Wenn Mäuse weh tun

Als die gute alte Kommandozeile unter DOS von der Maus und Windows abgelöst wurde, empfanden das viele Nur-Anwender als Erlösung. Indes: Schon bei Büro-Office-Programmen und um so mehr bei CAD- oder Grafikaufgaben kann der Gebrauch der Maus die beteiligten Muskeln, Sehnen oder Gelenke überlasten und zu Schmerzen führen – oder leichte, bereits vorhandene Beeinträchtigungen im Bereich zwischen Fingerspitzen und Nacken verschlimmern.

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Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Peter Röbke-Doerr
Inhaltsverzeichnis

Bei der Suche nach Alternativen für unser wichtigstes Zeigegerät macht sich schnell Ratlosigkeit breit: Würde eine Senkrecht-Maus die Schmerzen verschlimmern oder verbessern? Oder wäre das Grafiktablett die Lösung? Oder könnte das Auslagern der Maus vom Schreibtisch auf ein tiefer liegendes Brett Erleichterung bringen?

Dieser Artikel gibt keine punktgenaue Empfehlung nach dem Muster „Wenn Schmerz X, dann Lösung Y“, denn dazu ist die Vielfalt der Beschwerden zu groß und zum anderen ist nicht jeder willens oder ohne aufwendiges Training in der Lage, mit jedem Eingabegerät umzugehen. Vielmehr versuchen wir, Problemklassen aufzuzeigen, bei denen bestimmte Varianten am ehesten Hilfe versprechen. Dadurch kann der persönliche Aufwand fürs immer noch verbleibende Ausprobieren deutlich reduziert werden. Basis unserer Klassifizierung ist eine – übrigens nicht repräsentative – Umfrage unter den Besuchern von heise-online, bei der verschiedene persönliche Erfahrungen abgefragt wurden. Letztlich lief aber alles darauf hinaus, welche Mäuse oder Alternativen wurden ausprobiert und was hat es genutzt.

Ganz bewusst haben wir Tastaturen in diesem Artikel ausgespart – zum einen ist das ein völlig anderer Themenkomplex, zum anderen würde das den Rahmen sprengen – obwohl uns natürlich bewusst ist, dass körperliche Beschwerden sowohl von der Maus als auch der Tastatur herrühren können.

Auch die Linkshänder haben wir links liegen gelassen; einige Teilnehmer an der Umfrage haben das kritisiert. Wir denken aber, dass diese Personengruppe über www.linkshaender.de halbwegs versorgt ist und im Grundsatz die gleichen Probleme hat wie Rechtshänder.

Körperliche Beschwerden bei der Bedienung der Maus manifestieren sich an verschiedenen Punkten des Arms und können von den Fingergelenken über Handgelenk, Ellenbogen, Schultergelenk bis zum Nacken reichen. Im Einzelnen gibt es folgende Ursachen: Verspannung von Muskeln, Bänderdehnung oder -zerrung, Sehnenscheiden-Entzündung oder eine Arthrose, also zu wenig Knorpelgewebe in den Gelenken. Generell sollte man bei Auftreten von deutlichen Beschwerden einen Orthopäden aufsuchen – allein schon für die begleitende Diagnostik und Dokumentation.

Allerdings gibt es keine Mäuse auf Rezept und bereits stattgefundene Abnutzungserscheinungen im Knorpelgewebe kann auch ein Arzt nicht rückgängig machen – die persönlichen Erwartungen sollten also nicht allzu hochgeschraubt werden. Eine zweifelsfreie Diagnose erleichtert aber beispielsweise die Diskussion mit dem Arbeitgeber, wenn es darum geht, wer die Kosten für die neue Maus übernimmt. Und da der sogenannte Maus-Arm oder auch das RSI-Syndrom (repetitive strain injury) keine anerkannten Berufskrankheit ist, erübrigt sich der Versuch, von der Krankenkasse einen Teil der Kosten erstattet zu bekommen. Bevor man jedoch überhaupt Geld in die Hand nimmt, sollte man seine Sitzposition überprüfen und beispielsweise die Position der Maus ober- oder unterhalb der Tischplatte ausprobieren. Sicherlich gehört auch eine Optimierung der Sitzhaltung zu den therapeutischen Maßnahmen eines Orthopäden, im Internet findet man aber unter dem Stichwort Bildschirm-Arbeitsplatz viel Wissenswertes (siehe Soft-Link).

Wie erwartet, mündete die Auswertung der Online-Umfrage nicht in eine klare Zuordnungsfähigkeit, dafür müsste man – wenn es denn überhaupt möglich ist – Frau Nölle-Neumann und eine medizinische Universität einspannen. Dennoch gelangten wir zu erfreulich konkreten Resultaten: Wer ernsthafte Beschwerden hat und viele Mausmodelle ausprobiert, hat große Chancen, „seine“ zu ihm passende Maus zu finden und die Schmerzen zu lindern. Dies hört sich zunächst wie eine Binsenweisheit an, man kann das Ergebnis aber auch anders formulieren: In der Gruppe derjenigen, die vier oder mehr Modelle ausprobiert haben, geht die Zahl der erfolglosen Nutzer gegen null. Aber: Man kann die Linderung bestimmter Beschwerden nicht mit einem bestimmten Mausmodell verkoppeln. Allerdings berichten etwa 50 Prozent aller Personen mit heftigen Beschwerden, dass ein Trackball diese Beschwerden sehr gut oder gut gebessert habe – gefolgt von einem externen Touchpad (28 %), den Grafiktabletts (17 %), der Rollermaus (14 %), der Senkrechtmaus (14 %) und dem Joystick-Pen (4 %). Die wichtigste Erkenntnis dabei: Diese Reihenfolge ist unabhängig von der Art der Beschwerden – also egal ob Finger, Hand, Ellenbogen, Schulter oder Nacken wehtun. Man sollte also beim Ausprobieren von ergonomischen Mäusen in der genannten Reihenfolge beginnen.

Doch die körperlichen Beschwerden können nicht der alleinige Maßstab sein. Einer unserer Tester mit Schulterbeschwerden hat sich derart schwergetan mit der Bedienung des Touchpads, dass er es nach wenigen Stunden mit völlig verkrampften Nacken und Rückenschmerzen ad acta legte. Notebook-gewohnte Anwender hingegen waren von diesem Gerät geradezu begeistert.

Wer also gewohnt produktiv weiterarbeiten möchte und nicht erst eine längere Trainingszeit absolvieren will, sollte eher auf Alternativen setzen, die nur eine Abwandlung seines gewohnten Konzepts darstellen. Maus-Schubser werden also eher mit Vertikal-Mäusen oder Track-Balls glücklich werden als mit Touchpad oder Grafiktablett.

Auf die Arbeit mit der Maus sind Computeranwender heute so gut trainiert, dass sie nur noch selten ein Gefühl dafür haben, wie anstrengend diese Arbeit für einen Arm tatsächlich ist. Einen interessanten Eindruck von der Belastung lieferte der Selbstversuch eines Probanden, doch – als Tipp von seinem Arzt – einfach mal mit der linken Hand zu mausen. Resultat: Karpaltunnel-Syndrom (Tennis-Ellenbogen) nach nur einem Arbeitstag – was sicherlich nicht ohne Vorschädigung möglich ist. Der Tipp, mal auf die andere Hand zu wechseln, sei daher durchaus weitergegeben, aber man sollte ihn schleunigst abbrechen, wenn sich Probleme zeigen. Die klassische Therapie, nämlich Arm ruhig stellen, ist für einen sowieso kaum belasteten Arm etwas tricky.

Niemand wird sich freiwillig und ohne Beschwerden exotisch anmutende Gerätschaften für ziemlich viel Geld beschaffen, um auf Verdacht möglichen Überlastungen vorzubeugen, die er noch gar nicht absehen kann. Solange man gesund und schmerzfrei ist, gibt es kaum etwas weniger Spannendes als quasi-orthopädisches Zubehör.

Auch wenn die hier vorgestellten Eingabegeräte gemeinhin als besonders ergonomisch erachtet werden, ist die Bezeichnung irreführend, denn auch eine normale Maus ist nicht per se unergonomisch – dann hätten diverse Berufsgenossenschaften sie längst am Arbeitsplatz verboten. Zum Problem wird die Maus selbst allenfalls durch zu lange Arbeitssitzungen, womöglich noch in ungünstiger Sitzhaltung. Oft genug ist aber nicht nur das Eingabewerkzeug selbst der Knackpunkt, sondern etwa beim Sport, beim Renovieren oder beim Umzug zugezogene Verletzungen oder Reizungen, die dann bei der Mausarbeit Schmerzen hervorrufen.
Von daher hat es wenig Sinn, unsere Testkandidaten einfach nach Ergonomie-Richtlinien abzuurteilen. Wir haben uns daher darauf konzentriert zu klären, ob diese speziellen Eingabegeräte Schmerzen bei der täglichen Arbeit zu lindern vermögen. Dabei können wir unmöglich Tester mit allen denkbaren Armschädigungen aufbieten: Allein die Rotatorenmanschette, also das Muskel-Sehnen-Paket, das den Arm im Schulter-Kugelgelenk hält, kann an vielen verschiedenen Stellen lädiert sein. Jede dieser Läsionen wird Schmerzen bei einem anderen Bewegungsablauf hervorrufen.

Wir haben daher einige schmerzgeplagte Kollegen das Sortiment der Eingabegeräte beschreiben und beurteilen lassen. Mit unserer Online-Umfrage konnten wir deren Einschätzungen verifizieren und die gewonnenen Erkenntnisse untermauern. Im Folgenden stellen wir Ihnen die Testkandidaten und das damit verbundene Arbeitsprinzip vor, jeweils kommentiert mit unseren konkreten, aber stets auch subjektiven Beobachtungen.

Den vollständigen Artikel finden Sie in c't 04/2008.

Soft-Link

Was ist das Geheimnis der so genannten Vertical-Mäuse? Machen Sie den Selbstversuch: Setzen Sie sich an Ihren Schreibtisch und legen Sie beide Arme locker auf den Tisch. Sie werden feststellen, dass Ihre Hände eher hochkant als flach auf dem Tisch liegen. Nun bringen Sie ihre Maushand ganz langsam in die Position für den Griff zur klassischen Maus. Langsam deshalb, um zu beobachten, wie ein Muskel nach dem anderen in Ihrem Arm angespannt wird. Und plötzlich wird offensichtlich, warum die Arbeit mit der Maus als Arbeit und Anstrengung anzusehen ist – und warum eine Vertical-Maus diese eher verringert. (roe)