Schweden knickt vor Marokko ein

Nach dem Boykottaufruf durch das autokratische Königreich will Stockholm nun die besetzte Westsahara doch nicht anerkennen

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Eigentlich hatte das schwedische Parlament es 2011 längst beschlossen, die Demokratische Arabische Republik Sahara (DARS) anzuerkennen, die zum großen Teil von Marokko besetzt ist. Doch dazu wird es nicht kommen, hatten schon am Wochenende erste Medien in Schweden berichtet und angekündigt, dass die schwedische Außenministerin am Montag eine entsprechende Erklärung abgeben werde.

Die ehemalige Vizepräsidentin der Europäischen Kommission und ehemalige UN-Sonderbeauftragte zum Thema sexuelle Gewalt in Konflikten werde formaljuristisch argumentieren. Denn sie bezieht sich auf einen Bericht des schwedischen Botschafters für Tunesien und Libyen. Darin soll Fredrik Florén zur Ansicht gelangt sein, dass eine Neubestimmung der Politik notwendig sei. Die "vom internationalen Recht geforderten Kriterien für die Anerkennung der Demokratischen Arabischen Republik Sahara sind nicht erfüllt", schreibt er in einem Bericht, aus dem die marokkanische Internetzeitung "Le360" zitiert. Demnach habe Schweden keine Absicht mehr, die DARS anzuerkennen, schreibt Florén.

Damit vollzieht Schweden eine ähnliche Rolle rückwärts wie in der Flüchtlingspolitik und bestätigt damit die Einschätzung, dass die "Großmacht der Humanität" abdankt. Eigentlich war Schweden auch in der Frage der seit 1975 völkerrechtswidrig von Marokko besetzten Westsahara fortschrittlich. Ein entsprechendes Gesetz zur Anerkennung der DARS sollte im schwedischen Parlament verabschiedet werden, womit das erste EU-Land die Republik anerkannt hätte. Die DARS wurde seit ihrer Ausrufung 1976 von insgesamt 85 Staaten anerkannt.

Marokko, das seit 1991 die Durchführung des Referendums über die Unabhängigkeit der Westsahara hintertreibt, das Grundlage der Waffenruhe mit der Befreiungsfront "Polisario" war, ist natürlich erfreut, dass die Erpressungsstrategie aufgegangen ist. Rabat sieht damit seine "Autonomielösung" unterstützt, mit der sich das autokratische Königreich auch weiter den Zugriff auf die Ressourcen der besetzten Gebieten sichern will. Es geht dabei nicht nur um die reichen Fischgründe vor der Westsahara, sondern auch um Öl. Das Land hat mit den USA und Frankreich auch schon Verträge über die Untersuchung und Verwertung der Ölvorkommen in dem umstrittenen Gebiet.

Um Druck auf Schweden wegen der bevorstehenden Anerkennung der DARSs zu machen, hatte Marokko im vergangenen September die Eröffnung des ersten Ikea-Markts in Casablanca verhindert und allgemein zum Boykott gegen Schweden und schwedische Produkte aufgerufen. In marokkanischen Medien wird deshalb gefeiert, dass man siegreich gewesen sei. Das Land habe den "Spieß umgedreht", weil Schweden die "Stabilität, die territoriale Integrität und die wirtschaftlichen Interessen" Marokkos verletze. Allein der schwedische Möbelkonzern will fünf Läden in Marokko eröffnen.

In Schweden meinte der Völkerrechtsexperte Ove Bring, die Entscheidung habe mit den Ambitionen seines Landes auf einen Platz im UN-Sicherheitsrat zu tun. Schweden stehe bereits im Konflikt mit Saudi-Arabien und Israel und wolle nicht auch noch Streit mit Marokko, das die Unterstützung vieler afrikanischer Staaten genieße.

Vermutlich spielt aber auch die Flüchtlingskrise in diese Frage hinein. Schließlich ist Marokko stets ein wichtiger Partner der EU bei der Flüchtlingsabwehr und geht dabei alles andere als freundlich mit den Menschen um. Marokko kann Druck auch darüber ausüben, dass es abgelehnte Antragsteller aus EU-Staaten nicht zurücknimmt, wie schon längst kritisiert wird.