Festplatte ade

Ach, wäre das schön: Alle Nachteile von Festplatten ließen sich umgehen, wenn Betriebssystem, Anwendungen und Daten statt auf rotierenden Magnetscheiben in robusten, sparsamen, leisen und schnellen Flash-Speicherchips lagerten. Nachdem teure Solid State Disks schon seit geraumer Zeit in Spezialrechnern stecken, kommen auch in Heimrechnern immer häufiger Flash-Speichermedien zum Einsatz.

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Lesezeit: 12 Min.
Von
  • Benjamin Benz
  • Boi Feddern
Inhaltsverzeichnis

Die Flash-Speichertechnik macht gewaltige Fortschritte, schon heute speichern einzelne Chips bis zu 2 GByte an Daten. Dank niedriger Leistungsaufnahme lassen sich daraus Chip-Stapel bauen, die ein Mehrfaches dieser Kapazität aufnehmen und zehn Jahre lang ohne Stromzufuhr konservieren. Solche Halbleiterspeicher gehören mittlerweile fest in unseren Alltag: Winzige microSD-Kärtchen für Handys fassen 4 GByte Fotos, Musik und Klingeltöne. Videos, Briefe, Tabellen und Handbücher baumeln gespeichert auf bis zu 16 GByte großen USB-Sticks am Schlüsselbund.

MP3-Player nehmen dank der robusten Flash-Technik auch bei der rasanten Fahrt über Buckelpisten keinen Schaden. Digitalkameras bannen die Familienfeier direkt auf den elektronischen Speicher, zu Hause schluckt der Drucker dann das Kärtchen und spuckt im Gegenzug sofort das Konterfei der Oma aus. Etwas weniger offensichtlich, aber genauso unersetzlich ist Flash-Speicher für Handys, PDAs, portable Spielkonsolen sowie viele andere Elektronikgeräte. Dort liegt beispielsweise die Firmware auf Flash-Speicher und lässt sich beliebig oft aktualisieren. Die alte Weisheit, Flash-Speicher würde nur wenige Schreibzyklen überleben, ist dank ausgeklügelter Controller und Dateisysteme überholt (siehe auch Kasten Lebenserwartung in c't 21/07 S. 104).

Flash-Speicher könnte in Zukunft einen Traum von Hard- und Software-Entwicklern, aber auch von Endanwendern erfüllen: Der PC müht sich nach dem Einschalten nicht mehr minutenlang ab, um Daten vom Massen- in den Arbeitsspeicher zu schaufeln, sondern ist sofort einsatzbereit. Schaltet man ihn auch noch so rabiat wieder aus, alle Daten liegen in Sicherheit. Selbst der Mauszeiger steht beim nächsten Start noch an der letzten Position. Massenspeicher aus Flash-Zellen - sogenannte Solid State Disks - mit einem Viertel Terabyte im Gehäuse einer 2,5"-Festplatte sind technisch kein Problem und vergeuden keine Zeit mit dem langwierigen Positionieren von Schreib-/Leseköpfen. Leider sind solche SSDs heute noch im Vergleich zu normalen Festplatten extrem teuer.

Bis sich das geändert hat, will Flash-Speicher antreten, um immerhin einige Performance-Lücken von Festplatten zu stopfen. Für Windows Vista hat Microsoft gleich verschiedene Verfahren ersonnen, die Flash-Speicher quasi als Nachbrenner für Festplatten nutzen. Die Chips dienen in Form von USB-Sticks oder Speicherkarten als ReadyBoost-Cache. Stecken sie fest in einer sogenannten Hybrid-Festplatte (H-HDD), nennt Microsoft das ReadyDrive. In Notebooks können diese Mechanismen - mit Schützenhilfe von Intel - auch Turbo-Memory-Karten im MiniCard-Format nutzen.

Anschließend an diesen Überblick untersucht der nachfolgende Artikel, was ReadyDrive und ReadyBoost unter Vista leisten, warum das ähnlich klingende ReadyBoot nicht unbedingt etwas mit Flash-Speicher zu tun hat und wo SuperFetch mitspielt. Ab Seite 114 in c't 21/07 zeigen wir, wie Notebooks von Flash profitieren und was heutige SSDs bringen.

Den Flash-Siegeszug bei den PCs haben die USB-Sticks eingeläutet. Zuerst haben sie nur Disketten und ZIP-Laufwerke abgelöst, mittlerweile betreten sie aber auch eine Domäne, die sich jahrzehntelang im Wesentlichen zwei völlig andere Speicherverfahren friedlich teilten: Im relativ knapp bemessenen, weil teuren Arbeits- oder Hauptspeicher legt der Prozessor Daten ab, die er oft und schnell braucht. Die billigen, aber langsamen Festplatten speichern hingegen alle Daten, die auch einen Neustart oder Stromausfall überdauern müssen. Optische Medien wie CD-R/W lassen sich nur mühsam beschreiben und spielen daher in einer anderen Liga. Über Disketten spricht glücklicherweise niemand mehr.

Ein Blick auf Funktionsweise und Eigenschaften der bisher vorherrschenden Speichersysteme Festplatte und RAM erklärt, warum der Traum vom schnellen und gleichzeitig dauerhaften Speicher bislang nicht realisierbar war: Bei Festplatten stecken die Bits in der Ausrichtung winziger magnetischer Teilchen. Diese sitzen dicht gedrängt auf rotierenden Scheiben und fliegen unter beweglichen Köpfen mit Elektromagneten zum Lesen und Schreiben vorbei.

Dank der magnetischen Speicherung bleiben die Daten auch ohne Betriebsspannung über einen langen Zeitraum erhalten. Allerdings verträgt die empfindliche Mechanik einer Festplatte Stöße und Erschütterungen nicht besonders gut. Die hohe Drehzahl (5400 bis 15 000 U/min), mit der moderne Festplatten arbeiten, sorgt für Vibrationen und ein nicht unerhebliches Laufgeräusch.

Die Dauertransferrate dieser Konstruktion hängt primär von der Datendichte und der Rotationsgeschwindigkeit der Scheiben ab. Bei einer 3,5"-Festplatte passieren pro Umdrehung 29 cm magnetisches Material den Schreib-/Lesekopf, wenn er sich am äußeren Rand befindet. Innen sind es nur noch 11 cm. Datendichte und Drehzahl sind bei Festplatten konstant. Folglich sinkt die Transferrate immer mehr ab, je weiter der Schreib-/Lesekopf sich in Richtung Rotationsachse bewegt. Moderne SATA-Laufwerke für Desktop-PCs erreichen auf ihren äußersten Spuren Transferraten von bis zu 90 MByte/s, im Inneren immerhin noch knapp die Hälfte.

Die Zugriffszeit begrenzen zwei Faktoren: Einerseits braucht der Kopf eine gewisse Zeit, um die jeweilige Position anzufahren, und andererseits muss die Scheibe sich dann noch so weit drehen, bis die Daten am Kopf vorbeifliegen. So vergehen - bei aktuellen 3,5"-Platten - im Schnitt zwischen Anfrage und Auslieferung der Daten 10 bis 15 ms.

Ganz anders sieht es bei Random Access Memory (RAM) aus. Wie der Name andeutet, spielt die Adresse, an der Zugriffe erfolgen, (fast) keine Rolle. Die Latenz- oder auch Zugriffszeit auf Daten im RAM liegt typischerweise im Bereich einiger Dutzend Nanosekunden. Die Transferrate der mit 64 parallelen Leitungen angebundenen Speicherriegel liegt in der Praxis (PC2-6400) schon mit nur einem Kanal bei 6,4 GByte/s.

Eine einzelne DRAM-Zelle besteht lediglich aus einem Transistor und einem Kondensator [1]. Die Ladung im Kondensator repräsentiert die Information, genauer ein einzelnes Bit. Extrem viele dieser Zellen lassen sich in einen Halbleiterchip packen - derzeit sind Chips mit 512 oder 1024 MBit üblich. Allerdings versickert die Ladung des Kondensators aufgrund von unvermeidbaren Leckströmen relativ schnell, sodass sie ständig erneuert werden muss. Diese sogenannten Self-Refresh-Zyklen verheizen relativ viel elektrische Leistung. Ohne Versorgungsspannung geht die Information umgehend verloren. Schlägt RAM bei Datentransferrate und den Zugriffszeiten Festplatten um mehrere Größenordnungen, so ziehen die Magnetspeicher bei Kapazität und Preis pro Gigabyte ähnlich weit davon (siehe Tabelle S. 105 in c't 21/07).

In gewisser Weise kombiniert Flash die Vorteile dieser beiden Speichertechniken: Flash-Zellen sind Halbleiterbauelemente und kommen so - wie RAM - ohne bewegliche Teile aus, das heißt, sie sind robust und schnell im Zugriff. Die Daten bleiben jedoch auch ohne Betriebsspannung - wie bei Festplatten - erhalten.

Die Flash-Speichertechnik hat sich aus den EEPROMs (Electrical Erasable and Programmable Read-Only Memory) entwickelt und nutzt einen quantenmechanischen Effekt in Halbleitern aus. Vom Aufbau her ähneln Flash-Zellen einem gewöhnlichen Feldeffekttransistor (FET), besitzen jedoch unterhalb des (Control) Gate eine eingebaute Ladungsfalle (siehe Grafik S. 101 in c't 21/07). Diese speichert ähnlich wie der Kondensator einer RAM-Zelle eine elektrische Ladung. Eine Oxidschicht isoliert die Ladungsfalle (Floating Gate) auf allen Seiten vom Rest des FET und verhindert den Abfluss der Ladung.

Das Auslesen einer einzelnen Flash-Zelle ist in der Theorie recht simpel [2]: Die Ladung auf dem Floating Gate wirkt genau wie die auf dem gewöhnlichen (Control) Gate und erzeugt - so vorhanden - durch ihr elektrisches Feld einen leitenden Kanal zwischen Drain und Source; der Transistor schaltet durch.

Um das Floating Gate zu laden, bedient man sich eines quantenmechanischen Effektes (Fowler-Nordheim-Tunnel): Beim Anlegen einer recht hohen Schreibspannung (10 bis 13 Volt) zwischen Control und Source Gate tunneln einige Ladungsträger vom Source Gate durch die Isolationsschicht auf das Floating Gate. Die Ladung bleibt dort im Normalfall über viele Jahre hinweg stabil. Sie sitzt sogar so fest in der Falle, dass zum Löschen einer Zelle rohe Gewalt nötig ist, weshalb die Zelle unter jedem Löschvorgang leidet. Eine hohe negativen Löschspannung treibt die Ladungsträger wieder aus dem Floating Gate heraus. Dies geschieht nicht wie das Schreiben selektiv pro Zelle, sondern großflächig für einen ganzen Block. Dieses blitzartige Löschen ganzer Regionen soll laut einer Anekdote auch zu dem Namen „Flash“ geführt haben.

Hier lauert allerdings ein inhärenter Pferdefuß von Flash-Speicher. Da sich Flash-Speicher nur in Blöcken von typischerweise 16 kByte oder mehr löschen lässt, sind Schreiboperationen, die vorhandene Daten verändern, aufwendiger als Lesezugriffe: Zuerst muss man den ganzen Block in einen Puffer lesen, dann die Daten im Puffer modifizieren und komplett in die frisch geflashten Zellen zurückschreiben. Ausnahme: Sollen lediglich leere, also bereits gelöschte Zellen befüllt werden, kann der Flash-Vorgang entfallen. Diese Eigenart erklärt die teils deutlichen Unterschiede zwischen Schreib- und Leserate bei Flash-Speicher in der Tabelle.

Aktuelle Solid State Disks aus Flash-Speicher schaufeln beim Lesen bis zu 60 MByte/s und liegen damit ungefähr gleichauf mit 2,5"-Notebook-Platten. Beim Schreiben hingegen kommen sie nur auf den halben Wert. Die Geschwindigkeit von Flash-Speichermedien kann der Hersteller steigern, indem er die Daten über mehrere Chips verteilt - ähnlich wie bei einem RAID-0-Verbund.

Bei den Zugriffszeiten schlägt Flash-Speicher jedoch jede Festplatte, denn die Daten sind nach weniger als 120 µs verfügbar. Damit steht Flash-Speicher rund zwei Größenordnungen besser da als Festplatten, aber immer noch drei Größenordnungen schlechter als RAM. Beim Preis liegt Flash-Speicher mit rund 8,5 Euro pro Gigabyte ebenfalls zwischen RAM (knapp 30 Euro/GByte) und Festplatten (rund 0,20 Euro/GByte)

Samsung Electronics - weltweit zweitgrößte Chiphersteller - ist der Marktführer bei dem in Massenspeichermedien verbauten NAND-Flash. Nicht zufällig hat er auch den größten Marktanteil bei PC-Hauptspeicher, sprich DRAM. Die Fertigungstechnik von NAND-Flash- und DDR(2/3)-SDRAM-ICs ist recht ähnlich, weshalb fast alle großen DRAM-Hersteller je nach Marktlage auch NAND-Flash fertigen. Beide Speicherchiptechniken profitieren von einer extrem harten Konkurrenz und einer deshalb sehr dynamischen technischen Entwicklung; Speicherkapazität und Geschwindigkeit der Chips steigen rasant.

Samsung fertigt bereits Flash-Chips, die 16 GBit, also 2 GByte, an Daten fassen. Mehrere nackte Chips legt das Unternehmen zu flachen Stapeln übereinander, sodass ein einziges IC bis zu 8 GByte aufnimmt. Auch die Firma SanDisk beziehungsweise ihr Kooperationspartner Toshiba stellt schon 16-GBit-ICs her. In den letzten Jahren hat sich die Maximalkapazität von NAND-Flash-Chips etwa jährlich verdoppelt. Mitte nächsten Jahres sind also 32-GBit-Chips zu erwarten.

Die maximale Chipfläche ist nicht nur aus Kostengründen begrenzt. Das fertige Siliziumplättchen muss auch in Standardgehäuse passen. Die Kapazität der Flash-Chips wächst deshalb einerseits dank der Verkleinerung der Strukturen, also der Transistoren der einzelnen Speicherzellen, aber auch durch Fortschritte bei der Multi-Level-Cell-Technik (MLC): Im Unterschied zu den Single Level Cells (SLCs) speichert eine MLC mehrere Bits auf einmal. Es existieren verschiedene Verfahren, um mehrere Zustände pro Zelle zu unterscheiden; bisher gibt es MLCs mit zwei oder vier Bits. (bbe/boi)

Den vollständigen Artikel finden Sie in c't 21/2007.

[1] Christof Windeck, Merk-Zellen, Aufbau und Funktionsweise aktu-eller DDR2-Speicherchips, c't 6/06, S. 278

[2] Benjamin Benz, Erinnerungskarten, Die Technik der Flash-Speicherkarten, c't 23/06, S. 136

"Flash statt Platte"
Artikel zum Thema "Flash statt Platte" finden Sie in der c't 21/2007:
Wie Flash-Speicher den PC erobert S. 100
ReadyBoost und SuperFetch bringen Vista auf Trab S. 106
Flash-Speicher in Notebooks S. 114

(bbe)