Wahlprogramme unter der Lupe (2): CDU/CSU

Die CDU/CSU ist der Angreifer, der "Deutschlands Chancen nutzen" will. Sie möchte ihre gesamtes Programm daran gemessen sehen, ob es Arbeitsplätze fördert oder gefährdet.

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Von
  • Jürgen Kuri

Die CDU/CSU ist der Angreifer, der "Deutschlands Chancen nutzen" will. Sie möchte ihre gesamtes Programm, das sie unter dem Titel Regierungsprogramm auf einer eigenen Webseite online veröffentlicht, daran gemessen sehen, ob es Arbeitsplätze fördert oder gefährdet. Diese programmatische Grundeinstellung bleibt vage, konkrete Aussagen etwa zu IT-Arbeitsplätzen gibt es nicht. Mit dem ehemaligen Verfassungsrichter Paul Kirchhof hat das Kompetenzteam um Kanzlerkandidatin Angela Merkel den Gegenpart zu Peter Hartz gesetzt. Auch Kirchhofs Ideen zu einer grundlegenden Steuerreform dürften nicht ohne massive IT-Investitionen zu realisieren sein.

Forschung und Spitzentechnologieförderung

Die CDU/CSU möchte aktiv Spitzentechnologie fördern (S. 10), und spricht besonders bei der Ostförderung von einer Unterstützung der Hochtechnologie (S. 22). Außerdem befürwortet sie bei der Förderung wie Die Linke.PDS eine Clusterpolitik, also Forschungsschwerpunkte in bestimmten Regionen. Neben der Exellenzinitiative, in der 25 Universitäten um zusätzliche Mittel kämpfen, die dann 10 Universitäten bekommen, möchte sie zusätzlich 1 Millarde Euro in die Spitzenforschung stecken (S. 10). Im IT-Bereich spricht sich das christliche Parteibündnis für eine bessere Vernetzung und eine breitbandige Infrastruktur für alle aus (S. 11). Diese neuen Breitband-Netze sollen nicht durch staatliche Regulierung behindert und von einer Breitband-Offensive getragen werden. Attraktive Bedingungen sollen das internationale Risikokapital ins Land locken (S. 19). Außerdem soll der Bau des Transrapid und der Ausbau der Kernenergie die Forschung beflügeln. Outsourcing auch von IT-Leistungen wird durch befristete Einstellung von Arbeitsteams für spezielle Produkt- und Verfahrensentwicklungen befürwortet (S. 14), reine Betriebsverlagerungen werden jedoch abgelehnt. Bei Mangelberufen in Spitzentechnologien ist die Zuwanderung gestattet (S. 34), soll aber bleibenden Charkter haben: Sie sollte mit einer Einbürgerungsfeier abgeschlossen werden.

Verbraucherschutz

Aussagen zum Verbraucherschutz werden im Wahlprogramm nicht gemacht, allerdings soll im Zuge des Abbaus der Überregulierung der Bankenaufsicht das Bedürfnis nach übergreifenden Kontoabfragen entfallen (S. 17). Auf betrieblicher Ebene soll die Zahl der Beauftragten zurückgefahren werden (S. 11), doch gibt es keine Aussage zu den Datenschutzbeauftragten. Die Datenschutzbeaftragte der CDU/CSU Bundestagsfraktion, Beatrix Philipp hat jedoch mehrfach erklärt, dass die Industrie nicht durch übertriebene Datenschutzgesetze ausgebremst werden dürfe.

Geistiges Eigentum

Obwohl im Wahlprogramm keine Aussagen zum geistigen Eigentum gemacht werden, möchte die CDU/CSU das Urheberrecht verändern. Bekannt ist, dass die Union die Position des Branchenverbandes Bitkom unterstützt, der pauschale Geräteabgaben ablehnt. In diesem Rahmen denkt man über eine bessere Regelung der digitalen Privatkopie nach, für die gesonderte Gebühren erhoben werden sollen. Dabei soll es im privaten Haushalt eine rechtliche Duldung der Privatkopie geben.

Günter Krings, Experte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für geistiges Eigentum, fordert zudem seit langem die Einführung eines Auskunftsanspruchs der Rechteinhaber gegen Internetprovider zur Herausgabe von Kundendaten. Der Patentierung von Software steht Krings äußerst skeptisch gegenüber). Unionspolitiker gehörten im EU-Parlament andererseits zu den treibenden Kräften, die sich im Sinne der Industrie für eine breite Patentierbarkeit von Computerprogrammen aussprachen.

Innere Sicherheit

Die Privatsphäre des Bürgers wird nicht behandelt, stattdessen fordert das Programm, dass bestehende Gesetzeslücken (beim Lauschangriff) rasch geschlossen und Schwächen in der Organisationsstruktur der Sicherheitsbehörden beseitigt werden müssen (S. 31). Bei der inneren Sicherheit wird eine gemeinsame Anti-Terror-Datei von Polizei und Geheimdiensten befürwortet (S. 32), die ein gemeinsames über das Terror-Abwehrzentrum hinausreichendes Informations- und Analysezentrum erhalten sollen. Diese Datei soll im Gegensatz zur der bisher geplanten Index-Datei eine sogenannte Volltext-Datei sein. Mit dem von der Polizei nicht unbedingt begrüßten Wunsch nach einer Volltext-Datei war der Plan zur Indexdatei von den Unionsländern gekippt worden. Eine besondere Visa-Warndatei soll aufgebaut werden, die DNA-Analyse soll ausgeweitet werden und einen anderen Stellenwert bekommen. Sie muss zum Fingerabdruck des 21. Jahrhunderts werden (S. 32), erklärt das Wahlprogramm. Zur Vorratsdatenspeicherung gibt es eine Aussage von der Internet-Beauftragten der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Martina Krogmann, die eine Speicherung der Daten über 12 Monate hinaus ablehnt.

Die Vorratsspeicherung von Telefon- und Internetdaten halten der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hartmut Koschyk, und der Obmann der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Innenausschuss, Thomas Strobl, für unabdinglich. Eine "effektive und aktuelle Terrorbekämpfung erfordert" ihnen zufolge "wegen der Möglichkeiten moderner Telekommunikationsmittel für Terroristen eine Speicherung von Telekommunikationsdaten für 6 Monate." Sicherzustellen ist ihnen zufolge auch, dass der Große Lauschangriff "ein effektives Instrument der Sicherheitsbehörden zur erfolgreichen Bekämpfung von Terrorismus und Organisierter Kriminalität bleibt." Ferner sprechen sie sich für die automatisierte KFZ-Kennzeichenerkennung aus.

Medien und Internet

Aussagen zur Medien- und Internetpolitik sind nicht im Wahlprogramm der CDU/CSU zu finden, dafür ein Bekenntnis zum eGovernment, das bis 2009 realisiert sein soll (S. 12). Nicht der Bürger, sondern seine Daten sollen laufen, heißt es. Damit übernimmt die CDU/CSU einen Slogan, den Bundeskanzler Schröder bereits für seine Initiative BundOnline 2005 nutzte. Die Internetbeauftragte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Martina Krogmann, kündigte zusätzlich den weit reichenden Ausbau der e-Health an.

Sonstiges

Von den in der Diskussion befindlichen Großprojekten wird Hartz IV erwähnt, wo die Umsetzung optimiert und die Organisationsstruktur überprüft werden soll (S. 13). Bei der LKW-Maut soll eine neue unabhängige Gesellschaft gegründet werden, die die Einnahmen nach dem Grundsatz Straße finanziert Straße ausgibt (S. 19). Kontrovers wird in der Union die Überlegung des bayerischen Innenministers Günther Beckstein diskutiert, die LKW-Maut auf weite Teile des Bundesstraßennetzes auszuweiten.

Dem rot-grünen Informationsfreiheitsgesetz stehen Unionspolitiker äußerst skeptisch gegenüber. Sie zeigten sich bei den Beratungen im Bundestag besorgt über eine Überbelastung der Verwaltung und über die Möglichkeit, dass brisante Informationen in die Hände auch von Kriminellen oder von Terroristen gelangen könnten.

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(Detlef Borchers) / (Stefan Krempl) / (jk)