Copwatch: Smartphones belegen Polizeigewalt in den USA

Nach der Gewalt von Polizisten gegen Schwarze bekommt Copwatch, eine 25 Jahre alte Bewegung, neue Bedeutung. Um Übergriffe belegen zu können, filmen Bürger Polizeibeamte, die ihrerseits neuerdings BodyCams tragen - Grund für neues Misstrauen?

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Polizei in San Francisco
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Stephanie Ott
  • dpa
Inhaltsverzeichnis

17. Juli 2014. Ein Mann liegt am Boden und keucht verzweifelt. „Ich kann nicht atmen.“ Der Kopf des 43-Jährigen wird auf den Asphalt gedrückt, ein Polizist nimmt ihn in einen Würgegriff. Eric Garner, der asthmakranke Vater von sechs Kindern, stirbt noch am gleichen Tag.

Das Video von Garners Festnahme im New Yorker Stadtteil Staten Island und seinen letzten Atemzügen verbreitet sich rasend schnell um die Welt. Doch die Geschworenen entscheiden, dass der weiße Polizist Daniel Pantaleo, der den Afroamerikaner Garner tödlich gewürgt hat, sich nicht vor Gericht verantworten muss. Der Spruch löst landesweite Proteste gegen Polizeigewalt in den USA aus.

Für Andrea Prichett stellt der Fall Garner einen Wendepunkt in den USA dar. "Seit Garners Tod hat sich das Klima in Amerika sehr geändert. Jetzt haben wir durch solche Videos Beweise für unrechtmäßige Gewalt von Polizisten." Schon 1990 hatte Pritchett die Bürgerinitiative CopWatch im kalifornischen Berkeley gegründet, um unrechtes Verhalten der Polizei gegen Obdachlose zu dokumentieren. Daraus hat sich mittlerweile eine nationale Bewegung entwickelt, die gegen Polizeigewalt und Rassendiskriminierung vorgeht.

Damals stand die amerikanische Bevölkerung sehr auf Seiten der Polizei, berichtet Prichett. "Heute jedoch ist das Vertrauen in die Polizei nahezu verschwunden." Die Leute hätten begonnen, der Haltung der Polizisten vor allem gegenüber Schwarzen und anderen Minderheiten wie Latinos zu misstrauen. Bei CopWatch patrouillieren Bürger mit Smartphones in Großstädten wie New York, Atlanta und Baltimore, um den Umgang zwischen Polizei und Bürgern – und somit mögliche Misshandlungen – auf Video festzuhalten. Obwohl Polizisten oft versuchen, Zivilisten vom Filmen abzuhalten, ist es legal, Beamte an öffentlichen Orten zu filmen, solange man sie nicht bei der Arbeit behindert.

"CopWatch-Videos helfen dabei, Missstände und Fehlverhalten aufzudecken", sagt Prichett. In den USA wurden in diesem Jahr einer Statistik des Guardian zufolge bislang 960 Menschen von Polizisten getötet. Zwölf Polizisten sind laut "Wall Street Journal zufolge in diesem Jahr wegen ziviler Todesopfer angeklagt worden – mehr als in jedem der letzten zehn Jahre, aber dennoch wird nur ein Bruchteil der Tötungsdelikte von US-Polizisten verfolgt. Das Vertrauen der Bevölkerung sinkt; laut einer Gallup-Umfrage haben lediglich 52 Prozent "viel" oder "ziemlich viel" Vertrauen in die Polizei – der niedrigste Stand seit 1993.

Seit Todesfällen wie Eric Garner stehen die rund 900 000 US-Polizisten unter besonders genauer Beobachtung. Der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft Patrolmen's Benevolent Association, Patrick J. Lynch, warnt vor einer Stigmatisierung und Pauschalisierung: "Wenn man noch nie mit jemandem konfrontiert wurde, der sich einer Festnahme entzieht oder der eine Waffe oder ein Messer auf einen richtet, (...) dann hat man kein Recht, das Verhalten von Polizisten zu beurteilen, die sich selbst für das Wohl der Bevölkerung in Gefahr begeben." Lynch hält die kritischen Medienberichte über Rassendiskriminierung und Polizeigewalt für unfair und voreingenommen. Er befürchtet, dass sich deshalb das Verhältnis der Bevölkerung zur Polizei weiter verschlechtern wird.

Inzwischen gibt es für das Cop-Watching auch Apps, beispielsweise von Darren Baptiste. Damit können Bürger Begegnungen mit der Polizei filmen und danach das Video direkt ins Internet hochladen. Bislang
haben mehr als 16 000 Menschen die App heruntergeladen. "Mehr und mehr Menschen merken gerade, dass es Zeit ist, etwas zu tun, um den Status quo zu verändern", sagt Baptiste. Je mehr Copwatch-Videos es gebe, desto mehr Aufmerksamkeit errege es in Amerika und weltweit. "Nur dadurch können langfristig Veränderungen erreicht werden." Inzwischen tragen immer mehr Polizisten Körperkameras, sogenannte "Body Cams", um sich von ihrer Seite aus gegen die Vorwürfe von Rassendiskriminierung und Gewalt zu behaupten.

Bleibt die Frage, ob CopWatching lediglich das Misstrauen auf beiden Seiten fördert. Die Bürgerrechtlerin Prichett verneint dies. "Wir schüren kein Misstrauen, sondern geben unterdrückten Gemeinschaften Kontrolle und Selbstschutz. Falls es wirklich dazu kommt, dass es wieder einen Fall wie Garner gibt, dann
haben wir Beweise, dass sich ein Polizist unrecht verhalten hat. Sonst stünde nur das Wort eines Schwarzen gegen das eines Weißen. Und da ist das Machtverhältnis bis heute noch ungleich in den USA." (uh)