Mit dem Strafrecht gegen Rechts?

Das Verbot des Portals Altermedia, das auch in rechten Kreisen praktisch keine Bedeutung mehr hatte, und die Anklage gegen die Betreiber als kriminelle Vereinigung führen zu Fragen

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Selbst in rechten Kreisen hat das Verbot des Onlineportals Altermedia kaum Reaktionen ausgelöst. Die Gründe waren sicher unterschiedlich. Heute angesagte rechtspopulistische Seiten wie PI-News wollten mit der rechten Konkurrenz nie viel zu tun haben. Schließlich war bei Altermedia der Bezug zum Nationalsozialismus unverkennbar.

Doch ein weiterer Grund für die geringe Resonanz lag auch daran, dass Altermedia in den rechten Kreisen schon längst massiv an Bedeutung verloren hat. Als "braunes Echo aus der Vergangenheit" wurde dieses Portal richtig bezeichnet. Der Bedeutungsverlust liegt einerseits darin, dass eben modernere Ultrarechte zumindest offiziell eine Distanz zum NS bewahren und den Antisemitismus besser codieren. So galt Altermedia in der Szene als ewig-gestrig.

Ein weiterer Grund für den Bedeutungsverlust ist die Veränderung der Mediennutzung. Auch Indymedia, die nichtrechte globalisierungskritische Plattform, die von Altermedia kopiert wurde, hat an Bedeutung und Reichweite verloren. Zudem galt Altermedia wegen der anonymen Verbreitung von Informationen als Dreckschleuder und Spaltungsinstrument.

Wenn Internetbetreiber zu einer kriminellen Vereinigung werden

Die Frage muss da schon erlaubt sein, warum ein Internetportal verboten wird, das selbst in der eigenen Szene kaum noch relevant war.Zudem hat die Generalbundesanwaltschaft die Seite nicht nur verboten, sondern auch die vermeintlichVerantwortlichen wegen Bildung einerkriminellen Vereinigung angeklagt. Zwei der Verdächtigen sitzen in Untersuchungshaft. In der Pressemitteilung der Generalbundesanwaltschaft heißt es zur Begründung:

"Nach dem Ergebnis der Ermittlungen betrieben die Festgenommenen gemeinsam mit drei weiteren namentlich bekannten Beschuldigten das im deutschsprachigen Raum führende rechtsextremistische Internetportal "Altermedia Deutschland". Nach dem Willen ihrer Betreiber dient die Internetseite der massenhaften und systematischen Verbreitung rechtsextremistischen und nationalsozialistischen Gedankenguts. Neben verbotenen nationalsozialistischen Grußformeln und Parolen werden auch volksverhetzende Äußerungen veröffentlicht. Diese reichen von Gewaltaufrufen gegen in Deutschland lebende Ausländer über die Verächtlichmachung von Menschen anderen Glaubens und anderer Hautfarbe bis hin zur Leugnung des Holocausts.

Jutta V. und Ralph Thomas K. waren nach den bisherigen Erkenntnissen als Administratoren für die inhaltliche Ausrichtung des Internetportals verantwortlich und hatten umfassende Zugriffsrechte auf dessen Betriebsstruktur. Gemeinsam mit den weiteren drei Beschuldigten überprüften sie – so das Ergebnis der bisherigen Ermittlungen - die von den Nutzern der Internetplattform verfassten Beiträge im Hinblick auf die ideologischen Vorgaben von "Altermedia Deutschland" und schalteten sie anschließend auf der Internetseite frei."

Die Beschuldigten übten demnach eben eindeutig die Moderatorentätigkeit aus. Ihnen wird nicht vorgeworfen, die Beiträge selber verfasst oder Autorinnen und Autorengesucht und angeleitet zu haben. Sie kontrollierten vielmehr, ob die Beiträge der politischen Linie des Internetportals entsprechen und stellten sie dann online. Diese Tätigkeit soll nun als kriminelle Vereinigung geahndet werden.

Es hätte durchaus auch andere juristische Wege gegeben, die Altermedia-Verantwortlichen juristisch anzuklagen. Je nach den Inhalten der Beiträge, für die Moderatoren dann natürlich die Verantwortung tragen, weil sie letztlich entscheiden, was veröffentlicht wird, hätte es Anklagen wegen Volksverhetzung, Beleidigung, Holocaustleugnungund vieler anderer Straftatbestände geben können. Mit dem Konstrukt der kriminellen Vereinigung wird der Repressionsdruck zweifelsohne erhöht.

Nun waren die Altermedia-Inhalte in der Regel oft kaum kaschierte NS-Propaganda. Doch warum nun ausgerechnet in der einer Zeit, in der Altermedia an Bedeutung verloren hat, mit einer solch großen juristischen Keule dagegen vorgegangen wird, ist nicht recht klar. Der Einschüchterungseffekt wird sicher eine wichtige Rolle gespielt haben. Der zielt nicht nur auf die politische Rechte. Auch Betreiber und Moderatoren von linken Interplattformen könnte estreffen, sollte sich die Generalbundesanwaltschaft mit ihrer Anklage durchsetzen.

Anzeige wegen Drohungen gegen Journalisten

Auch die Berliner Zeitung hatte vor einigen Tagen angekündigt, dass sie künftig gegen User vorgehen will, die ihre Redakteure in sozialen Netzwerken bedrohen und diffamieren. Da wäre zunächst zu fragen, wo eine scharfe Polemik endet und eine Diffamierung anfängt. Eine Anzeige soll von der Berliner Zeitung wegen eines hetzerischen Kommentarsschon gegen die Twitter-Nutzerin Juliegestellt worden sein. In der Berliner Zeitung heißt es:

"Sie schreibt unter ihrem Account @MissKittyKawaii an unseren Redakteur: "Erweise Deutschland einen Dienst und scheide freiwillig aus dem Leben." Kurze Zeit später erklärt sie, es sollte legal sein, unsere Autoren "wenigstens die Fresse zu polieren". Andere bezichtigen den Journalisten der Hetze – und schlimmer noch."

Auch hier bleibt wieder die Frage, ab wann eine Meinung zum Delikt wird. Ist die Grenze tatsächlich schon erreicht, wenn man einen Journalisten der Hetze bezichtigt? In dem konkreten Fall ging es um die für 30 Stunden verschwundene Tochter einer deutschrussischen Familie und die sich darum rankenden Verschwörungstheorien. Doch könnte auch die rechte Presse bald in das Spiel einsteigen und Kommentare und Postings von Kritikern zum Delikt machen.

Warum fährt man nicht mit der lange geübten Praxis fort, rassistische, antisemitische und beleidigende Texte konsequent zu löschen und die Verantwortlichen unter Umständen zu sperren, wenn sie immer wieder durch solche Kommentare auffallen?