Weniger privat kopieren, mehr Vergütungspauschale zahlen

Die wichtigsten Regelungen aus dem 2. Korb der Urheberrechtsnovelle im Überblick.

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Fast vier Jahre nach dem Inkrafttreten der ersten Stufe der Anpassung des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) an die Informationsgesellschaft hat der Bundestag mit den Stimmen von Schwarz-Rot und der FDP-Fraktion den so genannten 2. Korb der Reform nach langen Auseinandersetzungen verabschiedet. Ursprünglich war vorgesehen, nach den dringenden, von Brüssel vorgegebenen Änderungen mit dem zweiten Durchgang nach reiflicher Debatte und unter Beteiligung aller Interessensgruppen das Urheberrecht wieder in eine Balance vor allem zwischen Kreativen, Nutzern und der Wirtschaft zu bringen. Die Fronten verliefen aber derart hart gegeneinander, dass die Politik von diesem hehren Ansatz Abstand nahm.

Herausgekommen ist ein Gesetz, das hauptsächlich den Belangen von Verwertern und Urhebern Rechnung trägt. Für die Verbraucher sowie die Wissenschaft bleibt der Korb größtenteils leer und die Geräteindustrie schreit Foul, auch wenn das federführende Bundesjustizministerium von einem fairen Kompromiss zwischen allen Beteiligten spricht. Allerorten wird aber bereits lautstark nach einer dritten Runde zur Novellierung des Urheberrechts gerufen.

Neuregelung der Kopiervergütung

Den Kern des neuen Gesetzesentwurfs, der noch vom Bundesrat bestätigt werden muss, bildet die Reform der Vergütungspauschale für zustimmungsfrei zulässige Vervielfältigungen im privaten Bereich. Die Geräteindustrie und Urhebervertretungen wie Verwertungsgesellschaften müssen die Höhe der Vergütung künftig weitgehend selbst bestimmen. Bei Streitigkeiten soll ein straffes Verfahren über ein Schiedsgericht Rechtsklarheit schaffen. Entscheidend für die Höhe der Urheberrechtsabgabe ist, in welchem Maß die Geräte und Speichermedien "als Typen" tatsächlich für private Kopien genutzt werden. Dabei ist laut dem Gesetzestext zu berücksichtigen, inwieweit die mit dem 1. Korb sanktionierten technischen Schutzmaßnahmen in Form etwa von Systeme zum digitalen Rechtekontrollmanagement (DRM) auf die betreffenden Werke angewendet werden.

Entgegen dem Ansinnen des Regierungsentwurfs (PDF-Datei) werden mit den Änderungen des Rechtsausschusses nicht nur Geräte vergütungspflichtig, die im "nennenswerten Umfang" auch tatsächlich für Privatkopien verwendet werden. Betroffen bleiben vielmehr alle Apparaturen, die prinzipiell für Vervielfältigungen zu gebrauchen sind. Die Vergütungshöhe soll in einem wirtschaftlich angemessenen Verhältnis zum Preisniveau des Geräts oder des Speichermediums stehen. Die ursprünglich geplante Deckelung der Kopiervergütung bei fünf Prozent des Gerätepreises fällt zum Leidwesen der Industrie weg. Die alten Vergütungssätze gelten nach dem bisherigen Recht weiter, bis eine Einigung auf neue in trockenen Tüchern ist.

In einem Entschließungsantrag machen die Koalitionsfraktionen deutlich, dass die Regierung tätig werden und zu einer Festsetzung der Pauschalen von oben zurückkehren müsse, falls sich die Erwartungen an die Selbstregulierung nicht erfüllen oder es zu einer Verzerrung der Wettbewerbssituation kommen sollte. Eine weitere Abwanderung der Gerätehersteller beziehungsweise -importeure ins Ausland oder ein Ausweichen der Käufer auf Nachbarländer seien zu verhindern.

Stärkere Handhabe gegen Up- und Downloads geschützter Werke

Die Privatkopie selbst soll nicht mehr nur dann unzulässig sein, wenn die Vorlage "offensichtlich rechtswidrig hergestellt" wurde. Vervielfältigungen für den Eigengebrauch sind vielmehr künftig ebenfalls verboten, wenn die Vorlage offensichtlich rechtswidrig im Internet zum Download angeboten, also öffentlich zugänglich gemacht wird. Mit dieser "Klarstellung" soll die Verbreitung geschützter Werke in Tauschbörsen wirksamer verhindert werden.

Die Grünen kämpften vergeblich um die "P2P-Bagatellklausel". Gerade bei Jugendlichen hätte ihrer Meinung nach berücksichtigt werden müssen, dass nicht schon beim rechtswidrigen, aber nur geringfügigen Download aus Tauschbörsen die Keule der Justiz geschwungen wird. Der ursprüngliche Vorschlag von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries sei deshalb der richtige Weg gewesen, befand die Oppositionspartei gemeinsam mit den Linken.

Die SPD-Politikerin wollte eigentlich gesetzlich festschreiben, dass "in geringer Zahl" für den privaten Gebrauch erstellte Kopien aus illegalen Quellen straffrei bleiben. Die Union hatte diese Bestimmung als "fatales Signal" für das Urheberrechtsverständnis bekämpft und sich durchgesetzt. Auf Rechtsbrecher, die im nicht-gewerblichen Umfeld handeln, kommen damit potenziell Haftstrafen von bis zu drei Jahren zu. Über die Einleitung eines Verfahrens entscheiden weiter die Staatsanwaltschaften, die sich aber bereits mit Anzeigen gegen Filesharer überschüttet sehen.

Elektronische Leseplätze und Kopienversand unter Vorbehalt

Schwierig gestalten dürfte sich mit dem 2. Korb die Versorgung der Wissenschaft und der Bürger mit Fachinformationen. Entgegen dem Anspruch der Regierungsfraktionen aus dem Koalitionsvertrag, ein "bildungs- und wissenschaftsfreundliches Urheberrecht" zu schaffen, ändert sich in diesem Bereich wenig an der Gesetzeslage. Bibliotheken, Museen oder Archive dürfen gemäß dem überarbeiteten Text veröffentlichte Werke aus dem Bestand an elektronischen Leseplätzen zur Forschung und für private Studien zugänglich machen, soweit dem keine vertraglichen Regelungen entgegenstehen. Grundsätzlich nicht gestattet ist, mehr Exemplare eines Werkes verfügbar zu machen, als der Bestand der Einrichtung umfasst. Nur in "Belastungsspitzen" soll ein Buch gleichzeitig laut Gesetzesbegründung an vier Leseplätzen abgerufen werden können.

Dazu kommt eine restriktive Erlaubnis für öffentliche Bibliotheken, Zeitschriften- oder Zeitungsartikel sowie "kleine Teile eines erschienen Werks" auch elektronisch als "grafische", nicht-durchsuchbare Dateien zu kopieren und versenden. Dies ist aber nur dann zulässig, wenn der Zugang zu den entsprechenden Informationen "den Mitgliedern der Öffentlichkeit" nicht schon von den Verlagen selbst "offensichtlich von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl mittels einer vertraglichen Vereinbarung zu angemessenen Bedingungen ermöglicht wird". Inhalte aus Schulbüchern dürfen nur mit Zustimmung der Verlage kopiert oder etwa in einem Intranet in Auszügen digital verbreitet werden.

Unbekannte Nutzungsarten und Open Content

Um Archivmaterial gerade im Rundfunkbereich besser erschließen zu können, werden erstmals "unbekannte Nutzungsarten" geschützter Werke gestattet. Neu ist dabei die Vereinbarung entsprechender Verwertungen und gleichzeitig auch die spätere Verweigerungsmöglichkeit durch Widerruf bei Neuverträgen. Der Urheber, der vorher unbekannte Nutzungsarten prinzipiell eingeräumt hat, muss demnach für seine Erreichbarkeit sorgen. Der Verwerter, der ein Werk neu nutzen will, hat seinerseits den Urheber über sein Vorhaben zu informieren. Erfolgt kein Widerspruch, gilt das erweitere Nutzungsrecht als eingeräumt. Vergleichbare Regelungen gelten bei Altverträgen. Im Gegensatz zu anderen Medien haben die Urheber bei Filmen aber kein Widerrufsrecht. Das soll den Produzenten ausreichende Sicherheit beim Erwerb der Rechte geben und gewährleisten, dass der deutsche Film künftig auch international präsent bleibt.

Das neue Urheberrecht will zudem eine befürchtete Rechtsunsicherheit für freie Software und Open Content beseitigen. So stellt der Gesetzgeber klar, dass der Urheber sein Werk kostenlos zur Verfügung stellen kann, indem er jedermann ein einfaches Nutzungsrecht einräumt. Einer Schriftform bedarf es dabei nicht, da entsprechende freie Lizenzen etwa für Linux oder Wikipedia einfach öffentlich mit dem jeweiligen Werk verbunden und nicht darüber hinausgehend fixiert sind.

Einig sind sich die Fraktionen, dass der 2. Korb viele Fragen offen lässt und das Urheberrechtsgesetz nicht in die Schublade gesteckt werden kann. Laut den Liberalen steht etwa eine Regelung des Handels mit gebrauchter Software noch aus. Gleiches gelte für die so genannte "intelligente Aufnahmesoftware", mit der gezielt Musiktitel automatisiert aus dem Web-Radioangebot herausgefiltert und aufgenommen werden können. Auch in diesem Fall müsse über ein gesetzliches Verbot privater Kopien nachgedacht werden. Der Bildungsausschuss hat sich dagegen für eine deutliche Stärkung der Kopierfreiheiten im Wissenschaftsbereich stark gemacht. Darüber hinaus muss sich das Parlament nach der Sommerpause weiter mit dem umkämpften Regierungsentwurf zur besseren Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte beschäftigen, mit dem unter anderem ein Auskunftsanspruch gegen Provider bei Urheberrechtsverletzungen geschaffen werden soll.

Zur Diskussion um das Urheberrecht, das geistige Eigentum, Tauschbörsen und illegale Kopien sowie um die Urheberrechtsnovellierung siehe die Übersicht mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln und zu den Gesetzesentwürfen und -texten: (jk)