Prozessorgeflüster

Der ARM-Prozessor feiert Geburtstag und (fast) alle feiern mit. Viele neue Cores erwartet man auf dem Spring Processor Forum und Intel will demnächst auf eine völlig neue Prozessorgeneration umsteigen, wie der kommende CEO Paul Otellini jetzt verriet.

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Von
  • Andreas Stiller

Ende April feierte der ARM-Prozessor seinen 20. Geburtstag, auch von hier aus dazu noch herzlichen Glückwunsch. Merkwürdig nur, dass in der ARM-Festschrift „From Acorns to Mighty Oaks“ (von Eicheln zu mächtigen Eichen) zwar der findige österreichische Acorn-Firmengründer Hermann Hauser und der spätere ARM-CEO Robin Saxby vielfach erwähnt wurden, aber mit keiner einzigen Silbe die beiden Schöpfer des Prozessors Sophie (damals Roger) Wilson und Steve Furber. Das wäre so, als wenn bei einer Jubiläumsfeier zum 4004-Prozessor von Intel nur von Robert Noyce und Gordon Moore die Rede wäre und die Entwickler Ted Hoff und Federico Faggin außen vor blieben. Die Würdigung holen wir daher stellvertretend für ARM einfach nach.

Sophie arbeitet heute als Entwicklerin bei der Konkurrenz, nämlich bei Broadcom, ist in der DSL-Unit in Cambridge/U.K. tätig und hat dort den FirePath-Prozessor als Chefarchitektin designt - finanziell nötig hat sie den Job nicht, da ihr ein erklecklicher Anteil an den 407 Millionen Pfund zukam, die Broadcom im Jahre 2000 für den Aufkauf der Acorn-Nachfolgefirma Element 14 investierte. Zwischen-durch hob sie übrigens nebenbei als Direktorin bei Eidos auch Lara Croft mit aus der Taufe ...

Steve Furber ist schon seit den 80er Jahren Professor für Computing Engineering an der Universität von Manchester, wo er eine taktlose Variante des ARM-Prozessors namens Amulett entwickelte. Er ist auch an Techniken beteiligt, Prozessoren auf anderer Hardware zu emulieren, die das Spin off der Universität namens Transitive Technologies Ltd vermarktet. SGI hat als eine der ersten großen Firmen Ende letzten Jahres die QuickTransit-Software von Transitive in Lizenz genommen, um ältere MIPS-Plattformen auf dem Itanium-Prozessor zu emulieren.

Eigentlich wollte Acorn - ältere c't-Leser kennen sicher noch den Archimedes-Rechner mit dem legendären 3D-Spiel „Lander“ - Intels 286-Prozessor als Core in Lizenz nehmen, doch Intel lehnte ab, wollte nur fertige Chips verkaufen, keine Cores. Und so machten sich die beiden gegen 1984 selbst an die Arbeit, ließen sich von den RISC-Päpsten David Patterson (damals Berkeley, heute Berkeley) und Rick Oehler (damals IBM, heute AMD) von der RISC-Idee „anstecken“ und designten auf die Schnelle mal eben einen eigenen Prozessor. Zu jener Zeit konnte man also noch zu zweit einen Prozessor mit seinen 25 000 Transistoren in wenigen Monaten kreieren, heute besitzt bereits ein kleiner Audio-Chip 2000 Mal mehr Transistoren - beispielsweise der neue DSP „X-FI Quartet“ von Creative, der jetzt antreten will, Intels HD-Audio den 5.1-Sound um die Ohren zu blasten (mehr dazu in der nächsten c't).

Die ARM-Architektur trat ab Mitte der 90er Jahre in der Embedded-Welt einen geradezu abenteuerlichen Siegeszug an. Bereits 2002 konnte man den milliardsten ARM-Prozessor vermelden, den die über 70 Lizenznehmer gefertigt hatten. Im letzten Jahr war zwar der Motorola-Nachfolger Freescale mit fast 30 Prozent Marktanteil insgesamt (inklusive aller 8- und 16-Bitter) laut Gartner weiterhin der absolute Marktführer im Embedded-Bereich, aber diese Statistik wird zunehmend schwieriger. Schließlich ist auch Freescale inzwischen ARM-Lizenznehmer. Bei den 32-Bit-Prozessor-Architekturen dominiert ARM mit annähernd 80 Prozent - der PowerPC holt hier allerdings kräftig auf. Freescale hat bereits, dem allgemeinen Trend folgend, Doppelkerne für PowerPC angekündigt. ARM hat aber auch schon den ARM V6-Core für symmetrisches Multiprocessing vorgestellt - im letzten Jahr auf dem Embedded Forum in San José, auf dem unter anderem Sophie Wilson den FirePath-Prozessor präsentierte.

Ab diesem Jahr heißt das Forum „Spring Processor Forum“, und wieder sprießen mitten im Wonnemonat Mai diverse neue Kerne (etwa XAP3 von Cambridge Consultans Ltd.), neue Versionen (wie MicroBlaze v4 von Xilinx), neue Generationen (nächster 64-Bit-Prozessor von MIPS), neue Besitzer (AMCC als Nachfahre von IBMs Embedded-PowerPC-Entwicklerbude), neue parallele Architekturen (Matsushita) und so weiter. Als Special Guest ist IBMs Jim Kahle vorgesehen - und der ist Chefarchitekt des Cell-Prozessors. Da dürfte es wohl die ein oder andere spannende Neuigkeit geben.

Intel hat unterdessen die in dieser Kolumne bereits skizzierte inoffizielle Roadmap weit gehend bestätigt. Intels designierter neuer CEO Paul Otellini ging auf einem Analysten-Meeting gut gelaunt auf die nächste Generation der Prozessoren ein, mit der Intel ab Ende nächsten Jahres Abschied von der NetBurst-Architektur des Pentium 4 nehmen will: Merom bei den Notebooks, Conroe bei den Desktops, Woodcrest in der Xeon-DP-Linie und Whitefield bei den Xeon-MPs. Man hört im Umfeld von einer völlig neuen, fünffach superskalaren Architektur mit nur 12 Pipeline-Stufen, die äußerst stromsparend mit einem Anfangstakt zwischen 2 und 3 GHz arbeitet - und dennoch deutlich schneller sei als aktuelle NetBurstler. Vor zwei Jahren sah Intel ja schon in Bälde 10-GHz-Prozessoren - die dürften sich wohl etwas verspäten.

Alle neuen Prozessoren unterstützen 64 Bit (EM64T) und Vanderpool-Virtualisierung und beherbergen zwei beziehungsweise vier (Whitefield) Cores. Integrierte Speichercontroller à la Opteron bleiben jedoch der Xeon-Linie vorbehalten. Im Desktopbereich mit nur einem Sockel machen diese performancemäßig auch nicht so arg viel aus - ein wenig Vorteil in der Latenzzeit, den aber größere Caches gut wettmachen können. Andererseits bieten integrierte Memorycontroller erhebliche Vorteile beim Speicherschutz, wie er für die geplanten Virtualisierungs- und Sicherheitstechniken vorgesehen ist. Das betonte AMDs Software-Strategin Margaret Lewis bei der Erläuterung von Pacifica, AMDs Gegenstück zu Intels Vanderpool. Nur ob man auf Desktops die Virtualisierung auch wirklich sinnvoll einsetzen kann - das wird sich erst noch herausstellen müssen. (as)