Rosige Aussichten

Organische und gedruckte Elektronik soll in jeder Hinsicht flexible und günstige Produkte ermöglichen. Analysten prophezeien der Polymerelektronik eine rosige Zukunft. Der Glaube an die Plastikschaltungen eint auch die in der Interessenvertretung OE-A organisierten Unternehmen, Universitäten und Forschungseinrichtungen. Im Frankfurter Kongresszentrum traf sich die Branche auf der LOPE-C.

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Glaubt man den Analysten, steht der gedruckten Polymerelektronik eine goldene Zukunft bevor: Bis 2020 könne der Markt auf 100 Milliarden US-Dollar wachsen. Zum Vergleich: Die Flachdisplaybranche erwirtschaftete diese Summe etwa im Jahr 2006. Langsam loslegen soll die Polymerelektronik bereits in diesem Jahr, die Forscher von IDTechEx etwa erwarten ein Marktvolumen von knapp zwei Milliarden US-Dollar. Zehn Jahre später sollen es bereits über 55 Milliarden sein.

Das Innere des Herzaufklebers signalisiert Frische: Leuchtet es in kräftigen Farben, ist alles gut. Für das Hähnchenfleisch in der abgebildeten Verpackung wäre die Zeit abgelaufen.

Wolfgang Mildner, Vorsitzender der Organic and Printed Electronics Association OE-A, freut sich über solche Prognosen. Er möchte die Polymerelektronik aber nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung zur herkömmlichen Siliziumtechnik platzieren. Und rät dies auch den beteiligten Unternehmen. Das sei realistischer und habe einen weiteren Vorteil: „Man wird nicht zum Feindbild.“ Die Plastikschaltungen würden beispielsweise nicht beliebig schnell werden, sondern vor allem flexibler und billiger und könnten so eher Nischen erobern.

Die Produktionskosten sind indes noch eines der zu lösenden Probleme. Das würde sich aber von selbst erledigen, denn mit der Massenfertigung gingen die Kosten automatisch runter, glaubt Mildner. Hier habe man auch einen wesentlichen Vorteil gegenüber der Siliziumtechnik, denn eine Mengenaufstockung in der Massenproduktion sei bei der Polymertechnik mit deutlich geringerem Aufwand verbunden. So könne man beispielsweise einfach die Rollenbreite vergrößern, um die Produktionskapazität der im sogenannten Rolle-zu-Rolle-Verfahren gedruckten Schaltungen zu erhöhen. Auch die Druckmaschinen seien einfacher zu duplizieren als das Produktionsequipment in Fabs für Siliziumwafer oder LC-Display.

Hauchdünne Sensoren, die Lichtquelle und Fotodiode auf kleinster Fläche integrieren, ermitteln den Sauerstoffgehalt im Blut.

Von der Rolle werden bereits heute etwa RFID-tags, einfache Sensoren und organische Photovoltaikzellen produziert. Die Herstellung ähnelt der in einer großen Druckerei, die Schaltungen werden – teilweise in mehreren Durchläufen – auf Plastikfolien gedruckt. Dabei wird nicht ausschließlich organisches Material aufgebracht, es können auch hauchdünne Metalle oder anorganische Dielektrika sein. So beschichtet man bei PolyIC beispielsweise zwei bis fünf Kilometer lange Polyesterfolien, heraus kommt ein bis zu 40 cm breiter Rollenträger mit Hunderttausenden von RFID-tags.

Teilweise in einem viel kleineren Maßstab, aber ebenfalls im alltagsbewährten Druckverfahren, erzeugt die Firma Bizerba aus Balingen Klebeetiketten, die Frische signalisieren. Das OnVu-Label mit zweifarbigem Herz zeigt unmissverständlich an, wenn die Kühlkette beim Lebensmitteltransport unterbrochen wurde oder die Ware schon zu lange im Regal liegt. Bizerba bedruckt dazu eine flexible Trägerschicht mit speziellen Pigmenten, aktiviert sie vor dem Verpacken respektive Aufkleben mit UV-Licht und laminiert das Label mit einer UV-undurchlässigen Beschichtung. Durch die Aktivierung verändern die Pigmente ihre Farbe von farblos zu einem kräftigen Blau. Dieser Prozess ist reversibel: Die Pigmente werden langsam wieder farblos – bei höheren Temperaturen schneller.

Der leuchtende Pappkarton der Karl Knauer AG zieht am Verkaufstresen alle Blicke auf sich.

Auch die Forscher am Center for Printed Intelligence (CPI) des VTT Technical Research Centre in Finnland arbeiten an einem aktiven Frühwarnsystem für die Frischhaltekontrolle. Ihr auf Fleischverpackungen gedruckter Widerstandssensor reagiert auf Schwefelwasserstoff und signalisiert so, ob im Packungsinnern Zersetzungsprozesse stattfinden. Der Händler kann die Widerstandsänderung schon bei geringen H2S-Konzentrationen messen und die Ware so rechtzeitig aus dem Regal nehmen.

Verpackungen sollen zugleich der Werbung diesen – mit gedruckten Schaltungen mutieren sie zu multimedialen Informationsträgern. Die Faltschachtel namens Highlight des Verpackungsherstellers Knauer aus Biberach etwa wurde mit einem über mehrere Seiten der Verpackung laufenden Elektrolumineszenz-Display bedruckt. Dieses zeigt wahlweise bunte Logos oder Text und kann sogar mit einem Bewegungssensor ausgestattet werden, auf dass es bei Kundenannäherung eifrig blinkt.

Abgesehen von solchen Hinguckern könnte intelligente Verpackung auch sinnvolle Zwecke erfüllen, etwa Zusatzinformationen in verschiedenen Sprachen liefern, sehbehinderten Patienten Beipackzettel von Medikamenten vorlesen oder die Echtheit von Produkten durch fälschungssichere, elektronische Codes signalisieren.

Bei vielen Anwendungen wäre es zudem einfacher, wenn man die Polymerelektronik statt auf Plastikfolie direkt aufs Papier drucken könnte. Problematisch dabei ist allerdings die raue, saugfähige Papieroberfläche. Die Firma Schoeller Service weiß Abhilfe: Sie beschichtet herkömmliches Papier im Rollendruckverfahren mit einer hauchdünnen Polymerschicht. Ergebnis: ein flexibles, nicht dehnbares, leicht bedruckbares Grundmaterial namens p_e:smart.

Die LOPE-C-Besucher konnten in der begleitenden Ausstellung Exponate von über 50 Firmen und Instituten begutachten und auch jenseits des umfangreichen Kongressprogramms über die aktuellen Fortschritte bei Entwicklung und Produktion diskutieren. Dabei waren sowohl das Vortragsprogramm als auch die Stände gut besucht – die optimistische Einschätzung Polymerelektronik schien sich zumindest auf der LOPE-C zu bestätigen. (uk)