Zum Tode von Peter Naur: Schlimmer als denkende Maschinen sind Menschen, die nicht nachdenken

Im Alter von 87 Jahren ist der Informatiker Peter Naur nach kurzer, schwerer Krankheit im dänischen Herlev gestorben. Er wurde als Herausgeber des Algol Bulletins bekannt.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 36 Kommentare lesen
Zum Tode von Peter Naur" "Schlimmer als Computer, die denken könnten, sind Menschen, die nicht nachdenken"

(Bild: Duo Duo Zhuang)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Detlef Borchers
Inhaltsverzeichnis

Peter Naur wurde am 25. Oktober 1928 in Frederiksberg bei Kopenhagen als drittes Kind einer Künstlerfamilie geboren. Bereits in der Schulzeit entwickelte er ein ausgeprägtes Interesse an der Astronomie, die er ab 1947 an der Universität Kopenhagen studierte. Mit dem Magister-Abschluss ging Naur nach Großbritannien, wo er 1950/51 den EDSAC-Computer programmierte, um Planetenbahnen berechnen zu können.

Nach Angaben des EDSAC-Konstrukteurs Maurice Wilkes war dies der erste Einsatz eines Computers für astronomische Zwecke. Nach Aufenthalten an verschiedenen Observatorien arbeitete Naur von 1953 bis 1959 als Forschungsassistent am Observatorium in Kopenhagen und beriet die dänische Firmen Regnecentralen bei der Konstruktion des ersten dänischen Computers, dem Dansk Aritmetisk Sekvens Kalkulator (DASK). 1959 wechselte er das Fach und entwickelte bei der Regnecentralen zusammen mit Jörn Jensen DASK Algol. Als Herausgeber des Algol Bulletins prägte er die Entwicklung von Algol. Er war einer der 13 Wissenschaftler, die Algol 60 fast fertigstellten.

In diese Zeit fiel seine Bekanntschaft mit John Backus. Dieser hatte damals an einem IBM Think Tank Seminare beim ehemaligen ORDVAC-Programmierer Martin Davis belegt, in denen dieser sich intensiv mit der Aussagenlogik seines Lehrers Emil Post beschäftigte. Backus entwickelte aus diesen Gedanken heraus die Idee einer kontextfreien Grammatik, die er auf der UNESCO-Konferenz über Algol im Juni 1959 vortragen wollte. "Natürlich hatte ich das Abgabedatum meines Papers für die Proceedings verpasst und reiste mit ein paar Abzügen meines Vortrages nach Paris. So wurde es nicht sonderlich beachtet. Aber Peter Naur las es und das machte den ganzen Unterschied aus. Peter schrieb eine wunderbare Zusammenfassung", erinnerte sich Backus später. Diese Form der Zusammenarbeit wurde in der Informatik als Backus-Naur-Form bekannt, nach einem Vorschlag von Donald Knuth. Naur selbst bevorzugte Zeit seines Lebens den Terminus Backus-Normalform.

Nachdem Naur schon während seiner Zeit in der Rechenzentrale Vorlesungen und Übungen zum Programmieren angeboten hatte, wurde er 1969 als Professor für Computerwissenschaften an die Universität Kopenhagen berufen und benannte das neue Fach Datalogie beziehungsweise Datalogy, da er Computer Science verabscheute. Am DIKU lehrte Naur bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1998. Daneben gründete er die Dansk Selskab for Datalogi, das dänische Pendant zur Gesellschaft für Informatik und hielt in Rundfunk und Fernsehen zahlreiche populäre Vorträge, die Ängste vor dem Computer abbauen sollten.

Frühzeitig mit dem Themengebiet der Künstlichen Intelligenz und den Beiträgen von Alan Turing beschäftigt, erläuterte er diese und schrieb 1954 für ein Magazin: "Die Idee, dass Maschinen denken können, mag einige Leute verstören. Es hat den Eindruck, dass diese Möglichkeit für sie ein Albtraum ist, der Eintritt in eine maschinisierte Welt, in der der Mensch ein Sklave der Maschine ist. So eine Angst findet dieser Autor unbegründet. Er ist vielmehr besorgt, dass Menschen nicht mehr denken können, als dass es Maschinen gibt, die vielleicht denken." In seinem Werk, das rund 250 Aufsätze und andere Veröffentlichungen umfasst, hat Naur seine wichtigsten Schriften zur Datalogie in dem Band Computing: A Human Activity zusammengefasst.

Nach seiner Emeritierung widmete sich Naur unter dem Eindruck von William James und seiner "Principles of Psychology" der Aufgabe, eine grundsätzliche Kritik der Philosophie und Psychologie voranzutreiben. Er veröffentlichte ein Antiphilosophisches Lexikon, das kein gutes Haar an den Philosophen von A wie Aristoteles bis W wie Wittgenstein übrig ließ. Von James ausgehend, entwickelte er eine synaptische Theorie geistiger Prozesse, die ihn dazu führte, Computern die Denkfähigkeit abzusprechen, wie dies in einem Youtube-Video zu sehen ist. Daneben beschäftigte sich der Musikliebhaber Naur mit der Detail-Analyse der Symphonien von Joseph Haydn und der Alzheimer-Krankheit als Synapsen-Problem.

Für seine vielfältigen Arbeiten wurde Peter Naur 1986 mit der Pionier-Medaille der IEEE und 2005 mit dem Turing Award geehrt. Zeitweilig war Naur mit der deutschen Informatikerin Christiane Floyd verheiratet. Von seinen vier Kindern sind die Söhne Informatiker geworden, die Töchter Musikerinnen. (axk)