Wikipedianer lehnen sich gegen Wikimedia-Vorstand auf

Mit einem inoffiziellen Misstrauensvotum wollen Wikipedianer ein Vorstandsmitglied zum Rücktritt drängen. Der ehemalige Google-Manager will jedoch nicht gehen.

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Arnnon Geshuri

Seine Berufung in den Board of Trustees entzündet neuen Streit in der Wikimedia-Welt: Arnnon Geshuri

(Bild: Myleen Hollero (CC-BY-SA 3.0))

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Torsten Kleinz

Kaum sind die Feierlichkeiten zum 15. Geburtstag der Online- Enzyklopädie Wikipedia vorbei, hängt der Haussegen der Wikimedia Foundation wieder schief. Aktueller Streit-Zündfunke ist die Berufung des ehemaligen Google-Managers Arnnon Geshuri in das "Board of Trustees", dem höchsten Entscheidungsgremium der US-Stiftung. Wikipedianer werfen dem Manager vor, an den illegalen Gehaltsabsprachen zwischen Google, Apple, Intel und Adobe beteiligt gewesen zu sein, und wollen ihn mit einem inoffiziellen Misstrauensvotum zum Rücktritt bewegen.

An der Abstimmung beteiligten sich inzwischen 283 Wikipedianer, davon stimmten 262 für die Abdankung Geshuris aus dem Gremium, dem sie zudem Untätigkeit vorwerfen. So hatten Community-Mitglieder direkt nach der Bekanntgabe der Berufung Geshuris, Aufklärung über dessen Vergangenheit verlangt. Sie werfen Geshuri insbesondere vor, eine Mitarbeiterin fristlos entlassen zu haben, die entgegen der illegalen Absprache einen Apple-Mitarbeiter abwerben wollte. Da das Board jedoch nicht reagierte, kam es zur Eskalation mit der Community.

Zu den Kritikern gehört auch Florence Devouard, die ehemalige Vorsitzende des Board of Trustees. Derzeit gehören dem obersten Entscheidungsorgan der US-Stiftung zehn Mitglieder an, die ehrenamtlich über den Wikimedia-Kurs bestimmen. Die Mitglieder werden teils gewählt, teils vom Vorstand selbst bestimmt.

Erst nachdem der Streit von ersten Medien aufgegriffen worden war, meldeten sich Geshuri und das Board of Trustees nun zu Wort. In einer Nachricht an die Mailingliste der Foundation beruft sich der Personalmanager darauf, lediglich Firmenpolitik umgesetzt zu haben, geht aber nicht näher auf die Vorwürfe ein. Er wolle seinen Posten nicht räumen, sondern mit seiner Arbeit um Vertrauen aus der Community werben.

Zumindest vorläufige Rückendeckung bekommt er von seinen Kollegen im Board of Trustees. So schreibt Vize-Vorsitzende Alice Wiegand: "Wir stellen klar, dass Arnnon einstimmig gewählt wurde und wir immer noch denken, dass er ein wertvoller Bestandteil des Teams ist." Diese Einlassungen beruhigen die Community jedoch bisher nicht. Weitere Rücktrittsforderungen folgten.

Der aktuelle Konflikt ist Teil eines größeren Streits über die Ausrichtung der Wikipedia-Trägerorganisation. Kritiker werfen der Stiftung vor, zunehmend wie ein Silicon-Valley-Unternehmen zu agieren und die Community zu ignorieren. Insbesondere das enge Verhältnis zu Google lässt Wikipedia-Autoren befürchten, dass der Konzern die Enzyklopädie als eine Art Faktensteinbruch ausbeutet. Diese Befürchtung teilen aber nicht alle Wikipedianer: So wurde der langjährige Leite von Wikidata und heutige Google-Angestellte Denny Vrandečić erst 2015 als Community-Vertreter in das Board of Trustees gewählt.

Unterdessen wirft James Heilman, der Ende 2015 ohne nähere Begründung aus dem Gremium entlassen worden war, der Stiftung generell Intransparenz vor. Der umstrittene Visual Editor sei im Jahr 2014 nur deshalb online gegangen, weil sich die Wikimedia Foundation gegenüber einem Geldgeber dazu verpflichtet habe. Im Februar will Heilman E-Mails aus seiner Vorstandsarbeit veröffentlichen, sofern das Board keine Geheimhaltung begründen könne. Wikimedia-Gründer Jimmy Wales kommentierte die Vorwürfe Heilmans als "Bullshit". (anw)