Geld-Junkies entsetzt über die EZB

Neue Geldspritzen sind ihnen zu wenig, Börsen gehen auf Talfahrt, obwohl nun Anleihen in Höhe von fast 1,5 Billionen Euro aufgekauft werden

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Es war keine Überraschung, dass die Europäische Zentralbank (EZB) heute den Geldhahn weiter aufdrehen und die Geldmärkte noch stärker fluten würde. Die Frage war nur noch, wie und im welchen Umfang sie es macht. Dass erneut geflutet und die EZB noch stärker in den Währungskrieg einsteigen würde, hatte deren Chef Mario Draghi deutlich gemacht.

Bestätigt hat sich, dass die EZB den Negativzins weiter erhöhen würde. Wenn Geschäftsbanken nun Geld bei der Zentralbank parken, müssen sie dafür in Zukunft statt bisher 0,2% nun 0,3% Strafzins bezahlen. Erwartet worden war auch, dass das umstrittene Programm zum Aufkauf von Staatsanleihen ausgeweitet werden würde. Entschieden hat man sich für die Verlängerung des Aufkaufprogramms. Es werden mindestens ein halbes Jahr länger monatlich für 60 Milliarden Euro Anleihen aufgekauft. Der Gesamtumfang von bisher 1,14 Billionen Euro schwillt also auf fast 1,5 Billionen oder sogar noch deutlich darüber an, wenn weiter ausgeweitet wird, was nicht ausgeschlossen ist. Zudem werden nun nicht mehr nur Anleihen von Staaten gekauft, sondern auch die von lokalen und regionalen Regierungen wie Bundesländern.

"Wir machen mehr, weil es wirkt", gab Draghi auf der Pressekonferenz in der Frankfurter EZB-Zentrale eine seiner Beschwörungsformeln von sich. "Wir sind zuversichtlich, dass diese Entscheidungen angemessen sind, um unser Ziel zu erreichen." Denn die EZB wolle sicherstellen, dass die Inflation im Währungsraum sich wieder der Zielmarke von knapp unter zwei Prozent nähere.

Doch einer Überprüfung hält das nicht statt, wenn man sich die Inflationsentwicklung anschaut. Im November blieb die Inflation im Euroraum wie im Vormonat auf 0,1%. Auf diesem Wert stand sie auch schon im August und war sogar im Vergleich zum Juli sogar wieder gesunken. Ein Jahr zuvor, ohne Ankaufprogramm, lag die Rate sogar bei 0,5%. Ist das also der Erfolg, von dem Draghi fabuliert?

Es wird eher deutlich, dass das zweite Ziel, die Konjunktur anzuheizen (wieder einmal), eines der wirklichen Ziele ist. Doch auch hierbei halten sich die "Erfolge" in engen Grenzen. Das Wachstum in der Eurozone stieg im dritten Quartal gegenüber dem Vorquartal um schlappe 0,3%. Dabei schwächte sich der Zuwachs sogar ab, denn im Vorquartal waren es noch 0,4%.

Das ist ein mehr als bescheidenes Wachstum, wenn man sich die Rahmenbedingungen anschaut. Denn die "Nullzinsen", der extrem niedrige Ölpreis sind schon enorme Konjunkturprogramme. Dazu kommt der von EZB im Rahmen des Währungskriegs heruntergeprügelte Euro, der dafür sorgen soll, dass Waren aus dem Euroraum auf dem Weltmarkt billiger machen. Das sind die Faktoren, die dieses ohnehin schwache Wachstum erzeugen. Ein selbsttragender Aufschwung ist weiterhin nicht in Sicht.

Niedrigzins macht süchtig

Der Witz ist, was längst einst der Bundesbankchef und EZB-Ratsmitglied Jens Weidmann erklärt hatte, dass den Junkies die neue Spritze nicht einmal mehr ausreicht, weshalb die Börsen nach der neuen Geldflut sogar auf Talfahrt gingen. "Die Welt" titelt sogar: "Mario Draghi schockiert die Märkte." Der deutsche Leitindex Dax war zwischenzeitlich sogar um fast 4% eingebrochen, weil die Junkies noch mehr Stoff erwartet hatten und schloss mehr als 3% im Minus. Und anders als erwartet, gab der Euro durch die Flutung nicht weiter nach, sondern sein Wert stieg sogar um drei Cent im Verhältnis zum US-Dollar.

Noch bevor Weidmann das Ankaufprogramm dann letztlich doch abnickte, hatte er einst erklärt: "Egal, ob es um Zinsen geht oder um irgendwelche Sondermaßnahmen - am Ende läuft es immer darauf hinaus, dass die Notenbank für Ziele der Fiskalpolitik eingespannt werden soll." Auch er meinte früher einmal, dass die Grenze verbotener Staatsfinanzierung überschritten wird und eben diese EZB-Geldpolitik "süchtig macht" wie eine Droge, von der die EZB wohl zu wenig auf den Markt gespült hat.

Weidmann wurde vor der Zinssetzung seiner Rolle auch vor dieser Entscheidung wieder gerecht. Er warnte erneut vor den Folgen, konnte aber nichts mehr tun, um diese praktisch nutzlose und gefährliche Politik zu verhindern, weil er ihr grundsätzlich das Plazet gegeben hatte. "Je länger die extrem lockere Geldpolitik andauert, umso weniger wirkt sie und umso mehr Risiken und Nebenwirkungen kommen ins Spiel", sagte er vermutlich auch mit Blick auf die zunehmende Blasenbildung. Er warnte auch vor der Gefahr, dass sich Regierungen an die sehr niedrigen Zinsen gewöhnten. Immer mehr Experten glauben, dass auf einen "Finanzcrash" und einen "Point of no return" zugesteuert wird.