Energiewende: Der Tritt auf die Bremse

Der Bundesregierung geht das Wachstum zu schnell. Mehr Bürokratie, höhere Kosten und enge Vorgaben sollen den Ausbau von Wind und Sonne drosseln

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Wie in der letzten Wochenschau versprochen, soll hier noch einmal schnell erzählt werden, wie Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) und sein Staatssekretär Rainer Baake (Grüne) die Energiewende ausbremsen wollen. Natürlich im besten Einverständnis mit der "Klimakanzlerin" Angela Merkel, die sich wie meist bei heiklen Angelegenheiten vornehm im Hintergrund hält, damit die weniger populären Aspekte ihrer Politik anderen angelastet werden.

Die Ende November vorgestellten Eckpunkte für die 2016 geplante Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) haben es in sich: Förderung nach dem EEG wird es künftig im Wesentlichen nur noch über bundesweite Ausschreibungsverfahren geben. Die sollen drei bis viermal jährlich von der Bundesnetzagentur jeweils getrennt für große Solaranlagen, Wind an Land (onshore) und Wind auf See (offshore) durchgeführt werden. Ausnahmen gibt es lediglich für kleine und mittlere Solaranlagen bis ein Megawatt. Ob es, wie vom Bundesrat gefordert, beim Wind getrennte Asschreibungsgebiete für Nord- und Süddeutschland geben wird, ist noch offen.

Das Verfahren ist umstritten. Immerhin können der Bundesverband Windenergie (BWE) und ähnliche Interessensverbände darauf verweisen, dass sich in anderen Ländern Ausschreibungsmodelle eher als Bremser der Entwicklung erwiesen haben. Nicht jedes Projekt, das einen Zuschlag erhält, wird auch realisiert.

Manchmal, so ein Vertreter des BWE gegenüber Telepolis, springen bis zu 50 Prozent wieder ab. Aber ein Nachrücken ist bisher ausdrücklich ausgeschlossen. Auch die Weitergabe des Zuschlags an andere Projekte ist beim Onshore-Wind nicht möglich. Stattdessen werden für den Fall, dass der akzeptierte Wind- oder Solarpark nicht gebaut wird, Strafgebühren fällig.

Bewerber müssen nicht nur vor der Beteiligung an der Ausschreibung alle örtlichen Genehmigungsverfahren durchlaufen, was bereits einen nicht unwesentlichen Kostenaufwand ohne die sichere Aussicht auf Realisierung bedeutet, sie müssen auch noch mit der Bewerbung Sicherheiten hinterlegen, die bei Wind je nach Größe 60.000 bis 150.000 Euro pro Anlage betragen können.

Als sei das nicht genug an Einschränkungen und bürokratischen Hürden, wird auch ein enges Korsett für den weiteren Ausbau eingeführt. Und das geht so: Ausgeschrieben wird jeweils eine bestimmte Leistungsmenge. Deren Höhe wird unter den drei Technologiegruppen sowie dem Ausbau an Kleinanlagen derart verknüpft, dass das Ziel 45 Prozent Anteil am deutschen Bruttostromverbrauch bis 2025 möglichst punktgenau erreicht wird.

Aber was heißt das in der Praxis? In diesem Jahr wird vermutlich bereits ein Anteil der Erneuerbaren von 35 Prozent am hiesigen Bruttostromverbrauch erreicht (der übrigens auch den nicht unerheblichen Eigenbedarf der Atom- und Kohlekraftwerke umfasst). Während in den vergangenen Jahren meist ein Anstieg von zwei, manchmal auch drei Prozentpunkten pro Jahr erreicht wurde, will das Wirtschaftsministerium das Wachstum auf rund ein Prozent jährlich begrenzen. Das dürfte eine wirklich einmalige Zielsetzung eines deutschen Wirtschaftsministeriums sein.

Begründet wird diese Politik des Drosselns damit, dass Zeit für die Anpassung des Energiesystem benötigt werde. Doch was das im Einzelnen heißt, wird nicht ausgeführt. Weder werden die durchaus vorhandenen Probleme identifiziert, noch ein Zeitrahmen für deren Behebung skizziert. Von Plänen für die notwendige Anpassung der Leitungen und des Lastmanagements oder für den Bau und die Entwicklung von Speichertechnologie ist mit keinem Wort die Rede.