Schweizer Volk entscheidet über Nachrichtendienstgesetz

Eine breite Allianz aus Politik und Bürgerrechtlern hat genug Stimmen gesammelt: Jetzt dürfen die Schweizer über erweiterte Befugnisse ihres Geheimdienstes abstimmen.

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Schweizer Volk entscheidet über Nachrichtendienstgesetz
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Von
  • Tom Sperlich

In der Schweiz kam ein Referendum gegen das neue Nachrichtendienstgesetz (NDG) zustande. Mit ihm soll der Geheimdienst NDB erweiterete Befugnisse erhalten: das Eindringen in Computer, das Abhören von Telefonen, die Verwanzung von Privaträumen und neu, auch die Schlüsselwort-Überwachung von ins Ausland führenden Datenverbindungen (die sogenannte "Kabelaufklärung") sowie das Eindringen in ausländische Computersysteme und Netze. Das neue NDG wurde bereits von beiden Häusern des Schweizer Parlaments beschlossen.

Dagegen formierte sich vergangenes Jahr eine breite Allianz, das "Bündnis gegen den Schnüffelstaat", zu dem sich Vertreter von politschen Parteien wie die Grünen, Jusos und SP Schweiz, Piratenpartei sowie Organisationen wie die Digitale Gesellschaft oder Grundrechte.ch zusammentaten. Ihr erstes Ziel war: Die Sammlung von 50.000 Unterschriften, damit Schweizer Bürgerinnen und Bürger in einem Referendum über das NDG abstimmen können. Das Zwischenziel wurde nun erreicht: Am vergangenen Donnerstag gab die Bundeskanzlei bekannt, dass fast alle der weit über 50.000 Unterschriften gültig sind. Somit kommt das umstrittene Gesetz vors Stimmvolk, das damit das letzte Wort über den massiven Kompetenzausbau beim Staatsschutzes hat.

Die Gegner des neuen Nachrichtendienstgesetz warnen vor einer "Totalüberwachung". Der Nachrichtendienst (des Bundes – NDB) dürfe auf keinen Fall mehr Kompetenzen erhalten. Er verkomme von einer Behörde der defensiven Gefahrenabwehr zu einem offensiven Geheimpolizei-Apparat ausserhalb des rechtsstaatlichen Rahmens.

Der für das NDG verantwortliche, vorherige Verteidigungsminister Ueli Maurer (SVP), der mittlerweile Finanzminister wurde, sagte in einer der parlamentarischen Beratungen, dass es um heikle Fragen gehe. Beispielsweise kann die Regierung, der Bundesrat, anordnen, in ausländische Computersysteme und –netze einzudringen, um diese zu stören oder zu verlangsamen. Die Gegner des NDG befürchten, dass ein derartiges Vorgehen des Geheimdienstes "die Schweiz im Falle einer Eskalation von Cyber-Angriff und -Gegenangriff massiv gefährden würde".

Auch die neue Funk- und Kabelüberwachung, sprich hauptsächlich die Überwachung des Internets, aber auch die Kontrolle von SMS-Nachrichten seien Mittel der verdachtsunabhängigen Massenüberwachung, so das "Bündnis gegen den Schnüffelstaat".

Prekäre Entscheidungsfragen wie diese kämen allerdings laut Ex-Verteidigungsminister Maurer nur etwa zehn Mal pro Jahr vor. Alle Überwachungsmassnahmen wären außerdem genehmigungspflichtig: Zustimmen müsste jeweils neben dem Verteidigungsminister auch ein Richter des Bundesverwaltungsgerichts. Als einer der letzten strittigen Punkte im Parlament wurde vergangenen Herbst auch noch beschlossen, dass der Bundesrat eine neue, unabhängige Behörde zur Aufsicht über den Nachrichtendienst einsetzen wird.

Ein Termin für die Abstimmung steht noch nicht fest, sie könnte aber laut Medienberichten im Frühsommer stattfinden. (jo)