Puppenspieler in Spanien sollen Terroristen sein

Eine Aufführung in Madrid wurde abgebrochen, die Spieler verhaftet, die nun in Untersuchungshaft sitzen

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Spaniens Repression erreicht immer neue Höhen und längst fühlen sich sogar Richtervereinigungen angesichts von Strafrechtsverschärfungen und Knebelgesetzen an die Zeit der Franco-Diktatur erinnert. Daran erinnert auch, dass Streikende für mehr als acht Jahre eingeknastet werden sollen. Die Einschätzung war offensichtlich richtig, dass nun in Spanien wohl alles zum Terrorismus gemacht werden kann, wenn es den Regierenden nicht passt. Der Eindruck drängt sich auf, wenn nun auch Puppenspieler aus der Vorführung gezerrt, wegen "Verherrlichung des Terrorismus" angeklagt und wegen angeblicher Fluchtgefahr in Untersuchungshaft gesteckt werden.

So geschah es in diesem Karneval am vergangenen Freitag in der Hauptstadt Madrid. Die "Títeres desde Abajo" (Handpuppen von unten) gaben vor einem jungen Publikum im Stadtteil Tetúan eine Aufführung des Stücks "La bruja y Don Cristóbal" (Die Hexe und Don Cristóbal). Das ist, so zeigt ihr Programm, eigentlich für Erwachsene gedacht. Einigen Eltern passte es gar nicht, dass in dem Stück auch statt des "Bösewichts" plötzlich der Richter an den Galgen kam, der ihn für ersteren vorgesehen hatte.

Dass zudem ein Polizist sein Leben verlor und eine Nonne vergewaltigt worden sei, darüber waren anwesende Eltern alles andere als begeistert, die allerdings im Vorfeld gewarnt wurden, dass das Stück auch brutale Szenen zeige. Eltern riefen Lokalpolizei herbei, als auch noch ein Plakat im Puppentheaterfenster auftauchte, auf dem zu lesen war: "Gora Alka-ETA" (Hoch lebe Alka-ETA). Dann kann es sich ja nur noch um Terrorismus, Verherrlichung und keinesfalls um Satire, Humor, Karneval oder Meinungsfreiheit handeln. Doch dafür gingen noch vor einem Jahr fast alle auf die Straße und erklärten: "Je suis Charlie Hebdo".

Deren Mitarbeiter dürfte sich nun der Magen umdrehen, dass der postfaschistische Ministerpräsident Mariano Rajoy auf der Demonstration in Paris war, in dessen Reich nun Puppenspieler in die Kerker wandern. Verwundern muss das bei einem Präsidenten nicht, der, gerade zurück aus Paris, die Verteidigungsrechte von Gefangenen durch die Kriminalisierung von Verteidigern aushebeln ließ. Der Aufruhr um Charlie Hebdo half jedenfalls, dass der spanische Satiriker Facu Díaz nicht verurteilt werden konnte, weil er die rechte Volkspartei (PP) von Rajoy mächtig durch den Kakao gezogen hatte.

Man kann nur hoffen, dass genug Druck angebaut wird, um die beiden Puppenspieler so schnell wie möglich aus dem Knast zu holen. Es sind politische Gefangene erster Güte. Auch wenn einem die Aufführung oder ihr Inhalt nicht gefallen mag. Es gilt, was auch für Charlie Hebdo galt: "Man muss das sogar zeichnen dürfen", schrieb ich vor einem Jahr angesichts der absurden Debatte, die darauf abzielte, die Freiheit von Satire über verschiedene Wege stark einzuengen. Sie arbeitet eben mit Übertreibungen, um Vorgänge deutlich hervorzuheben.

"Satire ist kein Verbrechen"

Es ist bedenklich, wenn die Verantwortlichen in der linken Regierung von "Ahora Madrid" (Jetzt Madrid) nun in die Defensive vor schweren Angriffen der PP gehen. Die schwer gebeutelte Partei versucht alles, um von ihrer fatalen Situation abzulenken, dass sie erneut abgewählt wurde und nun keine Regierung zustande bringt. Da kommen ihr die Puppenspieler gerade recht.

Die PP fordert den Kopf der Verantwortlichen für Kultur. Die Bürgermeisterin Manuela Carmena will nicht mehr ausschließen, dass sie Celia Mayer in die Wüste schickt. Die wagte sich zu prüfen, die völlig absurde Anzeige der Stadt gegen die Puppenspieler zurückzuziehen. Carmena will im Spiel einen "schweren Fehler" sehen, anstatt die Freiheit von Meinung und Satire zu verteidigen. Die Zeitung Diagonal warnt, dass "Angst der schlechteste Ratgeber" der Lokalregierung sei.

Es ist klar, warum sich gerade die PP von dem Plakat mit "Alka-ETA" getroffen fühlte. Denn damit wurden im Puppenspiel die "Konstrukte" der Sicherheitskräfte aufgezeigt, mit denen immer wieder Leute willkürlich inhaftiert und zum Teil gefoltert werden, schreibt die anarchosyndikalistische Gewerkschaft CNT in einem Kommuniqué, in der einer der Puppenspieler Mitglied ist.

Über eine konstruierte Täterschaft und massive Lügen der PP wurde sie 2004 überraschend abgewählt. Sie wollte die islamistischen Anschläge 2004 der baskischen Untergrundorganisation ETA mit 191 Toten in die Schuhe schieben. Als das nicht mehr haltbar war, wurde jahrelang von einer Verbindung der ETA zu al-Qaida fabuliert. Die Satire hat gesessen und ihr Ziel erreicht, deshalb wurden die jungen Puppenspieler inhaftiert und sollen wohl exemplarisch von dem Nationalen Gerichtshof abgeurteilt werden.

Zum Glück sind nach einer anfänglichen Schockstarre inzwischen auch viele Stimmen zu hören, die die Angeschuldigten und Satire verteidigen. Zunächst war es die beliebte Bürgermeisterin von Barcelona Ada Colau, die sich vorwagte. "Satire ist kein Verbrechen", erklärte sie Inzwischen haben zahlreiche Politiker von Podemos und Ahora Madrid die Freiheit für diese politischen Gefangenen gefordert.

Am Sonntag gab es auch eine erste kleine Demonstration in der Hauptstadt, in der der Vorgang als neue "Montage" der Polizei und der Justiz angeprangert. Es war eine nur kleine Demonstration. Das macht deutlich, wie die ETA-Keule auch noch in Madrid wirkt, obwohl die ETA ihren Kampf vor fast fünf Jahren eingestellt hatte.