Prozessorgeflüster

Ob mit Barium-Titanat, Indium, Antimon, Hafnium oder Kohlenstoff – die Alchemisten von heute findet man verstärkt in der Chipindustrie, wo sie zwar nicht Gold backen, aber noch wertvollere Siliziumplätzchen. Und mitunter verwandeln sie auch Graphit in Diamanten.

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Von
  • Andreas Stiller

Wir glauben, wir sind weiterhin eine Generation vor der restlichen Industrie, so Intels Oberdruide, Herstellungschef Mark Bohr, auf dem alljährlichen Treffen der Zunft, dem International Electron Devices Meeting (IEDM) in San Francisco. Als Beleg für die proklamierte Vorrangstellung wartete Intel auf dem Meeting gleich mit drei Zaubertränken auf. Zusammen mit dem britischen Rüstungskonzern Qinetiq hat Intel High-Performance-P-Kanal-Transistoren aus Indium/Antimon zusammengerührt, die bei nur 0,5 Volt Betriebsspannung für Frequenzen von 140 GHz gedacht sind. Und mit einem speziell für SOCs (System-On-a-Chip) angepassten 45-nm-Prozess will Intel ARM und Co. das Fürchten lehren. Der SOC-Prozess umfasst I/O-Transistoren für höhere Spannungen, Widerstände, Kapazitäten und High-Q-Induktivitäten. Seine Transistoren sind massiv auf Stromsparen getrimmt, mit Leckströmen von nur 0,1 nA/µm – weit unter den für High-Performance-Prozessoren üblichen 10 bis 100 nA/µm. „Die digitalen Schaltkreise sind schnell genug und können Hochfrequenzschaltungen bis zu 400 GHz unterstützen“, sagte Bohr stolz. Der neue Prozess sei schon einsatzfertig, er dürfte der nächsten Generation von Atom-Prozessoren auf die Quantensprünge helfen. Außerdem eröffnet er Intel zahlreiche neue Optionen, etwa im Kommunikationsbereich.

Und schließlich umriss Bohrs Mitarbeiter Sanjay Natarajan den für die nächste Tick-Prozessorgeneration gedachten 32-nm-Prozess. Die 32-nm-Transistoren können um 14 Prozent stärkere Ströme (1,55 mA/µm) als der aktuelle 45-nm-Prozess treiben und um 22 Prozent schneller schalten. Sie arbeiten mit Spannungen bis hinunter zu 0,8 V. Die Designer können dabei wählen, ob ihre Schaltkreise energiesparend mit niedrigen oder schnell mit höheren Spannungen arbeiten sollen.

Qimonda-Forscher haben es geschafft, Kohlenstoffatome per Strompuls zwischen verschiedenen stabilen Allotropen umzukonfigurieren – hier im Rasterelektronenbild vier mögliche Kohlenstoffzustände von amorph (links) bis sp2-C oder Graphit (rechts).

(Bild: J. Huanq, Qimonda)

Erstmalig wird Intel dabei „flüssige“ Lithographie verwenden (Immersionslithographie), so wie sie die Konkurrenz schon bei 45 nm einsetzt. Anders lassen sich die kleinen Strukturen bei dem vergleichsweise groben Laserlicht von 193 nm nicht mehr realisieren.

Die angesprochene Konkurrenz will Intels Führungsanspruch aber so nicht widerspruchslos hinnehmen. Vor allem der „IBM-Clan“, der neben IBM die Partner AMD, Chartered, Freescale, Infineon, Samsung, ST und Toshiba vereint, will ganz vorne mitmischen. IBM hat neben dem schon vorgestellten hochperformanten 32-nm-Prozess (High-k, Metall) mit „Bulk“-Silizium nun eine spezielle Low-Power-Variante entwickelt, die ohne Germanium-Zusatz (als Stressfaktor für das Silizium) arbeitet. All diese Herstellungstechniken sollen etwa gleichzeitig zu Intel in etwa einem Jahr für die breite Produktion einsatzfähig sein.

Intels modifizierter 45-nm-Prozess hat um eine Größenordnung kleinere Leckströme als bisherige Herstellungsprozesse (hier Leckstrom im Verhältnis zum Sättigungsstrom für NMOS).

(Bild: Intel)

Und nebenbei wirft IBM schon mal ein erstes Rasterelektronen-Licht auf 22-nm-Prototypen mit 6T-Speicherzellgrößen von 0,1 µm2 (0,554 x 0,18 µm). Dagegen ist Intels bislang im Testchip realisierte 32-nm-Speicherzelle mit 0,171 µm2 geradezu riesig.

Zudem sei auch IBMs neuer FinFET-Transistor in 32-nm-Technik mit High-k-Dielektrikum und Metall-Gatter mit 0,128 µm2 die kleinste FinFET-Speicherzelle der Welt. Toshiba und NEC unterbieten mit ihrem 32-nm-Prozess mit nur 0,124 µm2 großen Speicherzellen Intels Vorgabe ebenfalls klar. Und dann gibts ja auch noch TSMC. Die Taiwaner stellten ihren HKM-32-nm-Prozess vor mit SRAMs von 0,15 µm2. Und sie gingen auch schon auf ihren geplanten Zwischenschritt von 28 nm ein. Soweit voraus scheint Intel demnach also nicht zu sein.

Auch aus deutschen Landen kam Interessantes: Die von der Finanzkrise und dem desolaten DRAM-Markt doppelt gebeutelte Firma Qimonda könnte sich mit dem vorgestellten nicht flüchtigen Karbon-Speicher bestens einem dringend benötigten Käufer empfehlen. Die neue Speichertechnik steckt zwar noch in frühen Kinderschuhen, ihr wird aber ein großes Potenzial zugesprochen. Kohlenstoffatome werden hier durch einen Stromstoß zwischen verschiedenen stabilen Zuständen (Allotrope) des Kohlenstoff hin- und hergeschaltet, etwa zwischen nicht leitendem Diamant, leitendem Graphit, Nanotubes oder amorphem Kohlenstoff. Insgesamt sind derzeit acht verschiedene Allotrope bekannt – und alle paar Jahre entdecken die Wissenschaftler noch einen neuen. Wenn dann irgendwann mal ein einzelnes Atom als Speicherzelle ausreicht, könnte man in einem Bleistift mit rund einem Gramm Graphit immerhin die Kleinigkeit von 50 Zetta-Bits (beziehungsweise 6 Milliarden Terabytes) unterbringen und als schöner Nebeneffekt für die Liebste ließe sich die Mine bei richtiger Datenwahl mal eben in einen Diamanten verwandeln. Wenn solche Aussicht keine gute Werbung für die Qimonda-Braut ist … Zwei bis vier Interessenten gäbe es ja, hatte Infineon-Chef Peter Bauer schon Ende Oktober verkündet. Eine Mitgift von etwa 50 Millionen wird von Brautvater Infineon derweil auch nicht mehr ausgeschlossen.

Dass Intel ebenso wie Microsoft verstärkt das Auto erobern will, haben die Firmen ja schon mehrfach bekundet. Nun hat Ex-CEO und Seniorberater Andy Grove seinem Schützling Intel empfohlen, sich intensiv um das Thema Autobatterien für Elektroautos zu kümmern. Ob und wie Otellini und Co. darauf eingehen werden, ist derzeit unklar. Intel wies erst mal nur darauf hin, dass man schon Beteiligungen an Firmen habe, die Akkus herstellen. Gemeinsam mit Panasonic hatte Intel bereits neue Akkus entwickelt. Spannend wären hier zum Beispiel auch Ultrakondensatoren, wie sie das texanische Start-up EEStor seit Jahren in der Mache hat. Die will ein kanadischer Autohersteller als Investor in sein Zero-Emission-No-Noise-Fahrzeug ZENN einsetzen. Genauer gesagt handelt es sich beim EEStor-Kondensator um ein Batterie-Ultracap-Hybrid aus Barium-Titanat-Pulver, Aluminium-Oxid und Glas, das laut EEStor die Li-Ion-Batterie um ein Mehrfaches bezüglich Energie pro Gewicht übertrumpfen soll. Von 340 Wh/kg ist die Rede, Lithium-Ion kommt auf 120 Wh/kg und der herkömmliche Bleiakku auf nur 30 Wh/kg. Manche Muggles, etwa die vom MIT, zweifeln zwar an den Zauberkünsten der EEStor-Magier – aber wenn Hi-Tech-Hexer Intel mitmischt, wird vielleicht was draus. (as)