Roboter arbeiten als Wissenschaftler

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Angela Meyer

Computer spielen in der Wissenschaft eine immer größere Rolle: Nach den Vorgaben von Wissenschaftlern steuern sie Messungen, recherchieren in Datenbanken und speichern und bearbeiten die jeweils gefundenen Ergebnisse, sodass ihre Auftraggeber diese einfacher interpretieren und weitergehende Forschungen ableiten können. Zwei Forschungsprojekte in den USA und in Großbritannien beschreiben nun im Wissenschaftsmagazin Verfahren, wie Roboter menschliche Wissenschaftler nicht nur unterstützen, sondern auch ganz ohne menschliche Vorgaben selbstständig forschen könnten (Science, 3. April 2009, S. 81 und 85).

Die Forscher von der US-amerikanischen Cornell University suchten nach einem Algorithmus, der ohne wissenschaftliche Kenntnisse allein aus beobachteten Daten Naturgesetze und ihre mathematische Formulierung ableiten kann. Um dieses zu automatisieren, muss man einen Algorithmus definieren, der entscheiden kann, welche der in den Daten gefundenen Korrelationen tatsächlich aufschlussreich sind. Dazu programmierten die US-Forscher einen Parallelrechner mit 32 Prozessoren so, dass er versuchte, aus den Daten mathematische Ausdrücke abzuleiten, die immer wahr sind.

Diesen Ansatz testeten die US-Forscher an den Bewegungsdaten verschiedener mechanischer Systeme von einfachen harmonischen Oszillatoren bis zu chaotischen Doppelpendeln. Der Algorithmus entdeckte ohne vorherige Kenntnisse in Physik, Kinematik oder Geometrie Bewegungsgleichungen, Gesetze zur Energie- und Impulserhaltung sowie geometrische Beziehungen. Für die Beschreibung einer einfachen geradlinigen Bewegung benötigte das System wenige Minuten, während die Analyse eines komplexen Doppelpendels 30 bis 40 Stunden dauert. Das System ersetzt noch keinen Wissenschaftler, denn die Interpretation der gefundenen Gleichungen muss immer noch der Mensch vornehmen. Der Computer könnte aber dabei helfen, schneller Zusammenhänge zu finden. Die Forscher glauben, dass man ihren Algorithmus auch auf komplexere Systeme von der Biologie bis zur Astronomie anwenden kann, wo es inzwischen eine Fülle an Daten gibt, viele der darin verborgenen Gesetzmäßigkeiten aber noch der Entdeckung harren.

Das zweite in Science beschriebene Projekt, eine Kooperation dreier britischer Universitäten, hat sich denn auch direkt einem speziellen Problemfeld der Biologie zugewandt. Auf den ersten Blick unterscheidet sich der Projektaufbau an der Aberystwyth University nicht von anderen automatisierten Messeinrichtungen: Auf knapp zehn Quadratmetern sind neben Laborgeräten wie Gefrierschrank, Flüssigkeitssteuerungen, Inkubatoren und Zentrifuge auch drei Roboterarme, 2 Barcodereader, 7 Kameras, 20 Umgebungssensoren und 4 Rechner untergebracht, die den in das System integrierten Wissenschaftsroboter Adam befähigen, selbstständig Wachstumsuntersuchungen an Mikroben durchzuführen.

Adam sollte diese allerdings nicht einfach nach fest vorgegebenem Schema abarbeiten, sondern selbstständig Hypothesen aufstellen, um Beobachtungen zu erklären, Experimente für den Test dieser Hypothesen entwerfen, diese Experimente mit Hilfe der Laborroboter durchführen, die Ergebnisse interpretieren und diesen Prozess dann auf der Grundlage der neuen Ergebnisse wiederholen. Damit das System durchgängig alle Aspekte des wissenschaftlichen Prozesses durchführen und detailliert in einer computerverwertbaren Weise darstellen kann, stellten die Forscher ein Paket aus Standardsoftware der Bioinformatik und eigenen Entwicklungen zusammen.

Als Startinformationen erhielt Adam ein in der Programmiersprache Prolog dargestelltes Modell des Stoffwechsels der untersuchten Hefe und eine allgemeine bioinformatische Datenbank. Das System sollte in dem Modell nun noch ungeklärte, für das Wachstum zwingend notwendige Reaktionsschritte finden, für diese Reaktionen jeweils die katalysierende Enzymklasse bestimmen und im Vergleich mit anderen Organismen Hypothesen aufstellen, welche Gene der Hefe diese Enzyme kodieren könnten, und geeignete Experimente entwerfen und durchführen, um dieses zu testen.

Die Forscher räumen ein, dass man argumentieren könnte, dass die von Adam auf diese Weise tatsächlich gefundenen neuen Erkenntnisse noch bescheiden seien und im Grunde bereits in der Formulierung der Aufgabe gesteckt hätten. Allerdings seien die automatisch erzeugten Erkenntnisse trotzdem nicht trivial – eines der Ergebnisse könnte zur Lösung eines 50 Jahre alten Rätsels beitragen. (anm)