Starker Greifer mit Feingefühl

Dank Gummiflügeln und Elektroadhäsion kann ein neuartiger Roboter-Greifer Eier festhalten und zugleich das 80-Fache seines eigenen Gewichts heben. Die denkbaren Anwendungen sind vielfältig.

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Von
  • Signe Brewster

Dank Gummiflügeln und Elektroadhäsion kann ein neuartiger Roboter-Greifer Eier festhalten und zugleich das 80-Fache seines eigenen Gewichts heben. Die denkbaren Anwendungen sind vielfältig.

Ein an der ETH Lausanne (ETHL) entwickelter Roboter-Greifer ist sanft genug, um ein Ei oder ein einzelnes Blatt Papier festzuhalten, aber gleichzeitig so stark, dass er das 80-Fache seines eigenen Gewichts heben kann. Damit zeigt er einen vielversprechenden neuen Ansatz in der Robotertechnik, der dazu beitragen könnte, dass Maschinen anspruchsvollere Aufgaben übernehmen können.

Bei der Machbarkeitsstudie der ETHL handelt es sich um einen Greifarm mit zwei weichen Gummiflügeln, der seinen festen Griff der Elektroadhäsion verdankt: Wenn eine elektrische Spannung angelegt wird, werden die Flügel gegensätzlich aufgeladen und biegen sich nach innen. Wenn zwischen ihnen ein Objekt liegt, wird es auf diese Weise fixiert.

Das Gummi und die Kraft der Elektroadhäsion sind so sanft, dass sie nicht einmal Wasserballons zum Platzen bringen. Außerdem sind die Flügel schnell: Sie brauchen nur rund 200 Millisekunden, um auf die Spannung zu reagieren – buchstäblich schneller als ein Wimpernschlag.

Laut Jun Shintanke, Hauptautor eines Fachaufsatzes über das Projekt und Forscher an der ETHL, ist der Greifer der erste, der weiche Teile mit Elektroadhäsion und Sensoren kombiniert; dadurch sei er in der Lage, sich selbst zu kontrollieren. Dies wäre eine willkommene Alternative zu den handgefertigten Roboterhänden oder komplizierten Sensor-Arrays samt Software, die bislang erforderlich sind, um Objekte mit speziellen oder variierenden Formen aufzunehmen.

"Ein entscheidender Vorteil von Soft Robotics liegt darin, dass sie sicher und effektiv für die Interaktion mit Menschen ist. Das macht sie ideal für eine Anpassung an Menschen und deren Umgebungen", sagt Conor Walsh, ein Robotik-Forscher und Fakultätsmitglied am Harvard Wyss Institute for Biologically Inspired Engineering. "In diesem Fall ist der Greifer weich und nachgiebig und kann sich hübsch an die Formen von Objekten anpassen. Zusätzlich hat er die interessante Funktion der aktiven Adhäsion."

Der angelegte Strom fließt durch Elektroden, die in die Flügel des Greifers eingebettet sind. Sie sind so angeordnet, dass das entstehende elektrische Feld maximiert wird, was einen Elektroadhäsionseffekt mit der zehnfachen Stärke wie bei einem konventionellen Arrangement erzeugt.

Dadurch kann der Greifer Objekte hochheben, die mehr als 80-mal so viel wiegen wie er selbst (die Version der ETHL mit zwei Flügeln wiegt 1,5 Gramm). Dies könnte ihn zu einem nützlichen Hilfsmittel für Lagerhäuser oder in der Produktion machen, möglicherweise sogar für Lieferdrohnen, da er nur wenig Zusatzgewicht bedeutet, aber trotzdem den Transport von relativ schweren Objekten ermöglicht.

Sintake glaubt, dass sein Greifer zudem auch Potenzial für die Manipulation von Objekten im Weltraum sowie für Sortieraufgaben in der Lebensmittelindustrie hat.

"Ich möchte die Anpassungsfähigkeit unserer Greifers hervorheben", sagt er. "Die derzeitige Form ist nicht die einzige, die wir bauen können. Er lässt sich auch mit drei oder fünf Fingern realisieren, und eine Veränderung der Größe ist kein Problem."

Besonders nützlich könnte die Technologie für humanoide Roboter oder Prothesen sein, denn die sollen Aufgaben übernehmen, die sonst nur der bislang leistungsfähigste Greifer überhaupt beherrscht – die menschliche Hand. Eine Kombination aus einem solchen Greifer und intelligenter Haut, die Druck erkennen kann, könnte noch intelligentere Optionen ermöglichen.

(sma)