Macht Unglück krank?

Sollte sich meterweise Ratgeberliteratur irren? Einer britischen Studie zufolge fallen glückliche Menschen genauso oft einer tödlichen Krankheit zum Opfer wie gesunde.

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Von
  • Inge Wünnenberg

Sollte sich meterweise Ratgeberliteratur irren? Einer britischen Studie zufolge fallen glückliche Menschen genauso oft einer tödlichen Krankheit zum Opfer wie gesunde.

Es ist schwierig, lang gepflegte Überzeugungen über Bord zu werfen. Entsprechend überrascht las ich in der New York Times von einer Studie britischer Mediziner. Sie haben bei rund 1 Million Frauen von der Insel den Zusammenhang zwischen Gemütszustand und körperlicher Gesundheit erforscht. Und das Ergebnis, veröffentlicht im Fachjournal The Lancet, fiel ganz anders aus, als ich gemeinhin erwartet hätte. Noch vor wenigen Tagen hätte ich im Brustton der Überzeugung verkündet, dass persönliches Glück durchaus vor Krankheit schützen kann. Nicht zuletzt stützen diese Position ganze Bücherstapel an Ratgeberliteratur.

Genau das Gegenteil aber haben die britischen Forscher herausgefunden. "Lebensglück und damit verbundenes Wohlbefinden scheinen keinen direkten Effekt auf die Sterblichkeit zu haben." Das bedeutet Entlastung für alle Miesepeter, Pessimisten und Hypochonder! Denn ihnen kann man nun wohl nicht mehr anlasten, Krankheiten durch ihre negative Einstellung erst heraufzubeschwören.

Verblüffenderweise stellen die Wissenschaftler um Richard Peto, Professor an der University of Oxford und einer der Autoren der Studie, den bislang akzeptierten Allgemeinplatz sogar auf den Kopf: Sie postulieren, dass frühere Studien Ursache und Wirkung verwechselten. Nicht das Unglück mache die Menschen krank, sondern es sei genau andersherum – kranke Menschen seien unglücklich.

Kritiker der Studie jedoch stören sich an der schwammigen Begrifflichkeit. "Betrachten Sie alles, was in Ihrem Leben vor sich geht, und sagen Sie mir, wie glücklich Sie sind." Die Selbsteinschätzung der Frauen scheint ein maßgeblicher Knackpunkt zu sein, zumal selbst die Autoren der britischen Untersuchung Bedarf für weitere Forschung einräumen. So bezweifelt etwa Peto letztlich die Überzeugungskraft der aktuellen Studie: Der Glaube an die Gefahren des Unglücks sei zu tief verwurzelt.

Immerhin lässt die Wissenschaftler das eingestandene Elend der teilnehmenden Frauen nicht kalt: "Unglück beeinträchtigt vielleicht nicht direkt die Gesundheit, aber es kann auf anderen Wegen schaden, indem es Menschen in den Selbstmord, Alkoholismus oder gefährliches Verhalten treibt", konstatierte Richard Peto der New York Times zufolge. Na, wer sagt es denn: Unglück macht doch krank! (inwu)