Narrenfreiheit am Ende?

Abgesagte Rosenmontagsumzüge und Ermittlungen gegen einzelne Karnevalsmotive schüren Verschwörungstheorien

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Die Rosenmontagsumzüge waren in diesem Jahr politisch besonders aufgeladen. Nach den Ereignissen in der Kölner Silvesternacht wurde medial vermittelt, dass es auch bei dieser öffentlichen Feier wieder Probleme geben könnte.Dabei ging es eher umBefürchtungen, die von rechten politischen Gruppen geschürt wurden, als um Fakten. Schließlich ist ein Rosenmontagszug, der von zahlreichen Ordnern flankiert wird und am hellen Tage marschiert, überhaupt nicht mit den Kölner Silvesterfeiern zu vergleichen. Aber rechte Gruppen schürten die Angst und sahen ihre Chance gekommen.

So formierten sich inverschiedenen Städten in NRW Bürgerwehren, die sich online verabredeten und an denen offen rechte Kreise mitwirkten. Die rechtspopulistische Bewegung Pro NRW setzte sich stark für diese Bürgerwehren ein.

Neue Verschwörungstheorien von Rechts?

In dieser Stimmung kommt eine Absage des Karnevals aus Witterungsgründen den rechten Kreisen wie gerufen für neue Verschwörungstheorien. So wird auf PI-News schon gemutmaßt, es sei die Angst davor gewesen, dass das Thema Islam und Geflüchtete bei den Karnevalszügen aufgegriffen werde, die zur Absage führten. PI-Nutzer wurden aufgefordert, die aktuellen Wetterdaten durchzugeben und natürlich gab es genügend Stimmen, die wie auf der Seite üblich den "Islam und Flüchtlingstsunami" als eigentlichen Grund für die Absage der Umzüge halluzinierten.

Etwas moderatere Asylkritiker sprachen vom "diplomatischen Wetter", bedienten aber auch alle Klischees über gesteuerte Medien, die nun ein Unwetter erfinden sollten, wo es keins gab. Dabei ist allen, die sich etwas mit der Materie auskennen, bekannt, dass Wetterphänomene eben nicht exakt berechnet werden können und sich manch angekündigter Sturm zum lauen Lüftchen entwickeln kann.

Normalerweise überwiegt dann bei allen Beteiligten die Erleichterung. Aber in einer Zeit der permanenten Angst, wo ständig Katastrophen prognostiziert werden, ist ein ausbleibender Starksturm natürlich gleich ein neues Argument gegen Politik und Presse. Dabei muss man bei der Entscheidung zur Absage der Karnevalsumzüge auch die tödlichen Folgen der Love Parade in Duisburg 2010 berücksichtigen. Damals haben die Behörden nicht so genau geprüft und die Fete trotz vieler Warnungen laufen lassen. Die Folgen waren desaströs.

Trotzdem ist zu fragen, ob mit der Absage der Karnevalsumzüge nicht ein Gefühl der Verunsicherung und Katastrophenangst in Teilen der Bevölkerung eher noch verstärkt wird. Darauf können dann die unterschiedlichen rechten Gruppen mit ihren Verschwörungen gut aufbauen und finden auch noch Gehör. Tatsächlich ist die Utopie von einer rundum gefahrenfreien Welt illusionär. Vielleicht wäre ein Umzug mit Auflagen, wie er auch in Köln genehmigt wurde, dadie bessere Lösung gewesen.

Mit der Justiz gegen Karnevalsmotive?

Genau so fraglich ist es, jetzt gleich mit der Justiz zu drohen, weil bei einigen Karnevalsumzügen in Thüringen und Bayernauch eindeutig rassistische Inhalte zu finden waren. Schließlich ist der Karneval historisch immer die Zeit gewesen, wo eben "Volkes Stimme" besonders deutlich zu hören war.

Längst wissen wir, dass es dabei nicht um immer um emanzipatorische Töne geht, im Gegenteil. Doch nicht die angemalten Panzer eines Brüderpaars, sondern die realen Asylgesetze, deren Verschärfungen jüngst von der Regierung beschlossen werden, sind die größere Gefahr für Geflüchtete. Sollten die Motivwägen bei den Karnevalsumzügen nun nach den Kriterien einer politischen Demonstration behandelt werden, wäre es mit der Narrenfreiheit vorbei. Die Rechte der Geflüchteten würden allerdings damit bestimmt nicht gestärkt.