Abschied vom Festnetz

Immer mehr Haushalte benötigen keinen ISDN- oder Analoganschluss mehr, um ins Internet zu gelangen, und telefonieren per VoIP oder Handy. Damit können sie sich die Grundgebühr sparen - sofern das Telefonieren genauso zuverlässig und komfortabel funktioniert wie mit dem guten alten Telefon. Ist also die Zeit reif für ein Leben ohne Festnetz und doppelten Boden?

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Lesezeit: 14 Min.
Von
  • Urs Mansmann
  • Axel Kossel
Inhaltsverzeichnis

Günstige Mobilfunktarife für die Handy-Nutzung zu Hause und Voice over IP machen den Telefonanschluss eigentlich überflüssig. Wer diesen kündigt, muss sich kurioserweise mehr Gedanken darum machen, wie er ins Internet gelangt als darum, wie er künftig telefoniert. Denn die Telefongesellschaften binden den Netzzugang an die alte Technik, die durch das Netz und VoIP obsolet wird. So müssen die meisten Breitband-Nutzer rund 16 bis 23 Euro jeden Monat für den Telefonanschluss berappen, ob sie diesen nun wollen oder nicht.

Wer sich aus diesem Zwang befreit und den Anschluss kündigt, gibt dadurch etliches auf, was ihm bislang selbstverständlich erschien, aber nicht von allen Alternativen geboten wird. Das fängt beim gewohnten Telefongerät an, das er vielleicht weiterverwenden kann, vielleicht aber auch durch ein Handy oder VoIP-Gerät (siehe c't 17/06, Seite 138) ersetzen muss. Es geht weiter mit der alten Festnetznummer, unter der man gewöhnlich auch weiterhin erreichbar sein möchte: Manche Dienste ermöglichen die Portierung, andere nicht.

Das Festnetz bietet eine hohe Sprachqualität und ist sehr zuverlässig; hier muss man bei den Alternativen eventuell Abstriche machen. In einigen Netzen wird grundsätzlich die Vorwahl mitgewählt, auch bei Ortsgesprächen. Die Nutzung von Call-by-Call-Angeboten, mit denen T-Com-Kunden Gebühren sparen können, ist bei den Alternativen nicht möglich. Und teure 0900-Nummern sind aus vielen Netzen nicht erreichbar - den einen freut es, den anderen nicht.

Das Angebot an Internet-Zugängen ohne Telefonanschluss wächst kontinuierlich: Die Fernsehkabel-Gesellschaften rüsten ihre Netze auf und bieten in immer mehr Orten Internet via TV-Kabel an. Für Gelegenheitsnutzer erschwinglich ist der Internet-Zugang via Mobilfunk und UMTS. Eine weitere Alternative ist der Provider QSC, der in Großstädten auch für Privatkunden SDSL via Telefonleitung zu erschwinglichen Preisen, aber ohne Telefonanschluss anbietet.

QSC ist eine unfreiwillige Ausnahme, da die symmetrische DSL-Technik im Unterschied zur sonst üblichen asymmetrischen Variante (ADSL) auch die Frequenzbereiche nutzt, die ISDN und analoge Telefonie benötigen. Die Kombination auf einer Leitung ist also gar nicht möglich. Bei den über 95 Prozent der privaten Breitbandzugänge hingegen, die ADSL-Technik nutzen, verzichten nur wenige Anbieter wie Tiscali oder die von QSC übernommene Broadnet auf die Zusatzeinnahmen aus der Telefongrundgebühr. Deren Angebote sind allerdings mit Preisen ab rund 40 Euro im Monat auch nicht billiger als vergleichbare DSL-Kombis mit Festnetztelefon etwa von Arcor.

Telefongesellschaften wie die Telekom, Arcor oder Hansenet fesseln DSL-Kunden hartnäckig an den Telefonanschluss. Dass keine unliebsame Konkurrenz mit günstigen Angeboten quer schießt, dafür sorgt die Telekom. Ihr gehören die Vermittlungsstellen und die Leitungen von dort zu den Hausanschlüssen. Mitbewerber, die wie Arcor einen Komplettanschluss anbieten, zahlen für die Nutzung dieser Leitungen rund elf Euro im Monat an die Telekom. Hinzu kommen noch erhebliche Kosten fürs Aufstellen und Betreiben der eigenen Technik in den Vermittlungsstellen (Kollokation). Diese Fixkosten zwingen die Mitbewerber, eine Grundgebühr zu erheben, sonst würden Wenignutzer für sie zum bedrohlichen Verlustgeschäft.

Nicht anders sieht es bei den reinen Internet-Providern aus. Reseller wie 1&1 nutzen die Infrastruktur der Telekom für ihre Angebote und haben damit gar keine Möglichkeit, den Kunden etwas anderes zu servieren als das, was der rosa Riese auf die Speisekarte setzt. Andere Mitbewerber wie Telefonica mieten nicht die gesamte Teilnehmeranschlussleitung (TAL) an, sondern nur die Frequenzbereiche, die sie für DSL brauchen (Line Sharing). Das kostet sie nur etwa ein Viertel der Miete für die gesamte Leitung. Doch die Telekom lässt Line Sharing nur zu, wenn der versorgte Kunde auch einen Telefonanschluss geschaltet hat.

Dabei existiert keinerlei technische Notwendigkeit, den DSL-Anschluss an ISDN oder einen analogen Telefonanschluss zu koppeln. Im Gegenteil: In den Vermittlungsstellen findet schon häufig eine Umsetzung der „Telefonate” in IP-Technik statt, da diese die Netze besser auslastet. Das krampfhafte Festhalten an alter Technik und an alten Strukturen ist ausschließlich wirtschaftlich motiviert. In Zeiten fallender Minutenpreise sind die Grundgebühren eine wichtige Konstante in den Bilanzen des Telekom-Konzerns.

Die Macht, dem sinnlosen und kundenfeindlichen Zwangs-Bundling aus DSL- und Telefonanschluss ein Ende zu setzen, hat die Bundesnetzagentur. Die EU drängt darauf, dass die Leitungsinhaber ihren Mitbewerbern so genannte Bitstream-Zugänge [1] zur Verfügung stellen. Die Regulierungsbehörde beziehungsweise Bundesnetzagentur arbeitet seit drei Jahren an einer marktgerechten Umsetzung dieser Forderung. Marktgerecht bedeutet aus Sicht der Telekom natürlich so hohe Mieten, dass niemand entbündelte DSL-Zugänge günstig anbieten kann.

Zur Freude der Telekom mahlen die deutschen Regulierungsmühlen langsam. So hat die Behörde gerade erst bemerkt, wie groß das Interesse an den Ende 2005 ausgeschriebenen Frequenzen für die Funktechnik Wimax ist, und die längst fällige Vergabe zugunsten einer Versteigerung aufgeschoben. Damit hält sie der Telekom auch in diese Richtung den Rücken frei.

Wimax bewährt sich in den USA bereits zur Versorgung dünn besiedelter Gebiete mit stationären Internet-Zugängen, während die Variante für mobile Nutzer, quasi als UMTS-Alternative, noch nicht marktreif ist. Wimax-Basisstationen ähneln den WLAN-Hotspots, versorgen aber ein größeres Gebiet mit höherer Bandbreite. Die Reichweite einer Wimax-Basisstation beträgt in der Praxis etwa fünf bis zehn Kilometer. In dicht besiedelten Gebieten müssen die Basisstationen aber wesentlich dichter gepackt werden. Denn mit einem 20 MHz breiten Kanal lassen sich maximal 100 MBit/s übertragen, die sich dann alle Nutzer der Basisstation teilen müssen.

Wimax könnte in den kommenden Jahren zum T-DSL-Konkurrenten werden, sofern sich nicht die Fehler wiederholen, die bei der Versteigerung der UMTS-Lizenzen gemacht wurden. Der Staat sollte auf Rekorderlöse verzichten, damit den Anbietern genug Kapital für einen zügigen Netzausbau bleibt.

Auch Kabel Deutschland gehört zu den Interessenten für Wimax-Lizenzen. Offenbar plant das Unternehmen, die Lücken in seinem TV-Kabelnetz durch Funktechnik zu überbrücken. Derzeit rüsten etliche Kabelnetzbetreiber ihre Infrastruktur auf, um breitbandige Internet-Zugänge anbieten zu können. Der Ausbau schreitet voran, und wo man einen solchen Anschluss erhält, ist er für Internet-Enthusiasten durchaus attraktiv. Statt der mindestens 35 Euro für einen analogen Telefonanschluss nebst 2-MBit/s-DSL-Zugang und Flatrate bezahlen sie beim Anschluss via TV-Kabel gerade noch 20 Euro im Monat. Für 30 Euro gibt es beispielsweise bei Kabel Deutschland bereits einen 6-MBit/s-Anschluss mit flotten 620 kBit/s im Upstream, der sich mit einem grundgebührfreien VoIP-Account nutzen lässt. Aber auch hier geht es nicht ohne Bundling: Voraussetzung ist der Fernsehkabelanschluss, der maximal 16,90 Euro im Monat kostet. In größeren Wohneinheiten ist er oft billiger und häufig bereits in den Nebenkosten enthalten.

Beim eingangs erwähnten Angebot von QSC ist die Ersparnis nicht ganz so hoch; ein Anschluss mit 1024 kBit/s im Down- und 512 kBit/s im Upstream kostet 29 Euro monatlich. Dafür ist das Angebot aber flexibel: Einmal am Tag lässt sich die Upstream- und Downstream-Geschwindigkeit neu festlegen, beispielsweise für den Upload von digitalen Fotos. Der Kunde hat die Wahl zwischen 512/1024, 768/768 und 1024/512 kBit/s. Für 39 Euro im Monat erhöht sich die verfügbare Bandbreite auf wahlweise 2048/512, 1536/1024 oder 512/2048 kBit/s im Down- und Upstream.

Eine weitere Möglichkeit, ohne Festnetzanschluss online zu gehen, sind die UMTS-Netze. Sie taugen allerdings nicht für Poweruser. Die Geschwindigkeit von 384 kBit/s in Sende- und 64 KBit/s in Empfangsrichtung ist verglichen mit DSL langsam. T-Mobile und Vodafone beschleunigen ihr Netz mit HSDPA (High Speed Downlink Packet Access) auf 1,8 MBit/s. Diese Technik ist ausbaufähig und soll bis auf 14,4 MBit/s kommen. Dass sich das Surfen über Mobilfunk immer etwas zäher anfühlt als über Festnetz, liegt an langen und schwankenden Laufzeiten. Echtzeitanwendungen wie Online-Spiele oder Internet-Telefonie sind damit nicht möglich.

UMTS-Router vereinfachen die stationäre Nutzung der Mobilfunkzugänge [2]. Sie werden einfach ins LAN gehängt und bauen bei Bedarf die Verbindung auf. Eine Daten-Flatrate gibt es nur bei E-Plus und Base für 50 Euro im Monat. Die anderen Provider schnüren dicke Volumenpakete mit 2 bis 5 GByte, die zwischen 30 und 70 Euro im Monat kosten. Bei diesen Tarifen ist Vorsicht geboten, denn wer mehr nutzt als gebucht, wird heftig zur Kasse gebeten. Die Datentarife O2 Surf@home und Vodafone Zuhause Web gelten nicht für die mobile Nutzung, alle anderen schon.

Die Breitbandzugänge zum Internet, die ohne Telefonanschluss auskommen, sind in der Tabelle in c't 17/06 auf Seite 136 zusammengefasst. Dabei steht Kabel Deutschland stellvertretend für andere Kabelnetzbetreiber wie iesy, ish und Kabel BW. Weggelassen haben wir exotische Lösungen wie Powerline und Satellit. Bei Powerline wird ein hochfrequenter Datenkanal auf die Stromleitung moduliert, um die Strecke zwischen Trafostation und Hausanschluss zu überwinden. Die Technik wird nur regional begrenzt in wenigen Städten angeboten, zu Preisen, die deutlich über DSL-Niveau liegen. Die meisten Satelliten-Lösungen nutzen ISDN als Rückkanal, funktionieren also nicht ohne Festnetzanschluss. Eine Sendeanlage, die auch den Upstream über den Satelliten abwickelt, ist für Privatkunden nicht erschwinglich und würde mit Latenzzeiten bis zu 2500 ms kein VoIP ermöglichen.

Nach der Trennung vom Festnetzanschluss und vor der Bindung an einen VoIP-Anbieter sollte man prüfen, ob nicht das Handy das bessere Telefon ist. Interessant sind die Home-Anschlüsse, bei denen man zu Hause preiswerter telefoniert als unterwegs - am besten mit einer Flatrate. Wichtig ist dabei, dass Anrufer einen in der Wohnung zu Festnetzgebühren erreichen, statt eine teure Verbindung ins Mobilnetz zu bezahlen.

Bereits lange am Markt ist O2 mit der Genion-Homezone für rund zehn Euro im Monat: Zu Hause ist der Kunde auf seinem Handy unter einer Festnetznummer erreichbar. Für den Fall, dass er unterwegs ist, kann er sich daheim eingehende Gespräche kostenpflichtig aufs Handy weiterleiten lassen oder eine Mailbox aktivieren. Da die Umschaltung netzseitig erfolgt, benötigt der Kunde nur ein Gerät, um überall erreichbar zu sein. Für Paare gibt es den Tarif Genion Duo, der zwei SIM-Karten enthält, dafür zahlt der Kunde aber auch annähernd den doppelten Preis. Eine Festnetz-Flatrate für Telefonate von zu Hause zum Pauschalpreis kostet pro Handy weitere zehn Euro monatlich. Zusätzlich bietet auch O2 einen Internet-Tarif mit 2 GByte Inklusivvolumen für rund 32 Euro monatlich an. Einen UMTS-Router gibt es dazu; die Nutzung ist auf die Homezone beschränkt.

Beim Angebot „Vodafone Zuhause“ erhält man optional eine zweite SIM-Karte, für die eine Festnetznummer geschaltet ist. Sie wird in eine kleine GSM-Box eingesetzt, an der sich das bisherige Festnetz-Telefon anschließen lässt. Der Kunde kann aber auch für rund 50 Euro ein spezielles GSM-Tischtelefon erwerben oder einfach ein zweites Handy. Allerdings kostet der Anschluss inklusive Telefonie-Flatrate stolze 40 Euro im Monat und damit deutlich mehr als vergleichbare Festnetzangebote. Wer bereits einen Mobilfunkvertrag bei Vodafone hat (ab 10 Euro Grundgebühr im Monat), zahlt für die Zuhause-Option nur 20 Euro Aufpreis. Die Flatrate gilt nur für Gespräche von zu Hause, bei mobiler Nutzung fallen die üblichen Gesprächsgebühren an. Sie deckt Anrufe ins deutsche Festnetz und das Mobilfunknetz von Vodafone ab.

Internet-Zugang und Telefonie lassen sich beim „Talk&Web“-Angebot kombinieren, das aber monatlich immerhin mit rund 60 Euro zu Buche schlägt. Die zugehörige Box erlaubt zwar den Anschluss von vorhandenen Analogtelefonen, beherrscht aber bei UMTS-Datenübertragung kein schnelles HSDPA. Die per USB anzubindende Easy-Box bietet hingegen HSDPA, aber dafür keine Anschlussmöglichkeit für Telefone.

T-Mobile arbeitet nach einem ähnlichen Prinzip wie O2: Die Festnetznummer und optional die Flatrate gibt es nur als Add-on zu einem bestehenden Mobilfunkvertrag, standardmäßig telefoniert der Kunde also mit seinem Handy. Eine Portierung bestehender Festnetznummern bietet T-Mobile zwar an, bewirbt sie aber nicht. Auf der Homepage findet sich lediglich ein Link auf ein PDF-Dokument mit allen notwendigen Informationen. Offenbar will man der Konzernschwester T-Com nicht allzu aggressiv die Kunden abspenstig machen.

Eine Telefonie-Flatrate, die Anrufe ins deutsche Festnetz und in das E-Plus-Netz abdeckt, bietet die E-Plus-Tochter Base an. Für 25 Euro im Monat kann man damit ohne Bindung an die eigene Wohnung unbeschränkt netzintern und in die deutschen Festnetze telefonieren. Das Angebot hat allerdings den Haken, dass man nur eine Mobilfunknummer erhält, was für Anrufer ein teurer Spaß ist. Das lässt sich nur mit einem Rückruf umgehen, was aber auf die Dauer sehr mühsam ist, insbesondere für Vieltelefonierer.

Die Home-Anschlüsse lohnen sich für Singles, die bereits ein Handy haben. Gegenüber dem Festnetzanschluss ergibt sich nur eine geringe Ersparnis, außer man nutzt intensiv die Möglichkeit für kostenlose netzinterne Gespräche ins Mobilfunknetz, die aus den Festnetzen recht teuer sind. Für Familien geht es ins Geld, wenn man für jedes Mitglied einen Vertrag mit zusätzlicher Home-Option abschließt oder ein Gemeinschafts-Handy für zu Hause anschaffen muss. Außerdem gilt generell, dass die Sprachqualität in den Mobilfunknetzen spürbar niedriger ist als im Festnetz.

Wir haben die Angebote, die sich als Festnetzersatz eignen, in der Tabelle (c't 17/06, S. 136) zusammengefasst. Dort sind noch weitere wichtige Details aufgeführt, etwa ob der Mobilfunk-Provider die Portierung einer bestehenden Festnetznummer erlaubt.

[1] www.bundesnetzagentur.de/enid/9o.html

[2] Dusan Zivadinovic, Gruppenfunk, Mobilfunk-Router für UMTS, c't 15/06, S. 162

"Billig surfen & telefonieren"
Weitere Artikel zum Thema finden Sie in c't 17/2006:
Geld sparen mit Voice over IP S. 130
Die Hardware für ein Leben ohne Festnetzanschluss S. 138

(uma)