IT-Beschaffung: weiter niedrige Sozial-Standards in China

Auf einer Tagung diskutieren IT-Verantwortliche über soziale Verantwortung und Auftragsvergaben. Europäisches Verbraucherverhalten soll einen deutlichen Einfluss auf die Arbeitsbedingungen in Asien haben, so ein Ergebnis.

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Handy-Produktion

Arbeitsbedingungen in chinesischen Fabriken waren ein Thema auf der Fachkonferenz für IT-Beschaffungen in Gelsenkirchen.

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Kai Rüsberg
Inhaltsverzeichnis

Auf der Fachkonferenz für sozial verantwortliche Beschaffung von IT-Hardware diskutieren öffentliche Einrichtungen und NGOs über soziale Standards bei IT-Fertigung und -Beschaffung. Die Tagung findet am 17.11. in Gelsenkirchen statt. Beiträge beleuchten beispielsweise die Situation in chinesischen Fabriken und den Einfluss der europäischen Vergaberichtlinien.

Chinesische Fabrikmanager bevorzugen ledige Frauen zwischen 18 und 25 Jahren als Arbeiter. Und dafür gibt es einen einfachen Grund, sagt Sheung So von der Hongkonger NGO Labour Education and Service Network (LESN): "Sie arbeiten hart, ausdauernd lange und klagen nicht".

Sheung So von der Hongkonger NGO Labour Education and Service Network

Offiziell stehen die chinesischen Arbeitszeit-Vorschriften europäischen Normen nicht in viel nach. Sie schreiben eine 40-Stunden Woche vor und regulieren die Überstunden. Üblich ist eine 6-Tage Woche. Faktisch leisten chinesische Arbeiter in den Fabriken jedoch oft mehr als 80 Überstunden im Monat. Sind es weniger, protestieren die Arbeiter, berichtet Sheung So aus ihren Gesprächen mit den Arbeitern. Sie verlangen die Überstunden – und das aus einem einfachen Grund: Weil sie mit dem Mindestlohn nicht auskommen. 300 Euro verdient ein Arbeiter im Monat, der die Mindestbedingungen einhält, 500 mit den regelmäßigen Überstunden, erklärt Sheung So.

Und dabei stehen die Arbeiter mit Mindestlohnanspruch nicht am unteren Rand der Einkommensskala, so So. Denn weiterhin werden College-Schüler von ihren Schulen oder Hochschulen in die Fabriken geschickt. Sie unterliegen nicht den sozialen Schutzmechanismen für Arbeitskräfte, weil sie nicht als Arbeiter eingestuft werden. Oftmals ist die Teilnahme an solchen "Internships" Voraussetzung für einen erfolgreichen Abschluss der Schule, hat Sheung So von ihnen erfahren.

100 Vertreter von Kommunen, Landesverwaltungen, Umweltschutzorganisationen und IT-Unternehmen treffen sich auf der Fachtagung in Gelsenkirchen zum Meinungsaustausch. Neben Berichten aus den Produktionsbetrieben in Asien diskutieren die Teilnehmer über die Umsetzung der von der EU beschlossenen Richtlinie zur sozial verantwortlichen Beschaffung in öffentlichen Einrichtungen diskutiert.

Erwartet wird, dass Deutschland diese Vorgaben zum Vergaberecht im nächsten Frühjahr in deutsches Recht umsetzen wird. Die Frist läuft im April 2016 aus. Relevant werden solche Einschränkungen und Prüfungsvorschriften aber erst bei besonders großen Anschaffungen von öffentlichen Stellen. Der Schwellenwert soll beispielsweise bei Dienstleistungen bei 130.000 Euro liegen. Bei anderen Anschaffung wird es noch deutliche höhere Schwellenwerte geben.

Trotzdem ist die geplante Novellierung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) ein gewaltiger Schritt in die Zukunft, sagt Heide Rühe auf der Tagung. Sie arbeitet an solchen Vorschriften schon seit mehr als 10 Jahren. Sie war Abgeordnete im Europa-Parlament und dort Mitglied im Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz. Erstmals würde damit öffentlichen Auftraggebern ein Instrument an die Hand gegeben, vom günstigsten Angebot bei einer Vergabeentscheidung abzuweichen. Denn bislang erhielte in mehr als 90 % aller Ausschreibungen der Anbieter mit dem niedrigsten Preis den Zuschlag. Zusätzliche Kriterien wie faire Zulieferketten, die Einhaltung von Umweltschutz-Kriterien oder soziale Standards können bisher kaum in eine eventuell durch Gerichte zu überprüfende Vergabeentscheidung eingehen, meint Rühle.

Europa kann die Zustände innerhalb der Lieferketten beeinflussen, so Sheung So.

(Bild: Kai Rüsberg)

Verbraucherentscheidungen können aber einen deutlichen Einfluss auf die Produktionsbedingungen in den Zulieferketten Einfluss nehmen, betont Sheung So. Beispielsweise hätte die Diskussion um die Herstellung von Apple Produkten und die Selbstmordserie von Arbeitern beim Zulieferer Foxconn in den vergangenen Jahren die Situation in einigen Fabriken tatsächlich verbessert und auch zur besseren Einhaltung von Standards geführt. Aber, so berichtet Sheung So weiter, hätte dies auch dazu geführt, dass die Produktionsfirmen in China zum Teil mit der Einrichtung verschiedener paralleler Produktionslinien mit unterschiedlichen Sozialstandards reagiert hätten. (jab)