Die Scharfmacher

Das lange Warten hat ein Ende: Nach dem Frühstart der HD DVD hat auch die Blu-ray Disc den Weg zur Marktreife gefunden. Mit der Verfügbarkeit der ersten hochauflösenden Filme, Laufwerke und Rohlinge zeigen die konkurrierenden HD-Formate endlich, was sie technisch auf dem Kasten haben. Hat die DVD als Videomedium und Datenspeicher bald ausgedient?

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Wer sich in letzter Zeit einen schicken neuen Flachbildfernseher zugelegt hat, wird sich gewundert haben, wie schlecht Filme in normaler PAL-Auflösung aussehen können. Was auf den alten Röhrengeräten noch ganz ansehnlich war, sieht nun unscharf, klotzig oder nach blinder Mattscheibe aus. Dabei sollten die neuen Flachbildschirme doch alles viel brillanter, ja „schärfer als die Realität“ darstellen.

Doch dazu reicht die Bildqualität einer Video-DVD nicht aus, sie ist schlicht nicht „HD ready“ und somit das schwächste Glied in der Kette. Die Filmindustrie hat nicht eine, sondern zwei Lösungen für dieses Problem parat: Blu-ray Disc und HD DVD. Somit buhlen zwei zueinander inkompatible Formate um die Nachfolge der DVD. Sie bieten genügend Speicherplatz für hochauflösende Filme und wollen sich künftig auch als Massenspeicher für Computerdaten andienen. Während die HD DVD in den USA bereits seit zwei Monaten auf dem Markt ist, startete die Blu-ray Disc erst Ende Juni.

Die Ouvertüre zum Marktstart war jedoch von verpatzten Einsätzen und Dissonanzen geprägt. Immer wieder wurde der Verkaufsstart der Laufwerke und Medien verschoben. Die Diskussion um die neuen Formate erhitzte sich am Kopierschutzverfahren AACS (Advanced Access Content System) und dem Wunsch Hollywoods, die analoge Signalausgabe bald ganz abzuschaffen, um Mitschnitte zu verhindern.

Doch letztlich wird nun doch nicht alles so heiß gegessen, wie es gekocht wurde. Da in den USA viele Heimcineasten bereits Beamer und Plasmabildschirme mit analogen Eingängen besitzen, setzen die ersten Player für HD DVD und Blu-ray Disc den geschützten HDMI-Anschluss nicht zwingend voraus. Kniffliger wird es in der PC-Umgebung. Damit die Filme dort überhaupt abgespielt werden dürfen, mussten die Hard- und Software-Hersteller umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen einbauen. Wie die Auflagen der Filmindustrie konkret umgesetzt wurden, konnten wir bereits am ersten Komplett-PC mit Blu-ray-Brenner von Sony (siehe S. 113) testen.

Doch für welches Format soll man sich nun entscheiden? Die Blu-ray Disc bietet den größeren Speicherplatz von bis zu 50 GByte - das Fünffache einer DVD. Auf die HD DVD passen zwar nur 30 GByte, sie ist aber einfacher herzustellen und deutlich günstiger, sofern der Preistrend des ersten Players fortgesetzt wird.

Industrievertreter der Blu-ray Disc Association, einer Lobbygruppe um die Formatentwickler Sony, Panasonic, Philips, Pioneer und TDK behaupten, die Blu-ray Disc böte aufgrund ihrer höheren Speicherkapazität eine „Higher Definition“, sei also noch schärfer als scharf - quasi Tabasco für die Augen. Wir konnten dieser Behauptung erstmals auf den Grund gehen und die ersten HD-DVD-Filme mit den Blu-ray-Angeboten vergleichen (siehe S. 108). Dazu importierten wir den ersten HD-DVD-Player HD-A1 von Toshiba sowie den ersten Blu-ray-Player BD-P1000 von Samsung aus den USA. In Europa sollen die Geräte auf der diesjährigen Internationalen Funkausstellung (IFA) in Berlin vorgestellt werden und bis zum Weihnachtsgeschäft in die Läden kommen. Zusätzlich soll die Mitte November erscheinende Playstation 3 von Sony einen Blu-ray-Player enthalten, während Microsoft die HD DVD durch ein Zusatzlaufwerk für seine Xbox 360 unterstützen will.

HD DVD und Blu-ray Disc sollen nicht nur als neue Filmmedien dienen, sondern auch im Computerbereich die DVD-Rohlinge als Massenspeicher ablösen. Die ersten Rohlinge und Brenner kosten zum Marktstart allerdings noch ein Vielfaches des Festplattenspeichers. Doch wer die Einführung der ersten CD- und DVD-Brenner miterlebt hat, weiß, dass es lediglich eine Frage der Zeit ist, bis die Plastikscheiben spindelweise auf den Grabbeltischen der Elektrofachmärkte landen.

Während die HD DVD vorerst nur in Form vorbespielter Film-Discs und reiner Player in den Handel kommt, startet die Blu-ray Disc vom ersten Tag an mit Brennern und Rohlingen. Dies ist bei den optischen Datenträgern ein Novum. Bei der Compact Disc dauerte es rund zehn Jahre, bis dem CD-Player der erste Recorder folgte, bei der DVD vergingen immerhin drei Jahre zwischen DVD-ROM und DVD-R. Die zeitlich nachziehenden Aufnahmemedien hatten den Nachteil, dass technische Kompromisse erforderlich waren, um zu den ROM-Medien kompatibel zu bleiben. So eignet sich beispielsweise die DVD-RAM als Datenspeicher wesentlich besser als DVD-R und DVD+R. Weil aber die DVD-RAM von normalen DVD-Playern nicht abgespielt wird, blieb ihr nur ein Nischendasein.

Bei der Blu-ray Disc ist alles aus einem Guss. Das Dateiformat der Aufnahmemedien geht keine Kompromisse ein und bietet den gleichen technischen Komfort wie eine DVD-RAM.

Doch mit wachsender Speicherkapazität steigt natürlich auch die Gefahr, bei einem Fehler mehr Daten zu verlieren. Die ersten Blu-ray-Rohlinge speichern bis zu 22,6 GByte, rund fünf Mal so viel wie eine DVD-R. Die ersten CD- und DVD-Rohlinge hatten mit enormen Qualitätsproblemen, Kompatibilitätsschwierigkeiten und Datenverlusten zu kämpfen. Da mag es beruhigend sein, dass bisher erst zwei Brenner und fünf Rohlingsmarken auf dem Markt sind. Wir konnten die Brennqualität der ersten Brenner und Rohlinge erstmals genau vermessen und gehen im Artikel ab Seite 114 detailliert auf den Brenn- und Abspielprozess und die wichtigsten Qualitätsparameter ein.

Insbesondere Archivare werden mit den neuen Medien liebäugeln. Optische Datenträger bieten immer noch unschlagbare Vorteile: Sie sind deutlich langlebiger als Magnetbänder, die regelmäßig überspielt werden müssen und nur einen sequenziellen Zugriff auf die Daten erlauben. Bei Festplatten kann man wiederum nicht sicherstellen, dass die Daten nach dem Speichern nicht versehentlich oder böswillig gelöscht oder verändert werden. Durch die untrennbare Verbindung zwischen Datenträger und Laufwerk sind die Daten zudem bei einem Platten-Crash unweigerlich verloren. Doch auch optische Medien halten nicht ewig. Während man sie vor Kratzern und UV-Strahlen noch einigermaßen schützen kann, verringern Wärme und Luftfeuchtigkeit unvermeidlich die Lebensdauer. CD-Rs und DVD-Rs reagieren hier zum Teil empfindlich, weil die Daten auf organischen Farbstoffen gespeichert werden. Blu-ray Discs setzen dagegen anorganische Metallverbindungen ein. Ob dies die Langlebigkeit verbessert, haben wir in einer Klimakammer untersucht.

Um der DVD den Rang abzulaufen, müssen HD DVD und Blu-ray Disc also in mehreren Einsatzbereichen brillieren. Als neue Datenträger für hochauflösende Filme müssen sie einfach in der Handhabung und billig in der Herstellung sein. Für Datenträger im PC-Bereich sind zusätzlich Kapazität, Zugriffsgeschwindigkeit und vor allem die Datensicherheit entscheidend. Gut möglich, dass es hier am Ende nicht nur einen Sieger gibt, sondern dass Video-Discs und PC-Datenträger an dieser Stelle auseinander driften.

"Die Blu-ray Disc"
Weitere Artikel zum Thema "Die Blu-ray Disc" finden Sie in der c't 15/2006:
Die Nachfolger der DVD S. 106
HD DVD gegen Blu-ray Disc: Player und Filme S. 108
Blu-ray-Brenner und -Rohlinge im Test S. 114

(hag)