Linkfreiheit gefährdet? EU-Kommission strickt an der Urheberrechtsreform

Im Internet ist der Entwurf für eine Mitteilung der EU-Kommission aufgetaucht, in dem diese ihre Pläne zur Copyright-Reform umreißen will. Kritiker laufen Sturm dagegen wegen einer Passage zum Leistungsschutzrecht.

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Linkfreiheit gefährdet? EU-Kommission strickt an der Urheberrechtsreform
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Einem jetzt publik gewordenen Entwurf der EU-Kommission nach wird die Urheberrechts-Reform nicht so umfassend ausfallen, wie sie Vertreter der EU-Kommission seit Langem in den Blick genommen haben. Trotzdem gehen Kritiker bereits auf die Barrikaden gegen das Vorhaben, das offiziell erst Anfang Dezember veröffentlicht werden soll. Grund sind Äußerungen zum heftig umstrittenen Leistungsschutzrecht für Presseverleger im Internet und der davon möglicherweise bedrohten Linkfreiheit.

In dem Papier, das die IPKat-Blogger veröffentlicht haben, heißt es, dass insbesondere für Nachrichten-Aggregatoren in "gewissen Mitgliedsstaaten" Auflagen zum Lizenzieren von Inhalten etwa aus Tageszeitungen in Kraft getreten seien. Diese Ansätze in Deutschland und Spanien beschreibt die Kommission als mögliche "Lösungen" für das Problem, dass auf Basis der bestehenden europäischen Urheberrechtsregeln der Wert einiger der neuen Formen des Inhaltevertriebs im Netz nicht immer "fair verteilt" werden könne.

Kritisch sieht die EU-Institution die deutschen und spanischen Vorgaben so nicht an sich, sondern die damit verknüpfte Gefahr "einer stärkeren Fragmentation des digitalen Binnenmarkts". Eine solche ließe sich eventuell durch einen einheitlichen europäischen Ansatz für ein Leistungsschutzrecht am besten vermeiden, drängt sich als derzeit noch unausgesprochene Schlussfolgerung auf.

Günther Oettinger (CDU) hat sich als Kommissar für digitale Wirtschaft und Gesellschaft bereits wiederholt in diesem Sinne für eine Art "Google-Steuer" stark gemacht. Auch Andrus Ansip, Vizepräsident der EU-Kommission, der eigentlich nicht als Befürworter eines solchen Vorstoßes gilt, wollte eine europäische gesetzgeberische Initiative jüngst ebenfalls nicht mehr ganz ausschließen.

Nun verdichten sich die Zeichen, dass die Kommission im Frühjahr 2016 in diesem Bereich handeln will. Sorgen bereitet Gegnern vor allem der Zusammenhang, in dem in dem Mitteilungsentwurf von neuen Lizenzpflichten für Nachrichten-Aggregatoren die Rede ist. Dabei geht es vor allem um die bestehenden Vorgaben zur "Wiedergabe" und zum Veröffentlichen von Inhalten in der bestehenden Urheberrechtsrichtlinie.

Dazu hatte der Europäische Gerichtshof zwar voriges Jahr geurteilt, dass nicht gegen das Copyright verstößt, wer auf einen frei zugänglichen Zeitungsartikel im Netz verlinkt. Einige Fragen zur Linkfreiheit ließen die Luxemburger Richter aber offen.

Julia Reda, Piratin im EU-Parlament, befürchtet daher, dass die Kommission mit ihren Andeutungen einen "Frontalangriff auf den Hyperlink" und damit auf einen der Grundbausteine des Internets vorbereitet. Die mit dem Verweisen begründete elementare Netzfreiheit solle geopfert werden, um Verlagshäusern zusätzliche Einnahmequellen im Online-Sektor durch die in den Blick genommenen Lizenzpflichten zu sichern, meint die zum Protest aufrufende deutsche Politikerin. Dabei handle es sich um die bislang "gefährlichste Wiederkehr des Zombies" Leistungsschutzrecht.

Ebenfalls im kommenden Frühjahr will die Kommission dem Papier nach einen Vorschlag machen, um die Portabilität legal erworbener Inhalte zu vergrößern und Geoblocking einzuschränken, ohne dabei jedoch generell an der weitgehend nationalen Reichweite des Urheberrechts zu rütteln.

Nutzerfreiheiten sollen in einzelnen Bereichen auch gestärkt werden, etwa durch die Umsetzung des Vertrags von Marrakesch der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) über Ausnahmen für sehbehinderte Menschen. Ausnahmen vom exklusiven Verwertungsrechte zeichnen sich auch zum Text- und Daten-Mining, zugunsten der Panorama-Freiheit sowie für den Bildungsbereich ab.

Prüfen will die Kommission noch, ob Urheberrechtsvergütungen etwa für das private Kopieren bereits ausreichend harmonisiert sind. Bei der Copyright-Durchsetzung setzt sie weiter auf den "Follow the Money"-Ansatz, wonach illegalen Online-Angeboten der Geldhahn abgedreht werden soll. Demnach könnte etwa Werbung auf Webseiten mit überwiegend rechtswidrigen Offerten nicht geschaltet werden.

Einen gemeinsamen europäischen Copyright-Titel analog etwa zu dem geplanten "Einheitspatent" auf Basis einer "Vollharmonisierung" durch eine Verordnung wird in dem Papier allenfalls als langfristige Option skizziert. Es sei zu bedenken, dass damit sehr viel im nationalen Recht geändert und etwa ein einschlägiger EU-Gerichtshof aufgebaut werden müsste. (axk)