AMD kauft ATI

Mit dem Kauf von ATI erhält der Prozessorhersteller AMD nicht nur Grafikkarten-Know-how, sondern kann seit langem wieder komplette Lösungen vom Prozessor über den Chipsatz bis zur integrierten Grafik anbieten. Zusammen wollen AMD und ATI nun Intel auch im lukrativen Notebook-Markt Anteile abjagen.

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Von
  • Benjamin Benz
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Obwohl AMD bei den Prozessoren in den letzten Jahren gut mit Intel mithalten und teils sogar technisch bessere Produkte vorweisen konnte, blieb Intel unangefochtener Marktführer. Diese Stellung verdankt der Chipriese unter anderem seiner Plattformstrategie, komplette Lösungen aus einer Hand anzubieten. Neben dem Prozessor bekommt der Kunde auch Chipsatz - auf Wunsch mit integrierter Grafik - und sogar Mainboard aus einer Hand. Diese Bastion will AMD nun stürmen und hat sich dazu für 5,4 Milliarden US-Dollar den kanadischen Grafikchip- und Chipsatz-Spezialisten ATI einverleibt.

Gegenüber c't bestätigten Firmensprecher von ATI und AMD, das zentrale Ziel der Hochzeit sei es, eine starke Position im Markt für mobile Geräte zu erobern. Dazu zählen Notebooks, aber auch Mobiltelefone, PDAs und Gamepads. Während ATI beim Kampf um die schnellsten 3D-Chips mit Nvidia ungefähr gleichauf liegt, dominiert die kanadische Firma den Markt für Notebook-Grafikchips. Auch in den erst kürzlich vorgestellten und von Intel stark protegierten x86-Macs stecken ATI-Grafik-Chips. Darüber hinaus hat ATI aber auch Chipsätze für AMD-Prozessoren im Angebot. AMD hatte den Chipsatzbereich in letzter Zeit stark vernachlässigt und sich vornehmlich auf Nvidia verlassen. Deren nForce-Chipsätze genießen einen sehr guten Ruf und stecken in sehr vielen PCs mit AMD-Prozessoren (siehe auch S. 160). Bei den Workstation- und Server-Chipsätzen dürfte AMD erst mal weiterhin auf Nvidia angewiesen sein, weil der hauseigene AMD8000-Chipsatz hoffnungslos veraltet ist und auch ATI nichts Passendes zu bieten hat. Daher soll die gute Partnerschaft zu Nvidia aufrechterhalten werden, obwohl AMD nun Nvidias Erzrivalen ATI besitzt. Die Schlacht um die schnellsten 3D-Karten soll dennoch unverändert weitergehen.

AMD bestätigte uns, dass man an den bisherigen Roadmaps beider Einzelfirmen festhalten wolle. Das führt dann zu kleinen Paradoxa am Rande, denn man kann nun Chipsätze für Intel-CPUs (Radeon Xpress 200/3200) von AMD kaufen. Noch wesentlich mehr dürfte Intel jedoch ärgern, dass AMD nun an den Intel-Macs durchs Hintertürchen mit verdient. Ein ATI-Sprecher beeilte sich klarzustellen, dass Apple nicht daran interessiert ist, die ATI-Grafikchips aus den Macs zu verbannen.

Obwohl AMD nun das nötige Know-how zugekauft hat, um Notebooks mit einem eigenen Plattformstempel à la „Centrino“ zu versehen, will die Firma darauf verzichten. Es sei vielmehr geplant, enger mit den OEM-Herstellern zu kooperieren. Intel verfolgt eine andere Strategie: Die Centrino-Richtlinien schreiben so viele Intel-Chips detailliert vor, dass OEM-Hersteller ihre Geräte nicht ohne Weiteres voneinander differenzieren können und andererseits Zulieferer von Netzwerk- und anderen Chips aus dem Markt gedrängt werden. Die Endkunden profitieren zwar von Centrino - insbesondere durch die gute Versorgung mit Treibern und solide Chipkonstellationen -, aber diese Begeisterung dürften die OEM-Hersteller nicht teilen. Diese will AMD nun zum Umstieg in ihr neues, vergrößertes Boot holen und so den bislang verschwindend geringen Marktanteil (siehe c't 16/06, S. 106) bei den Notebooks ausbauen.

Für den Ausbau der Position im lukrativen Markt der Business-PCs dürfte noch viel wichtiger sein, dass AMD nun das bisher eher auf dem Papier propagierte „Corporate Stable Image Program“ (CSIP) und das „Validated Server Program“ (VSP) selbst mit Leben füllen kann. Kommen Prozessor, Chipsatz und Grafik aus einer Hand, lassen sich viel leichter zertifizierte Systeme bauen, als wenn hinter den Kulissen immer zwei bis drei verschiedene Firmen in unterschiedliche Richtungen zerren.

Bei den Heim-PCs hat AMD ohnehin schon einen guten Stand, und ATI bringt nicht nur Grafik-, sondern insbesondere auch weiteres Stromspar-Know-how aus dem Mobilbereich mit in die Ehe. Langfristig überlegt man bei AMD und ATI, ob sich die Aufgaben zwischen Hauptprozessor und Grafikprozessor nicht effizienter verteilen lassen. So wären laut Firmensprechern durchaus Systeme denkbar, in denen der Grafikprozessor die Aufgaben der CPU mit erledigt. Aber auch Hybridlösungen oder der umgekehrte Fall seien denkbar: So könne ein Serverchip getrost auf einen separaten Grafikkern verzichten. Mit Physikbeschleunigung käme in der Zukunft ohnehin noch ein dritter Aspekt neben CPU- und Grafikleistung hinzu.

Insgesamt dürfte die AMD-ATI-Ehe die IT-Branche deutlich verändern, auch wenn alle beteiligten Unternehmen im Moment „Business as usual“ propagieren. „Das Zusammengehen dieser beiden großen Unternehmen ermöglicht uns, unsere bisherigen Errungenschaften als Einzelunternehmen zu übertreffen und unsere Branche als Technologieführer neu zu erfinden“, zeigte sich AMD-CEO Hector Ruiz zuversichtlich. Sein neuer Partner, ATI-Chef Dave Orton, erwartet „beschleunigtes Wachstum für ATI und mehr Möglichkeiten für unsere Mitarbeiter“. Der Geschäftsführer von AMD Deutschland, Jochen Polster, sagte, AMD und ATI hätten schon immer gut zusammengearbeitet. „Wir sind mit der Übernahme schneller am Markt und können innovativer sein.“

Die Übernahme soll als eine Kombination aus Aktiengeschäft und Barzahlung über die Bühne gehen: AMD zahlt für alle ATI-Aktien 4,2 Milliarden US-Dollar in bar sowie 57 Millionen AMD-Aktien. Jede ATI-Aktie ist laut AMD in dem Deal mit 20,47 US-Dollar - und damit 24 Prozent über dem Schlusskurs vom Tag vor dem Kauf - bewertet (16,40 US-Dollar in bar, 0,2229 AMD-Aktien). ATIs Präsident und CEO Dave Orton wird in das Management-Team von AMD aufgenommen, er wird Executive Vice President und Leiter der ATI-Sparte von AMD.

Zur künftigen Personalpolitik des Unternehmens sagte Polster, in allererster Linie sei die Akquisition auf Wachstum ausgerichtet und nicht auf den Abbau von Mitarbeitern. „Natürlich wird es an einigen Stellen Überlappungen von Funktionen bei AMD und ATI geben, die einige Positionen redundant machen könnten.“ Das müsse aber im Einzelfall geprüft werden. Die Übernahme habe aber keinen Einfluss auf den AMD-Standort in Dresden, sagte Polster. AMD erhält durch den Zukauf rund 2600 neue Entwickler, aber auch eine ganze Palette von neuen Entwicklungsfeldern.

Nvidia sieht der Ehe zwischen wichtigem Partner (AMD) und Erzrivalen (ATI) gelassen entgegen: „Wir sind nun der einzige Hersteller von Grafikprozessoren und Chipsätzen, der Prozessoren sowohl von Intel als auch AMD unterstützt“, teilte das Unternehmen mit. Unterdessen gibt es erste Spekulationen über eine Übernahme von Nvidia durch Intel. Der Chipgigant selbst beteiligt sich nicht an derartigen Überlegungen und wollte die Geschäfte seines Konkurrenten grundsätzlich nicht kommentieren.

Analysten erwarten von dem Deal eine Stärkung von AMDs Position im Wettbewerb mit Marktführer Intel. Durch die Übernahme werde AMD zu „einem größeren Player mit einem vielseitigeren Portfolio,“ erklärte ein Finanzexperte gegenüber der New York Times. Bis aufs Börsenparkett hat sich das aber offenbar noch nicht rumgesprochen. Während die ATI-Aktie auf Höhenflug ging und 17 Prozent zulegen konnte, gaben AMD-Papiere um gut sechs Prozent nach.

[1] Christof Windeck, Gestählter Goliath, Neue Prozessoren sollen Intel verlorene Marktanteile zurückbringen, c't 16/06, S. 106

[2] Benjamin Benz, Außreißer, Intel Core 2 Duo kontra AMD Athlon 64 X2, c't 16/06, S.112

[3] Benjamin Benz, Nachschlag, AMD rüstet sich mit DDR2-Speicher für die nächste Runde im CPU-Wettstreit, c't 13/06, S. 114 (bbe)