Innenpolitiker wollen zwölfmonatige Vorratsdatenspeicherung

Der Innenausschuss des Bundesrats fordert eine zwölfmonatige Speicherung aller bei der Telekommunikation anfallenden "Verkehrsdaten" auf Vorrat und will so der Rundumüberwachung der Nutzer Vorschub leisten.

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Der Innenausschuss des Bundesrats fordert eine zwölfmonatige Speicherung aller bei der Telekommunikation anfallenden "Verkehrsdaten" auf Vorrat. Er geht damit weit über die sechsmonatige Frist hinaus, für die der Rechtausschuss der Länderkammer jüngst plädiert hat. Zugriff auf die beabsichtigten riesigen Datenlagerhallen, in denen unter anderem die kompletten beim Telefonieren, SMS-Versand oder bei der Internetnutzung anfallenden Verbindungsabläufe gespeichert werden sollen, wollen die Innenpolitiker der Länder Strafverfolgern, Geheimdiensten, Verfassungsschützern sowie dem Zollkriminalamt gewähren.

Den entsprechenden Antrag, der genauso wie der des Rechtsausschusses hauptsächlich mit einer effektiveren "Gefahrenabwehr" begründet wird, haben Baden-Württemberg, Bayern und Hessen gestellt. Er wurde bei vier Enthaltungen von zehn Bundesländern befürwortet, wie aus dem heise online vorliegenden Protokoll der Ausschusssitzung hervorgeht. Gegen den geplanten immensen Eingriff in die Privatsphäre der Nutzer, der in der Stellungnahme des Bundesrats zur umstrittenen Novelle des Telekommunikationsgesetzes (TKG) verankert werden soll, stimmten nur Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein. Wie umfangreich die präventive Überwachung der Nutzer durch den Antrag werden könnte, ist selbst in Fachkreisen noch umstritten. Die Bundesregierung hat in ihrem TKG-Entwurf nämlich eine sehr weite und nicht mit EU-Vorgaben zu vereinbarende Definition von Verkehrsdaten gewählt. Sie umfassen demnach alle "Daten, die bei der Erbringung eines Telekommunikationsdienstes erhoben, verarbeitet oder genutzt werden". Ob darunter beispielsweise auch angesurfte URLs fallen, ist bislang unklar.

Taktische Spielchen

Die Taktik der Innenpolitiker erscheint eindeutig: Mit der Forderung nach einer zwölfmonatigen Vorratsdatenspeicherung soll die Sechsmonatsfrist als "Kompromiss" durchgesetzt werden. Aus Kreisen der Telekommunikationsbranche war jedoch zu erfahren, dass beide Varianten "völlig indiskutabel" seien. Der Platzhirsch, die Deutsche Telekom, hatte sich jüngst erst heftig über eine übermäßige Inanspruchnahme bei der Herausgabe von Verbindungsdaten und eine komplette Entwertung des Fernmeldegeheimnisses beschwert. Generell lehnt nicht nur die Wirtschaft die Vorratshaltung von Daten aufgrund der hohen Kosten ab. Auch die Datenschützer von Bund und Ländern hatten bereits beim Vorhaben des Rechtsausschusses zu einer flächendeckenden Speicherung von Verkehrsdaten "erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken" angemeldet.

Die Länder sind sich selbst noch nicht einig, wohin die Reise gehen soll. So hat der Wirtschaftsausschuss in seiner am Donnerstag verabschiedeten Vorlage für die TKG-Reform eine Vorratsdatenspeicherung strikt abgelehnt. Der Bundesrat möge "ausdrücklich begrüßen", heißt es in dem heise online vorliegenden Antrag Berlins, Niedersachsens, Rheinland-Pfalz' und Schleswig-Holsteins, "dass Verkehrsdaten nur für die Abrechnung sowie in begründeten Ausnahmefällen genutzt werden dürfen und danach unverzüglich gelöscht werden müssen". Eine "generelle und undifferenzierte Vorratsspeicherung lehnt der Bundesrat sowohl aus Datenschutzgründen als auch wegen der sich daraus ergebenden Belastungen für die Telekommunikations-Unternehmen ab". Auch die im Gesetzesentwurf der Bundesregierung vorgesehene Regelung, wonach Unternehmen "auf eigene Kosten technische Einrichtungen zur Umsetzung gesetzlich vorgesehener Maßnahmen zur Überwachung der Telekommunikation vorzuhalten" haben, missfiel dem federführenden Wirtschaftsausschuss. Man habe Zweifel, ob solche von der Industrie als verfassungswidrig gebrandmarkten Verpflichtungen "Bestand haben können".

Neue Telekom-Regulierung

Die Abstimmung im Plenum der Länderkammer am 19. Dezember wird damit noch einmal spannend. Unter Hoffen und Bangen erwartet die Branche dort auch die endgültige Haltung des Bundesrats zur künftigen Marktregulierung. Der Wirtschaftsausschuss plädiert in diesem Gebiet dafür, die als eher "Telekom-freundlich" geltenden Änderungen des Bundeskabinetts an dem ursprünglichen Referentenentwurf wieder rückgängig zu machen. Zu den wichtigsten Vorschlägen gehört, dass die Telekom nach dem Willen der Wirtschaftspolitiker bei der Einreichung von Preisgenehmigungsanträgen für neue Endkundenangebote bei der Regulierungsbehörde auch den Wettbewerbern zeitgleich Offerten für wesentliche Vorleistungen machen muss. Auf dieser Basis sollen die Konkurrenten eigene Endkundenprodukte entwickeln können. Einen solchen "Automatismus" lehnt die Telekom ab, da sie dann nicht mehr in neue Produkte und Infrastrukturen investieren könne. Ferner verlangt der Wirtschaftsausschuss, die tatsächlich anfallenden Kosten für die Bereitstellung von Leistungen und Produkten genau zu prüfen. Dies soll "Dumpingstrategien" bei der Preisgestaltung vorbeugen. Auch Bußgeldverschärfungen und andere von der Telekom abgelehnten Maßnahmen hat die Länderkammer ins Spiel gebracht.

Von Mitte Januar an muss sich nach dem Bundesrat der Bundestag mit der TKG-Novelle beschäftigen. Eine Vorratsdatenspeicherung dürften die Abgeordneten dort nicht mittragen. So erklärte die Internet-Beauftragte der CDU/CSU-Fraktion, Martina Krogmann, bereits, dass das geplante Vorgehen der Länder aus rechts- und verfassungspolitischen Gründen "höchst diskussionswürdig" sei und "dem Wirtschaftsstandort Deutschland nachhaltig" schade. Sie habe Bedenken, meinte die Parlamentarierin, ob die "Sicherheitsmaßnahme" angemessen und geeignet sei. (jk)