Griechenland: Rigoros gegen Rentner!

Im Zuge des Kampfes gegen die Steuer- und Abgabenflucht häufen sich die Fälle eines fragwürdigen Erfolgskonzeptes des Finanzamts

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Es ist in Deutschland durchaus üblich, dass auf organisierten Flohmärkten aber auch bei spontanen Verkaufsaktionen in der Nachbarschaft Dinge des Haushalts verkauft werden. Internetbenutzer verkaufen zudem Teile ihrer nicht benötigten Habe über einschlägige Internetseiten und Auktionshäuser. Außer bei gewerblichen Händlern gibt es in den seltensten Fällen eine steuerliche Anmeldung der privaten Verkäufe. Nicht so in Griechenland.

Hier häufen sich im Zuge des propagierten Kampfes gegen die Steuer- und Abgabenflucht die Fälle eines durchaus fragwürdigen Erfolgskonzeptes des Finanzamts. Mal wird wie auf Kreta eine Achtzigjährige zu 5.000 Euro Strafzahlungen verdonnert, weil sie Gemüse aus dem eigenen Garten zur Aufbesserung der kargen Rente vor einer Kirche feil bot. Ein anderes Mal erwischt es eine Seniorin, die auf dem Festland Maiskolben verkauft, wieder wird die Strafe auf 5.000 Euro festgelegt.

Doch was Weihnachten in Thessaloniki geschah und jetzt bekannt wurde, sprengt jegliche Vorstellungskraft von der Schärfe des Gesetzes. Eine fünfundsechzigjährige Seniorin ohne eigene Rente wurde erwischt, als sie einen Kerzenständer, eine Salatschüssel und einige selbstgehäkelte Handarbeitsstücke am Rand eines Wochenmarktes verkaufte. Die Frau hat Brustkrebs, ihre Brüste wurden bereits amputiert. Allerdings muss sie nun weiter behandelt werden und kann von den 380 Euro Monatsrente ihres Gatten unmöglich auch noch die Medikamentenkosten bestreiten. Zumal die Familie auch noch die arbeitslosen Kinder versorgen muss.

Diese im Übrigen verifizierte Tatsache teilte sie den Polizisten, die sie festnahmen, mit. Es half nichts. Die Dame wurde zum anderen Ende der Stadt transportiert, stundenlang festgehalten und schließlich mit einem Strafbescheid entlassen. 10.000 Euro muss sie für ihr Vergehen zahlen, ansonsten droht die Pfändung der Wohnung oder der Rente des Gatten, weil für steuerliche Vergehen und Schulden keine Schutzmechanismen für Schuldner greifen.

Es ist abzusehen, dass die Summe nicht aufgebracht werden kann und wie zahlreiche weitere Fälle in der vom Staat gern präsentierten Statistik der Steuerhinterziehung auftaucht. Denn viele der in Medien oft zitierten Milliarden, welche die Griechen dem Fiskus schulden sollen und welche das mediale Zerrbild eines Staats notorischer Steuersünder entscheidend prägten, stammen aus solchen unverhältnismäßig hohen Strafbefehlen.

Die beschlagnahmten, zum Verkauf angebotenen Gegenstände der Dame wurden übrigens, wie aus amtlichen Protokollen ersichtlich, von der Polizei zerstört und entsorgt. Den Polizisten war ihr Dienst zudem offenbar nicht besonders angenehm. Sie fuhren die mittellose Frau mit dem Streifenwagen nach Hause und wünschten ein frohes Weihnachtsfest.