Blaue Pokerrunde

Weil Sony die Markteinführung der Playstation 3 auf März 2007 verschoben hat, verliert die Blu-ray Disc in Europa ihr Zugpferd fürs Weihnachtsgeschäft. Im Lager der HD DVD sieht man derweil frohlockende Gesichter: Toshibas günstigster HD-DVD-Player wird hierzulande weniger als die Hälfte der ersten Blu-ray-Player kosten.

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Sie war der Star der Pressekonferenz der Blu-ray Disc Association auf der IFA: Sonys Playstation 3 sollte der Blu-ray Disc im Kampf um die DVD-Nachfolge zu einem Start-Ziel-Sieg gegenüber der HD DVD verhelfen. Noch am 31. August schworen die Sony-Manager Stein und Bein, dass die PS3 auf jeden Fall am 17. November auch in Europa starten würde - obwohl Experten bereits seit langem wussten, wie prekär es um die Produktion der blauen Laserdioden steht. Nur sechs Tage später der Rückzug: Aufgrund von Produktionsschwierigkeiten der genannten Dioden, die momentan von Sony und Nichia gefertigt werden, verschiebt sich der Start der Playstation 3 in Europa auf März 2007. Japan startet zwar am 11. November, bekommt voraussichtlich aber nur 100 000 Geräte. Das Gros von 400 000 Konsolen geht sechs Tage später in den USA an den Start, um der dort aufstrebenden HD DVD das Wasser abzugraben.

Mit Sonys Rückzug verlieren die Blu-ray-Filme ihren mit Abstand günstigsten Player im europäischen Weihnachtsgeschäft. Die HDMI-Version der PS3 sollte 599 Euro kosten. Das ist teuer für eine Spielkonsole, jedoch ein Schnäppchen für einen Blu-ray-Player, das nur durch eine Mischkalkulation - die Hardware wird mit Spielverkäufen subventioniert - möglich wird.

Nun hat es Blu-ray Disc hierzulande sehr schwer, im Weihnachtsgeschäft zu punkten. Lediglich zwei Player und ein Media Center PC sind für dieses Jahr geplant. Das günstigste Angebot bereitet noch Samsung, dessen BD-P1000 zu einem Straßenpreis von 1300 Euro ab Ende Oktober zu haben ist. Der BD-P1000 ist bisher der einzige in den USA erhältliche Player und musste sich dort harsche Kritik gefallen lassen. Doch für das Europa-Modell verspricht Samsung Besserung: So soll die Rauschunterdrückung, die das Bild in der US-Version sehr weichspülte, abschaltbar sein. Die Java-Engine wurde gegen eine schnellere Version von ARM auf Basis des „Jazelle Java Technology Enabling Kit“ (JTEK) ausgetauscht, sodass der Player schneller auf Eingaben reagieren und keine Sanduhr mehr anzeigen soll.

Einen sehr guten Bildeindruck machte auf der IFA bereits Panasonics DMP-BD10, der ebenfalls noch im Oktober auf den Markt kommen soll und 1500 Euro kostet. Panasonic will mit einem aufwendigen Videowandler die Bildqualität verbessern. Der Ton kann nicht nur digital, sondern auch analog in 7.1-Kanälen ausgegeben werden. Wie auch der Samsung-Player verzichtet er allerdings auf eine Ethernet-Schnittstelle und unterstützt HDMI lediglich in der Version 1.2a, die kein Dolby Digital Plus oder TrueHD übertragen kann. Diese Tonspuren werden deshalb in PCM gewandelt.

Philips will in diesem Jahr lediglich den Media Center PC MCP9480i mit eingebautem Blu-ray-Brenner für 2500 Euro auf den Markt bringen. Der Blu-ray-Player BDP9000 wird genauso auf 2007 verschoben wie Pioneers BDP-HD1. Dessen US-Version erscheint zwar schon im November für 1500 US-Dollar in den USA, in Deutschland will man das Gerät aber mit HDMI 1.3 und Abspielmöglichkeiten für CDs (inklusive SACD und DVD-Audio) ausliefern, die dem US-Modell fehlen.

Noch im September/Oktober sollen mehrere PC-Laufwerke herauskommen, die zwischen 800 und 1000 Euro kosten. Neben LGs GBW-H10N (siehe Seite 26) wollen Philips (SPD7000) und LiteOn (LH-2B1S) ihre baugleichen Modelle ab September/Oktober für 800 Euro verkaufen. Plextor verlangt für den PX-B900A gar 1000 Euro. Im Januar folgt Pioneer bereits mit der zweiten Laufwerksgeneration BDR-102, die wie die Modelle von LG, Philips und LiteOn CDs, DVDs und BDs mit nur einer Linse liest und schreibt und nach bisherigen Planungen 600 bis 650 Euro kosten soll. Für die dritte Laufwerksgeneration (BDR-103 im Oktober 2007) plant Pioneer bereits ein Kombilaufwerk, das zusätzlich HD DVDs lesen kann. Letztlich sei es aber eine politische Entscheidung der Konzernführung, ob das Laufwerk tatsächlich das Konkurrenzformat unterstützen wird, hieß es bei Pioneer.

Wem die Preisvorstellungen des Blu-ray-Lagers zu hoch erscheinen, trifft bei der HD DVD auf günstigere Angebote. Toshibas HD-E1 kommt im November für 600 Euro auf den Markt. Der HD-DVD-Player nutzt bereits Hardware der zweiten Generation und besteht nicht mehr aus PC-Komponenten wie der HD-A1 in den USA [1]. Dies soll vor allem den Einschaltzeiten zugute kommen. Bei den Anschlüssen war Toshiba jedoch etwas knauserig: Zwar findet man an der Rückseite eine Ethernet-Buchse, analoge Anschlüsse für 5.1-Ton fehlen jedoch und HDMI gibt es nur in der Version 1.2a. Außerdem kann der HD-E1 maximal nur Filme in 1080i (1920 x 1080 Bildpunkte, interlaced) ausgeben. Wer ein Display für 1080p (progressive) besitzt und HDMI 1.3 nutzen will, muss einen Monat warten und im Dezember 900 Euro für den HD-XE1 anlegen.

PC-Laufwerke für die HD DVD werden vorerst nicht einzeln verkauft. Lediglich Toshiba hat derzeit Notebooks mit HD-DVD-Laufwerken im Programm, Fujitsu Siemens sein erstes Laptop für November angekündigt. Für die Einführung der ersten Brenner gibt es noch keinen genauen Zeitplan. Irgendwann 2007 könnte es vielleicht so weit sein, hieß es bei Toshiba.

Größter Bremsklotz scheint derzeit die Abspielsoftware für die Filme auf Blu-ray Disc und HD DVD zu sein. Firmen wie Cyberlink, Nero und Intervideo haben zwar bereits lauffähige Versionen, diese sollen zunächst jedoch nur als OEM-Software mit der Hardware verkauft werden. Momentan klemmt es noch an allen Enden: Die Menüführung per BD-J und iHD, die Echtzeitdekodierung und nicht zuletzt das AACS-Kopierschutzsystem bedürfen noch einiger Optimierungen. Erste Retail-Pakete sollen bis zum Jahresende erscheinen.

Immerhin können Medienhersteller wie Verbatim bereits erste HD-DVD-Rohlinge liefern. Allerdings ist die Blu-ray Disc in diesem Bereich wesentlich weiter und droht die HD DVD vorzeitig abzuhängen. Seit Ende August liefert TDK bereits zweilagige Blu-ray-Rohlinge mit 50 GByte aus und Verbatim peilt bereits die Markteinführung von Rohlingen mit 100 GByte für Ende 2008 an.

Doch nicht nur Hardware und Technik sind für den Erfolg der neuen Formate entscheidend, was letztlich zählt, sind die Filme. Mit Spannung erwartete man daher die Ankündigungen der Filmstudios für die europäischen Premieren der HD-Disc-Formate. Wie die Tabelle auf Seite 42 zeigt, hat die HD DVD rein zahlenmäßig bis zum Jahresende die Nase vorn.

Mit hochkarätigen Blockbustern ist die Filmindustrie jedoch ziemlich knauserig, lediglich 20th Century Fox Home Entertainment veröffentlicht Mitte November mit „Ice Age 2“ den dritterfolgreichsten Film des Jahres auf Blu-ray Disc. Ridley Scott weitete sein Religions-Epos „Königreich der Himmel“ zu einem 3:42 Sunden langen Director’s Cut aus, der erstmals auf einer zweilagigen Blu-ray-Disc mit 50 GByte Speicherplatz erscheinen soll. Disney, ein weiterer Unterstützer der Blu-ray Disc, hält sich dezent zurück: Man wolle nicht vorschnell seine Kronjuwelen verheizen, solange die Verbreitung der Player noch in den Kinderschuhen stecke, hieß es.

Die HD DVD wird derweil mit Filmen von Studio Canal und Kinowelt versorgt. Doch wer sich Leckerbissen des europäischen Autorenfilms erhofft, wird vor-erst enttäuscht: Mit Ausnahme des hochgelobten französischen Schwarz-Weiß-Dramas „La Haine“ (deutscher Titel „Hass“) und Roman Polanskis „Der Pianist“ findet man viel Durchschnittsware aus Hollywood, darunter „Basic Instinct“, „Total Recall“, eine King-Kong-Verfilmung von 1976 und alle drei Teile von „Rambo“.

Im Übrigen bekommen europäische HD-Fans hauptsächlich Filme, die bereits in den USA erschienen sind. Warner will auch sogenannte „Flipper“ mit einer HD-DVD- und einer DVD-Seite veröffentlichen, da diese bei den US-Kunden gut angekommen seien. Flipper haben allerdings den Nachteil, dass die HD-DVD-Schicht zu wenig Platz für Extras bietet, weshalb diese in Standardauflösung auf die DVD-Seite wandern.

In den USA wurden bisher alle Blu-ray-Filme in MPEG-2 kodiert. Die Bildqualität war deutlich schlechter als bei den in VC-1 kodierten HD DVDs. Die Filmstudios konnten bisher für die Blu-ray Disc kein VC-1 nutzen, weil die Kodiersoftware dazu nicht kompatibel war. Deshalb will Warner bei den ersten vier europäischen Blu-ray-Titeln zunächst noch MPEG-2 verwenden und erst später auf VC-1 umsteigen.

Die Situation wird sich nur langsam bessern. Branchenkennern zufolge haben die Entwickler der Encoder für MPEG-4 AVC große Fortschritte gemacht, sodass man bald auch Filme in diesem Format sehen werde. Mit AVC sei sogar eine noch bessere Ausnutzung der Bitrate möglich als mit VC-1. Allerdings würde der Codec die Rechenleistung der Player bis an die Grenze auslasten.

Ob Blu-ray-Filme mit dem neuen Codec tatsächlich besser aussehen, wird man bei den ersten Fox-Veröffentlichungen im November sehen. Dann sollen etwa „ Im Fadenkreuz“, „Speed“ und „Die Liga der außergewöhnlichen Gentleman“ in MPEG-4 AVC erscheinen. Diese Filme sollen auch die interaktiven Fähigkeiten von BD-J ausnutzen [2]. Bisher brachten Blu-ray-Filme nur etwas angehübschte DVD-Menüs im HDMV-Format (High Definition Movie) mit. Bei der „Liga der außergewöhnlichen Gentleman“ soll sogar ein Java-Shooter vor dem Hintergrund des Original-Filmmaterials ablaufen, der direkt auf dem Player gespielt werden kann. Statistik-Fans sollen Filmszenen anhand von über 50 Kategorien durchstöbern können.

Auch beim Ton soll sich einiges ändern. So wollen Fox und Studio Canal bei ihren ersten Filmen DTS-Tonformate einsetzen, bis zum verlustfrei komprimierten „DTS-HD Master Audio“. Während deren Kern auf allen Playern per SPDIF mit einer Datenrate von 1,5 MBit/s ausgege-ben werden kann, benötigt man für den vollen DTS-HD-Genuss einen Player, der dieses bei Blu-ray lediglich optional unterstützte Format dekodiert oder einen HDMI-1.3-Anschluss besitzt, um das Signal zu einemA/V-Receiver mit passendem Eingang digital zu übertragen.

Europäische HD DVDs und Blu-ray Discs speichern Videos wie in den USA mit einer Vollbild-auflösung von 1920 x 1080 Pixel (1080p). Die Bildwiederholfrequenz liegt auch hierzulande bei 23,976 Bildern pro Sekunde, die per 3:2-Pulldown auf 59,94 Halbbilder pro Sekunde hochgerechnet werden. Je nachdem, wie fehlerfrei die Studios bei der Filmkodierung gearbeitet haben und wie gut die Player das Pulldown berechnen, kann es Bildruckler geben, die besonders bei horizontalen Kameraschwenks stören.

Ideal wäre eine direkte Ausgabe von 24 Vollbildern pro Sekunde (24p), so wie die Filme auch im Kino laufen. Die HD-DVD-Spezifikation sieht eine solche Ausgabe aber nicht vor. Bei der Blu-ray Disc wäre es zwar theoretisch möglich, der Samsung-Player BD-P1000 hat jedoch noch technische Probleme mit diesem Format. Die direkte 24p-Ausgabe ist nicht zuletzt deshalb schwierig, weil es derzeit kaum Displays gibt, die Videobilder mit dieser Frequenz entgegennehmen und dann mit 72 Hz darstellen. Immerhin verspricht Pioneer, dass sein Player BDP-HD1 ein über HDMI verbundenes geeignetes Display aus gleichem Hause automatisch erkennt und mit einem 24p-Signal versorgt.

25 Vollbilder pro Sekunde (25p) sind leider weder bei der HD DVD noch bei der Blu-ray Disc möglich - sehr zum Ärger europäischer Studios, die 25p schon lange als Produktionsstandard bei elektronischen Kameras nutzen. Nun könnte man die Filme in Anlehnung an den PAL-Standard mit einer Frequenz von 50 Bildern pro Sekunde (50i) ausgeben - zumal auch das hochaufgelöste Fernsehen (HDTV) in Europa mit 50 Hz arbeitet. Die ersten Player von Toshiba werden aber vorerst keine 24p- oder 50i-Ausgabe unterstützen.

Immerhin behindert bei der HD DVD kein Regionalcode den Import von Filmen, sodass US-Videos problemlos auch auf europäischen Geräten abgespielt werden können. Anders sieht es bei der Blu-ray-Playern aus, die den Regionalcode der Filme abfragen.

Nach der Verschiebung der Playstation 3 darf man also gespannt sein, ob der Start der Blu-ray Disc mit den beiden hochpreisigen Playern von Samsung und Panasonic gelingt. Die HD DVD hat auf dem Papier zu Weihnachten die besseren Karten. Um aus Sonys Fehlkalkulation jedoch auch einen praktischen Nutzen zu ziehen, muss die HD DVD in Europa mit mehr Filmen und Abspielgeräten auf den Markt kommen. Bei den absoluten Verkaufszahlen werden beide Formate in diesem Jahr allenfalls homöopathische Größenordnungen erreichen.

[1] Hartmut Gieselmann, Nico Jurran, HD-Vorkämpfer, Filme von HD DVD abspielen, c't 12/06, S. 148

[2] Nico Jurran, Spielwiese High-Definition-Disc, Features und Extras der DVD-Video-Nachfolgeformate, c't 23/05, S. 194 (hag)