Studie "karnevalisiert"

Kölle alaaf! Während das Kölner Festkomitee in der Vergangenheit gern durch Studien den Wirtschaftsfaktor des Karnevals hervorhob, arbeitet es in diesem Jahr mit der Sporthochschule Köln zusammen – der Gesundheit wegen.

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Kölle alaaf! Während das Kölner Festkomitee in der Vergangenheit gern durch Studien den Wirtschaftsfaktor des Karnevals hervorhob, arbeitet es in diesem Jahr mit der Sporthochschule Köln zusammen – der Gesundheit wegen.

Kamelle! Strüßchjer! Schokolädche! In Köln versammeln sich heute wieder mal bis zu einer Million verkleidete Besucher an den Straßen in der Innenstadt und jubeln dem Rosenmontagszug zu. Aber nicht nur "d'r Zoch" am Montag lockt Menschen in die Rheinmetropole, auch an den anderen jecken Tagen herrscht Ausnahmezustand. Mit den Feiernden kommt aber auch das Geld in die Stadt. Und das Kölner Festkomitee wird nicht müde, den wichtigen Wirtschaftsfaktor Karneval nicht nur zu betonen, sondern ihn auch durch Studien zu belegen. So gehörten in der Vergangenheit zwei Untersuchungen der Unternehmensberatungen McKinsey und Boston Consulting Group zum beliebten Repertoire bei Medienberichten über die Tradition und Bedeutung des Karnevals.

In diesem Jahr setzt das Kölner Gremium auf die Zusammenarbeit mit der Kölner Sporthochschule und möchte durch eine Studie mehr über den Zusammenhang zwischen Gesundheit und Karneval erfahren. Damit kommen erstmals "sportmedizinische Wissenschaft und Kulturerbe Karneval zusammen". "Die Online-Befragung soll Erkenntnisse über den aktiven und inaktiven Lebensstil liefern – vor allem in Verbindung mit der Art und Weise, wie die Menschen Karneval feiern", heißt es weiter in der Ankündigung des Festkomitees. Als ehemalige Kölnerin hat mich das interessiert.

Der Klick auf die Umfrage ist dann aber ernüchternd: Allgemeine Gesundheitsfragen wurden kurzerhand ein wenig "karnevalisiert" und man hat ein paar närrische Aspekte eingebaut. "Wie viel Gläser/Tassen trinken Sie von was? - Wasser, Säfte, Kaffee, Kölsch, Bier etc." Bei den eigenen Einschätzungen folgt auf "Medizinisches Fachpersonal motiviert mich hauptsächlich zu ausgewogener Ernährung" dann "Gesundheit im Karneval durch Bewegung hat einen hohen Stellenwert für mich". Ergründen will man offenbar auch die sozialpsychologische Bedeutung des Karnevals für die Teilnehmer: Der Karneval …. gibt mir Gelegenheit, mein Können zu zeigen; ...lässt mich meine Fähigkeiten erleben; …. ermöglicht mir, Fortschritte und Erfolge zu erfahren. Das klingt, wie aus einem Lehrbuch für moderne Teambildungsmaßnahmen und lädt das ausgelassene Feiern mit einer seltsam-ernsthaften Qualität auf.

Dass Karnevalisten gut in Form sein müssen, ist klar. Denn mal ehrlich: Sich im schlimmsten – oder im "fittesten" Falle – fünf Tage lang gläserweise Kölsch und ggf. Schnäpse zu genehmigen, bei kalt-feuchtem Wetter draußen zu schunkeln und in heißen Kneipen dicht an dicht mit anderen Jecken zu tanzen und lauthals zu singen – das setzt eine gute Physis voraus und ist ein Härte-Test für das Immunsystem. Von den zuweilen harten Wurfgeschossen, die einen vom Zoch aus schon einmal treffen können, will ich gar nicht erst anfangen. Wer da nicht fit ist und sich schnell regenerieren kann, der fällt nach den wilden Tagen erst einmal aus. Hat da schon einmal jemand den wirtschaftlichen Ausfall berechnet?

Dennoch: Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. In meinen vier Jahren in Köln habe ich den Kölner Kneipen- und Straßenkarneval schätzen gelernt. Die oft belächelten Reagenzgläser mit Kölsch, die kontakt- und bützfreudigen Leute auf den Straßen bei kalt-feuchtem Wetter und die ausgelassene Stimmung in heißen Kneipen waren für mich eine tolle Erfahrung. Das ganze aber durch eine wissenschaftliche Studien zu untermauern, beziehungsweise auf eine seriöse Basis stellen zu wollen, das erscheint mir dann doch etwas unjeck – erst recht, wenn das diesjährige Motto "Mer stelle alles op der Kopp" lautet. (jle)