Die neuen Geldhändler

Das heute gebräuchliche Geld schöpft die Möglichkeiten und die Geschwindigkeit des Internets kaum aus. Neue Lösungen sind gefragt – Fintechs arbeiten daran.

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Von
  • Peter Glaser

Das heute gebräuchliche Geld schöpft die Möglichkeiten und die Geschwindigkeit des Internets kaum aus. Neue Lösungen sind gefragt – Fintechs arbeiten daran.

Geld wurde im Lauf der Geschichte mehrmals neu erfunden, von Muscheln bis zu Daten auf Kreditkarten. Smartphone-Payments und kryptografisches Netzgeld, das sich a la E-Mail von einem Nutzer zum anderen schicken läßt, ohne dass eine Bank zwischengeschaltet werden muß, sind die jüngsten Evolutionsschritte. Seit einem Jahr erforscht beispielsweise ein Team der Grossbank UBS bei Level 39 – einem britischen Inkubator für Fintech-Startups im 39. Stock eines Londoner Wolkenkratzers – die Möglichkeiten der neuen Geldwelt. Das Kunstwort aus Financial und Technology bezeichnet junge Unternehmen, die mit kundennahen Lösungen die Branche auf den Kopf stellen wollen. Eingehend wird mit der Blockchain-Technologie experimentiert, auf der die Kryptowährung Bitcoin basiert. Der Wert von Blockchain, so Forschungsleiter Alex Batlin, werde sich erst künftig zeigen – so wie bei dem Netzwerkprotokoll TCP/IP, das die Grundlage für die Entstehung des Internets bildete.

Überweisungen sind tagelang unterwegs und teuer, Banken sind schlecht vernetzt, die herkömmlichen Finanzdienstleister sind zu wenig kundenfreundlich. Fintechs wollen das nun ändern. Zur den neuen Mitbewerbern der klassischen Banken gehören auch die Anbieter von Payment-Lösungen. Die Firma Kesh etwa organisiert das Bezahlen von Smartphone zu Smartphone, auch wenn die Besitzer nicht beim selben Bezahldienst registriert sind. Weil die Laufzeit bargeldloser Überweisungen oft ein Ärgernis ist, hat die Europäische Zentralbank die Schaffung einer Plattform für Echtzeitzahlungen angeregt. Das von der Commerzbank unterstützte Start-up Traxpay hat ein Bezahlsystem dafür entwickelt. Barzahlen.de wiederum hat sich darauf spezialisiert, Online-Einkäufe ohne Kreditkarte oder Online-Banking zu ermöglichen. Der Käufer zahlt bar bei stationären Händlern wie Real oder in den Telekom-Shops.

Nun geht es nicht mehr darum, Kunden an eine Universalbank zu binden, die alle finanziellen Angelegenheiten zu erledigen verspricht, sondern um Lösungen für spezielle Bedürfnisse, etwa den schnellen Geldtransfer zwischen Verwandten und Freunden, komfortable Hilfsmittel wie Statistik-Tools in pfiffigen Apps, oder Aufwertungen herkömmlicher Verfahren durch neue, digitale Möglichkeiten. So bildet der gute, alte Einkauf auf Rechnung das Geschäftsmodell des schwedischen E-Commerce-Unternehmens Klarna. Beim Online-Kauf auf Rechnung erhält der Kunde die Ware, bevor er sie bezahlt hat -und der Verkäufer riskiert einen Zahlungsausfall. Klarna schaltet sich dazwischen, garantiert dem Händler die Zahlung, erhebt dafür aber beim Käufer eine Gebühr und bietet ihm dafür aber auch Ratenzahlung an. In Schweden werden inzwischen rund 20 Prozent aller Online-Einkäufe über Klarna abgeschlossen.

Es geht dabei nicht nur um Zahlungsmethoden. Den Großbanken Konkurrenz machen werden Fintechs künftig auch bei der Kreditvergabe an Kleinunternehmen. Über Plattformen wie Auxmoney oder Zencap finden junge Firmen schon jetzt, unter Umgehung von Banken, Zugang zu dringend benötigtem Kapital. In einer Welt, in der alles "entbündelt" wird – statt CDs kauft man nur noch einzelne Tracks –, gibt es auch Finanzdienstleistungen zunehmend à la carte. Die großen, monolithischen Banken, die früher jeden Aspekt der finanziellen Bedürfnisse abgedeckt haben, verlieren an Anziehungskraft gegenüber handverlesenen Diensten wie Simple (Onlinebanking) oder Snapcash (Direktüberweisungen), die einem die Kontrolle über jeden individuellen Aspekt der persönlichen Finanzen überlassen. Bei Startups wie Betterment, Robinhood oder Wealthfront helfen einem statt menschlicher Berater schlaue Algorithmen, sogenannte Robo-Advisors, die richtige Anlagestrategie zu finden.

Allein in Deutschland gibt es bereits mehr als 150 Fintechs. Anfangs wurden sie von den etablierten Geldinstituten belächelt, dann als Bedrohung wahrgenommen. Mittlerweile geht man Partnerschaften ein. Was in der Wunderwelt des digitalen Bezahlens noch auf uns zukommt, lässt ein Patentantrag erahnen, den Apple im Frühjahr letzten Jahres eingereicht hat. Um Werbung auf Mobilgeräten möglichst passgenau auszuspielen, hat man ein System entwickelt, welches das verfügbare Guthaben des Nutzers auf seinem Konto berücksichtigt. Um das Guthaben zu ermitteln, schlägt Apple vor, den Status einer Prepaid-Karte abzufragen oder das Abrechnungssystem eines Mobilfunkanbieters heranzuziehen; alternativ lasse sich der Kreditstatus bei der Bank oder einem Kreditkartenanbieter abfragen. Auch aus vorausgegangenen Einkäufen liesse sich das Guthaben erschliessen. Schöne neue Shopping-Welt: Man erhielte dann nur noch Anzeigen für Produkte, die man sich auch leisten kann. (bsc)