei Leute vor Ort, die alle vier Veranstaltungstage begeistert die vorgeführten Demos und Seminare verfolgten. Aber auch andere Firmen wie Intel, Microsoft oder GO64! sponserten Sachpreise für die Sieger der Wettbewerbe.

Das unbestrittene Highlight aller eingereichten Demos war zweifellos „Shizzle“ von Team Pokeme in der Kategorie Console/Real Wild. In diese Klasse fallen alle Demos für Plattformen, für die es keinen Wettbewerb in einer gesonderten Kategorie gibt. Überraschenderweise war die Siegerdemo nicht etwa für Xbox oder Playstation 2 geschrieben, sondern für ein Pokemon Mini [2]. Das Gerät hat gerade mal zwei Kilobyte RAM, 768 Byte Videospeicher, ein 96 x 94 großes Monochrom-Display und eine 8-bittige CPU. Im Vorfeld hatte das Team sich noch Sorgen gemacht: „Wir waren wirklich unsicher, so etwas niedrig Aufgelöstes auf einem 76-Quadratmeter-Screen und monophones Gepiepse auf den riesigen Boxen vorzuführen, und relativ überzeugt davon, dass man uns wohl steinigen werde“, sagte Dirk Hastik aka „p0p“ gegenüber c't. Die Sorge war aber unberechtigt: Das Publikum jubelte und gab Standing Ovations nach der beeindruckenden Demo, Shizzle erhielt die beste Wertung aller eingereichten Beiträge.

Die Old-School-Szene blickt ein wenig herab auf die PC-Demo-Coder: Es sei schließlich keine Kunst, die Befehlssätze moderner Grafikkarten anzusprechen, um Ansehnliches auf den Monitor zu zaubern. Bei älteren Plattformen wie dem C64 oder Amiga musste man dies noch alles „von Hand“ erledigen. Zudem ist es schwieriger, Leistungen zu vergleichen, da PCs mit unterschiedlicher Ausstattung auch unterschiedliche Qualität an Demos darstellen können.

Aus diesen Gründen gibt es drei Kategorien im PC-Demo-Bereich: limitiert auf 4 Kilobyte RAM (die gesamte Demo darf also nicht größer als 4096 Bytes sein), auf 64 Kilobyte RAM und schließlich auf 16 Megabyte limitiert. Innerhalb einer 4k-Grenze ist es schon eine größere Herausforderung, anspruchsvolle Grafik und Musik zu präsentieren. Hier setzte sich „Pico!“ von Dekadance an die Spitze, gefolgt von „Lda stain“ von Clarence/Chorus und „Stroh“ von der renommierten Gruppe Fairlight - deren Musiker „Reed“ übrigens in allen vier Musik-Wettbewerben unter die besten drei gewählt wurde. Sein Track „Shove my disco up your arse“ gewann den Executable-Music-Contest.

Im 64k-Limit gewann das technisch eindrucksvolle „Binary Flow“ von Conspiracy, gefolgt von Fairlights „Death & Taxes“. Den dritten Platz heimste „Bugtro“ von Mostly Harmless ein - eine beachtliche Leistung, da die Demo als einzige nur 32 Kilobyte groß war. Sie war vor allem konzeptionell ein Höhepunkt. Anstatt mit Grafik zu protzen, überzeugte Bugtro mit einer einzigartigen Idee: Hunderte kleiner Käfer bilden Schriften, geometrische Formen und simulierten sogar ein Feuerwerk. Mittels einer Kollisionserkennung (beruhend auf einer dynamischen 2D-Hashtabelle) und etwas künstlicher Intelligenz bewegt sich jeder Käfer unabhängig von den anderen virtuellen Tieren - er kennt lediglich seinen Zielpunkt, die einzuschlagende Route wählt er aber in Echtzeit.

In der Königsdisziplin - der 16-Megabyte-PC-Demo - konnte sich die Gruppe Plastic mit ihrem Werk „195/95“ den ersten Platz sichern. Die Gruppe hat die Demo in nur 40 Tagen fertiggestellt, „bonzaj“ von Plastic räumt aber ein, dass es im Grunde noch keine wirklich fertige Version ist. Wenige Stunden vor dem Wettbewerb bastelte er immer noch an letzten Feinheiten. Plastic will in nächster Zeit noch eine etwas längere und verbesserte Version der Demo bereitstellen.

Der Sieger des C64-Demo-Wettbewerbs fiel etwas aus dem Rahmen: Es handelte sich um eine Karaoke-Demo, die gleichzeitig als Einladung zur kommenden Replay Copy Convention diente.

Beeindruckt war das Publikum vom Sieger des Amiga-Wettbewerbs: „Ocean Machine“ von TBL entzückte mit einem hervorragenden Musiktrack und grafischen Animationen in einer Qualität, wie man sie bislang auf dem Amiga nicht kannte.

Eine Neuheit auf der diesjährigen Breakpoint waren die Seminare: Erstmalig verrieten Demo-Szener und Entwickler Geheimnisse und Tricks zum Demo-Coding. In einem abgetrennten Seminarbereich fanden zahlreiche Vorträge statt. So erläuterte Markus „TRiNiTY“ Glanzer von Sony, welche Möglichkeiten es mit der neuen Playstation Portable (PSP) gibt. Aber nicht nur Demo-Coder hielten Seminare, Heinz Bast von Intel stellte Entwickler-Tools wie den Intel Vtune Performance Analyzer vor und René Frolecke von ATI hielt ein Seminar über optimierte DirectX9-Programmierung. Alle Beiträge sowie weitere Informationen zur Veranstaltung finden sich auf der Breakpoint-Webseite [3].

Insgesamt war die Breakpoint 2005 ein voller Erfolg. Hauptorganisator Simon Kissel aka „Scamp“ sprach auf der Abschlussrede von der besten Breakpoint-Erfahrung, die er je hatte. Auch der neue Veranstaltungsort kam gut an, die Mehrzweckhalle wird wohl auch im kommenden Jahr die Breakpoint 2006 beherbergen. Wer nicht solange warten will, kann im August die zweitgrößte deutsche Demo-Veranstaltung besuchen, die Evoke in Köln [4].

[1] Digitale Kultur e. V.

[2] Pokemon Mini

[3] Breakpoint-Webseite

[4] Evoke (pab)