Kleinschreibwettbewerb

Bislang dachte man, die kleinste Schrift überhaupt könne nur mit einzelnen Atomen gesetzt werden. Nun zeigen amerikanische Forscher, dass dieses Limit mit Elektronenwellen unterschritten werden kann.

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Von
  • Dr. Veronika Winkler

Die rekordbrechenden kleinsten Schriften im Größenvergleich: Der Text gewann 1985 den von Feynman ausgesetzten Preis (a). 2005 bohrten Forscher mit einem hochenergetischen Elektronenstrahl ein S-förmiges Loch in einen Siliziumnanodraht (b), unterboten damit aber den Rekord von 1990 nicht (c). Das gelang nun dem Team um Manoharan (d, e und f). Half-pitch steht hier für die Strichdicke.

(Bild: Bilder: Hari Manoharan/Stanford University)

Als kleinste Schrift der Welt galten seit 1990 die drei Buchstaben „IBM“, die Wissenschaftler dieses Konzerns damals mit einem Rastertunnelmikroskop aus 35 Xenonatomen auf einer Nickelunterlage angeordnet hatten. Damit schien die Kleinschrift ihre natürliche Grenze erreicht zu haben: da, wo ein Atom ein Pixel repräsentiert. Der neue Rekord eines Teams um Hari Manoharan von der Stanford University zeigt nun aber, dass dieses Limit mit Mitteln der Holografie sehr wohl noch unterschritten werden kann: Waren die Lettern von 1990 etwa 6 Nanometer hoch und die Atome in Abständen von rund 1,2 Nanometern gesetzt, so kommen die Buchstaben „S“ und „U“ (für Stanford University) der Forscher um Manoharan auf rund ein Viertel der Größe, wobei die kleinsten Details gerade 0,3 Nanometer messen.

Konkrete Anwendungen haben Manoharan und seine Kollegen dabei nicht im Blick. So schreiben sie in dem bei der Zeitschrift Nature Nanotechnology vorab online veröffentlichten Paper (Christopher Moon et al., doi: 10:1038/nnano.2008.415), dass eine neue Speichertechnologie auf Basis ihres Prinzips schlechterdings nicht praktikabel ist, da sie für ihr winziges Hologramm eine Menge Handarbeit, die nicht automatisiert werden kann, verrichten mussten. Die Forscher setzen mit ihrer Arbeit einen von Richard Feynman angestoßenen Weg fort. Der gern als einer der Wegbereiter der Nanotechnologie angesehene Physiker hielt 1959 einen visionären Vortrag mit dem Titel „There’s plenty of room at the bottom“ („Ganz unten ist eine Menge Platz“). Darin führte Feynman aus, dass es keinerlei Hindernisse physikalischer Art gebe, die enorm verkleinerte Maschinen und Schaltkreise prinzipiell unmöglich machen. Als Anstoß, in diese Richtung zu forschen, setzte er einen Preis von 1000 Dollar für diejenigen Forscher aus, denen es gelingen würde, eine Seite Buchtext um mindestens den Faktor 25 000 zu verkleinern.

Bei der herkömmlichen Holografie projiziert Licht, das auf ein ebenes Hologramm (links unten) fällt, ein dreidimensionales Objekt (links oben). Analog funktioniert die von den Stanford-Forschern entwickelte Holografie mittels Elektronenwellen (rechts unten) – nur dass die gespeicherte Information nicht direkt betrachtet, sondern mit dem Rastertunnelmikroskop (Spitze rechts oben) ausgelesen wird.

Erst 1985 musste er das Preisgeld herausrücken, nachdem Wissenschaftler der Stanford University mittels Elektronenstrahllithografie die miniaturisierte Einleitung des Romans „Eine Geschichte aus zwei Städten“ von Charles Dickens auf Siliziumnitrid schrieben. Fünf Jahre später brachen die IBM-Forscher diesen Rekord. Um die Atome zu Buchstaben anzuordnen, verwendeten sie ein Rastertunnelmikroskop – ein Gerät, das nicht nur die Struktur von Oberflächen extrem fein abbildet, sondern quasi auch als Pinzette für einzelne Atome dient.

Auch Manoharan und sein Team benutzten ein Rastertunnelmikroskop. Damit setzten sie Dutzende Kohlenmonoxidmoleküle auf einem Kupferplättchen an ganz bestimmte Stellen, die sie zuvor mittels aufwendiger computergestützter Berechnungen ermittelt hatten. Auf der Kupferoberfläche tummeln sich nun freie Elektronen, die nach dem quantenmechanischen Welle-Teilchen-Dualismus auch eine Wellennatur haben. Breiten sich diese Elektronenwellen zwischen den Kohlenmonoxidmolekülen aus, so entsteht ein stehendes Interferenzmuster.

Ordnet man Moleküle genau in einer vorberechneten Weise an (links), speichert das entstehende Muster der Elektronenwellen Buchstaben (rechts).

In Analogie zur gewöhnlichen optischen Holografie entspricht dieses Muster einem beleuchteten Hologramm, das ein dreidimensionales Objekt für einen Betrachter sichtbar macht. Um ein Elektronenhologramm auszulesen, rastern die Forscher nicht die Moleküle selbst, sondern erfassen auf einer kleinen Fläche die Quantenzustände der Elektronen mit dem Rasterelektronenmikroskop und erstellen daraus ein Energiediagramm. Dabei finden sie, wie vorausberechnet, bei einer bestimmten Energie die Buchstaben „SU“ im Muster der Elektronenwellen, wenn auch etwas schemenhaft.

Darüber hinaus zeigte das Team, dass mit ein und demselben Arrangement von Molekülen die beiden Buchstaben gleichzeitig auf unterschiedlichen Ebenen im Energiediagramm gespeichert werden können – nach Manoharan entspricht das einem optischen Hologramm, das bei Rotlicht ein anderes Objekt zeigt als bei Grünlicht. Er und seine Kollegen wollen nun herausfinden, inwieweit dieses Verfahren, das die Informationsdichte nochmals erhöht, weitergeführt werden kann, ohne dass die Buchstaben zu undeutlich werden. (anm)