Wer fördert das Tiefseewissen?

Die XPRIZE-Stiftung hat mit Shell einen Wettbewerb zur Erforschung der Ozeane initiiert. Der Shell Ocean Discovery XPRIZE ist die dritte Challenge der US-Organisation zum Wohle der Meere, aber Shell darf man wohl auch ein Eigeninteresse unterstellen.

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Von
  • Inge Wünnenberg

Die XPRIZE-Stiftung hat mit Shell einen Wettbewerb zur Erforschung der Ozeane initiiert. Der Shell Ocean Discovery XPRIZE ist die dritte Challenge der US-Organisation zum Wohle der Meere, aber Shell darf man wohl auch ein Eigeninteresse unterstellen.

Mond und Mars scheinen wir schon beinahe besser zu kennen als die Ozeane, die etwa zwei Drittel unseres Planeten bedecken. "95 Prozent der Tiefsee sind uns noch immer ein Rätsel", stellte Peter Diamandis, Geschäftsführer der amerikanischen XPRIZE-Stiftung, jetzt noch einmal heraus. Vor Kurzem startete die gemeinnützige Organisation nach der Wendy Schmidt Oil Cleanup XCHALLENGE und dem Wendy Schmidt Ocean Health XPRIZE bereits den dritten Wettbewerb, der mehr Licht ins Dunkel der Meere bringen soll.

Gemeinsam mit dem Ölkonzern Shell lobte Diamandis nun den mit 7 Millionen US-Dollar dotierten Shell Ocean Discovery XPRIZE aus: Bei dem auf drei Jahre angelegten Wettbewerb sollen die teilnehmenden Teams die Technik für die unbemannte Erkundung der Ozeane weiterentwickeln. Allein eine Million des Preisgeldes steuert indes die US-amerikanische National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) bei. Dieser Bonuspreis ist gedacht für Teams, die mit ihrer Technologie aufgrund von biologischen oder chemischen Signalen im Ozean bestimmte Objekte "erschnuppern" können.

Während des Wettbewerbs werden den Teams in jeder Runde eine Reihe von Aufgaben gestellt. Dazu zählen die Erstellung einer Karte des Meeresbodens, die Aufnahme hochauflösender Bilder eines bestimmten Objekts sowie die Erkennung archäologischer, biologischer und geologischer Merkmale. Außerdem müssen die Teilnehmer nachweisen, dass sie mit ihrer von der Küste oder aus der Luft startenden Technik in einer Tiefe von bis zu 4.000 Metern arbeiten können.

So weit, so gut. Der Fokus von XPRIZE hinsichtlich der insgesamt auf zehn Jahre angelegten "Ocean Initiative" liegt der Organisation zufolge darauf, entscheidende Aufgaben der Meeresforschung anzugehen und dazu beizutragen, dass die Meere gesund sind, wertgeschätzt und besser verstanden werden. Ein äußerst begrüßenswertes Unterfangen also. In diesem Zusammenhang irritiert jedoch die enge Zusammenarbeit mit einem Ölmulti wie Shell: Macht man hier nicht den Bock zum Gärtner?

Das große Interesse des Shell-Konkurrenten BP an den Schätzen unter dem Meeresboden hat bekanntlich nach der Explosion der Bohrplattform Deepwater Horizon im Golf von Mexiko zu einer unvergleichlichen Umwelt-Katastrophe geführt.

Auch Shell hat sich mit seiner Ölförderung in Nigeria nicht gerade mit Ruhm bekleckert, sondern war dort ebenso mitverantwortlich für die Verseuchung großer Flächen: Erst kürzlich kritisierte Amnesty international einem Bericht von spiegel online zufolge, dass das Nigerdelta noch immer stark mit Öl verschmutzt sei. Der Mineralölkonzern Shell habe die Gebiete nicht ausreichend gesäubert – entgegen seiner eigenen Angaben.

Dass sich Shell nun für die Weltmeere engagieren will, scheint auf den ersten Blick nur recht und billig. Dass allerdings der Einsatz des Unternehmens frei von wirtschaftlichen Interessen sei, hat David Schewitz bei der Vorstellung der Challenge wohl mit keinem Wort erwähnt. "An der Zusammenarbeit mit XPRIZE interessiert uns besonders die Möglichkeit, Innovationen voranzubringen und radikale Durchbrüche bei der Erkundung der Meere zu schaffen", sagte Schewitz, Vice President Geophysik für Nord- und Südamerika bei Shell, vielmehr. Und ergänzte: "Bei Shell sind wir uns der Notwendigkeit bewusst, das vollständige Potenzial von Innovationen zu nutzen: die Möglichkeit, mit neuen Methoden noch besser als zuvor zu arbeiten."

Spätestens nach dieser Einlassung ist klar: Letztendlich geht es hier wohl nicht nur um die Förderung von Wissen, sondern am Ende auch um die Förderung von Öl. Naiv, wer andere Erwartungen in eine solche Kampagne setzt. (inwu)