"Privacy Shield": Bürgerrechtler schießen scharf gegen geplanten Datenschutzschild

Zivilgesellschaftliche Beobachter haben starke Zweifel an der Tragfähigkeit des noch wolkigen Safe-Harbor-Nachfolgers. Es bringe nichts, die Grundrechte der EU-Bürger mit dem Austausch von Briefen absichern zu wollen. Die Wirtschaft ist zuversichtlicher.

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Die EU-Kommission hat nach eigenen Angaben bei den Verhandlungen über eine neue transatlantische Safe-Harbor-Übereinkunft alle ihre Ziele erreicht und den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) entsprochen, der das Vorgängerabkommen im Oktober gekippt hatte. Die US-Seite habe beim geplanten "EU-US Privacy Shield" sogar zugesagt, europäische Daten künftig keiner "unterschiedslosen Massenüberwachung" mehr zu unterziehen, heißt es in Brüssel. Nicht nur Bürgerrechtler haben daran ihre Zweifel.

Solange die schriftliche Zusicherung Washingtons, den Zugang der Sicherheitsbehörden zu Daten von EU-Bürgern klar zu beschränken und besser zu kontrollieren, nicht in ein Gesetz und ein bilaterales Abkommen gegossen werde, sei sie gerade im letzten Jahr der Amtszeit der gegenwärtigen US-Regierung "nichts wert", erklärte Werner Hülsmann von der Deutschen Vereinigung für Datenschutz (DVD). Es bringe nichts, "bindende Zusagen" nur über den Austausch von Briefen machen zu wollen.

In einer Erklärung des US-Wirtschaftsministeriums ist nur schwammig davon die Rede, dass ein "spezifischer Kanal" für EU-Bürger eingerichtet werden soll, um "Fragen zu Funkaufklärungsaktivitäten im Hinblick auf den Privacy Shield vorzubringen". Als Teil dieses Prozesses verpflichte sich Washington, auf einschlägige "sachgerechte Anfragen im Einklang mit den Verpflichtungen der nationalen Sicherheit zu antworten". Generell würden die Datenschutzbestimmungen "unabhängig und energisch" durchgesetzt.

Dass ein Ombudsmann für Beschwerden über geheimdienstliche Überwachung zuständig sein solle, hält der DVD-Vorstand Thilo Weichert für "rechtlich unsinnig". Bei derlei Grundrechtseingriffen bedürfe es eines rechtsstaatlichen Kontrollverfahrens, meint der frühere schleswig-holsteinische Datenschutzbeauftragte. Der derzeitige Vorschlag schütze die Privatsphäre der EU-Bürger keineswegs hinreichend.

Laut der Initiative European Digital Rights (EDRi) hat die Kommission dem Kaiser nur neue Kleider übergestreift. Diese könnten nicht verbergen, dass nicht nur in dem skizzierten, noch völlig unreifen und löchrigen Schutzschild schwere Fehler vorhanden seien, sondern auch in damit zusammenhängenden zusätzlichen Rechtsinstrumenten. Die Bürgerrechtsorganisation verweist insbesondere auf den Entwurf für einen Judicial Redress Act, der EU-Bürgern eigentlich ein Klagerecht in den USA in Datenschutzfragen eröffnen soll. Ferner habe der US-Gesetzgeber mit dem Cybersecurity Act Fakten geschaffen, der Unternehmen einen Freibrief zum Datentransfer an nationale Geheimdienste ausstelle.

Konstantin von Notz, Vizefraktionschef der Grünen im Bundestag, sprach von einer "reinen Mogelpackung" und "bloßer Ankündigungspolitik". Die linke EU-Abgeordnete Cornelia Ernst warf der Kommission vor, den Knall der Snowden-Enhüllungen nicht gehört zu haben. Brüssel habe "sich wieder einmal von den USA über den Tisch ziehen lassen". Die Piraten sehen die Kommission angesichts der unverbindlichen Versprechungen gar "als Wiederholungstäter bei der Verletzung unserer Grundrechte".

Der Digitalverband Bitkom begrüßte die Einigung dagegen als "wichtigen Schritt zu mehr Rechtssicherheit beim Datenaustausch mit den USA". Die US-Regierung müsse nun zu ihrem Wort stehen, die Übereinkunft sich "in der Praxis bewähren". Laut der American Chamber of Commerce in Deutschland haben die USA und die EU mit den überarbeiteten Transferabkommen "politische Handlungsfähigkeit auf einem zentralen wirtschaftspolitischen Feld bewiesen". Mittelfristig müsse es aber zu einer Reform der transatlantischen Rechtshilfeabkommen kommen, um "gemeinsame Standards für grenzüberschreitende Zugriffsmöglichkeiten zu entwickeln".

Entscheidend sei jetzt "eine verbindliche und tragfähige Regelung für die Zukunft, die den Unternehmen Rechtssicherheit garantiert", unterstrich der eco-Verband der deutschen Internetwirtschaft. Auch der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) sieht noch "wesentliche Fragen offen, die für eine rechtssichere Anwendung der neuen Regeln in der Praxis umgehend gelöst werden müssen".

Die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff freute sich, dass das Ultimatum der europäischen Aufsichtsbehörden maßgeblich dazu beigetragen habe, die festgefahrenen Gespräche zum Abschluss zu bringen. Es müsse nun sichergestellt werden, dass der neue Privacy Schild "auch wirklich seinen Namen verdient". (axk)