Marokko eröffnet angeblich "größtes Solarenergie-Kraftwerk"

Dabei ging nur die erste Baustufe mit 160 Megawatt bei Ouarzazate in Betrieb

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die marokkanische Stadt Ouarzazate ist längst ein Begriff für erneuerbare Energien. 2012 wurde dort in Anwesenheit von König Mohammed VI mit dem Bau des weltweit größten Solarthermiekraftwerks begonnen. Dessen erste Baustufe "Noor 1" (Licht) ist nun, mit deutlicher Verspätung, in Betrieb gegangen. Eingeweiht wurde die Anlage vom König mit "viel Pomp", meint die französische Tageszeitung "Le Monde". Begleitet haben den Autokraten dabei zum Beispiel die französische Umweltministerin Segoléne Royal oder der spanische Außenminister José Manuel García Margallo. Denn spanische Firmen sind an der Umsetzung des Projekts beteiligt, das die saudi-arabische Firma Acwa Power errichtet.

Mit dem Pomp wurde auch überspielt, dass es sich wahrlich nicht um das größte Solarkraftwerk handelt, wie in vielen Medien behauptet wird. Denn das bisher größte ist die Desert Sunlight Solar Farm in Kalifornien mit 550 Megawatt (MW) am Netz, die über Photovoltaik erzeugt werden. In Ouarzazate geht es aber um eine solarthermische Anlage, könnte man entgegnen, doch auch davon gibt es in den USA deutlich größere, die schon am Netz sind, wie die Ivanpah Solar Power Facility mit einer Leistung von fast 400 MW.

Der Komplex bei Ouarzazate. Bild: KFW

Ohnehin ging in der Sahara nur die erste Baustufe mit 160 Megawatt (MW) ans Netz. Die Anlage soll erst in den nächsten Jahren um weitere drei Baustufen (Noor 2-4) erweitert werden. Wenn sie dann tatsächlich die beachtliche Gesamtleistung von 580 Megawatt erreicht, könnte sie bestenfalls die größte Solaranlage werden, wenn angesichts der Verzögerungen nicht anderswo längst eine mit höherer Kapazität fertiggestellt wird. Dann werde Strom für rund 1,3 Millionen Menschen erzeugt, gibt die marokkanische Agentur für Solare Energiesysteme (Masen) an. Die staatliche Behörde ließ der König speziell dafür gründen, um den Ausbau des Solarstroms voranzutreiben.

Gesetzt wird auf die bewährte Technologie "Concentrated Solar Power" (CSP). Über Parabolspiegel werden die Sonnenstrahlen in einem Brennpunkt gebündelt und darüber wird Öl auf 400 Grad erhitzt. Wie in einem konventionellen Kraftwerk wird darüber dann Wasser verdampft, um die Turbinen anzutreiben, die den Strom erzeugen. Der Vorteil der riesigen Anlagen liegt darin, dass die Energie gespeichert und auch dann Strom erzeugt werden kann, wenn keine Sonne scheint.

Hoher Wasserverbrauch

Der Nachteil dieser Anlagen ist ihr großer Flächen- und Wasserverbrauch. Ende 2017, wenn Noor 4 fertiggestellt ist, sollen 3.300 Hektar mit Spiegeln zugestellt sein. Das ist die Fläche von rund 4.600 Fußballfeldern. Umweltschützer vermuten auch, dass der enorme Verbrauch von Kühlwasser die Kapazitäten in der Wüste überfordern wird. So verdampft das vergleichbare Andasol in Südspanien mit einer Leistung von 150 MW pro Jahr rund 870.000 m³ Wasser pro Jahr, etwa 8 Liter für jede erzeugte Kilowattstunde.

Die neue Anlage in der Sahara hat schon in der ersten Baustufe eine höhere Gesamtleistung. Sie soll im Jahresschnitt, wegen stärkerer Sonneneinstrahlung und höherer Temperaturen, auch deutlich höhere Erträge bringen. Deshalb darf von einem noch deutlich höheren Wasserverbrauch ausgegangen werden.

Neben Spanien ist auch Deutschland an der Umsetzung beteiligt. Zum einen kommen von Siemens die Turbinen der Anlage oder aus Bielefeld stammt von heat 11 ein Erhitzer. Aus Deutschland kam aber auch viel Geld zur Umsetzung des Projekts, das nur über Vorzugsfinanzierungen und öffentliche Mittel umgesetzt werden konnte. Die bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) ist der größte Kreditgeber. Mit 834 Millionen Euro ist die KfW beteiligt, das ist fast die Hälfte der Gesamtkosten, die mit 2,2 Milliarden Euro beziffert werden. Sie will in Marokko schon einen "Vorreiter in Sachen der Energiewende" sehen. Zudem sind auch noch die Europäische Union (EU) und die französische Entwicklungsbank AFD und andere an der Finanzierung des Mega-Solarkraftwerks beteiligt.

Ziel ist, in der Zukunft auch Strom nach Europa zu exportieren

Marokko will den Ausbau erneuerbarer Energien massiv vorantreiben, um die extreme Energieabhängigkeit des Landes zu verringern. Bisher muss es gut 95% seiner Energie importieren. Bis 2020 sollen über Wasserkraft, Wind- und Solarenergie 2 Gigawatt Strom erzeugt werden. Damit soll der Anteil der erneuerbaren Energien dann auf über 40% steigen.

Das Ziel des Landes ist, in der Zukunft auch Strom nach Europa zu exportieren. Derzeit bezieht Marokko noch Strom aus Spanien, das eine Überproduktion hat. Schon bald, so hofft Mustapha Bakkoury, werde der Strom über die Meerenge von Gibraltar in umgekehrter Richtung fließen. Bakkoury ist Geschäftsführer von Masen. Darüber werde schon auf verschiedenen Ebenen gesprochen.

Bisher ist der Strom aus der Anlage mit etwa 14,7 Cent noch relativ teuer. Doch Bakkoury geht davon aus, dass die Kosten in der Zukunft fallen. Geplant ist, dass sie schon in den nächsten Ausbaustufen sinken. Der Strom soll an die Verbraucher für 7-8 Cent verkauft werden, weshalb es bisher ein Zuschussgeschäft sein wird. Volkswirtschaftlich soll es sich aber rechnen, denn Marokko hofft, aus dem Projekt einen Exportschlager in Nordafrika und darüber hinaus zu machen. Das Land will eine eigene Solarindustrie aufbauen und immer mehr benötigte Teile – wie die Solarspiegel – im Land selbst fertigen.

Marokko will damit deutlich dem strauchelnden spanischen Abengo-Konzern Konkurrenz machen. Der Konzern, der auch über den spanischen Solarwirrwarr in extreme Schieflage geriet, ist führend in Solarthermie. Das hatte die Firma auch im 2013 größten Projekt in Abu Dhabi gezeigt. Deshalb will Marokko auch ein Projekt im Großformat bauen, für das offensichtlich die Modelle PS10 und PS 20 von Abengoa zum Vorbild genommen wurden. Mit großen Spiegeln werden dabei die Sonnenstrahlen in einem Brennpunkt in einem Solarturm gebündelt, womit Temperaturen von etwa 700 Grad entstehen.