Ein Buch ist kein Buch ist kein Buch

Einer kleiner Ausflug in den Irrsinn des deutschen Steuerrechts.

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Einer kleiner Ausflug in den Irrsinn des deutschen Steuerrechts.

Sind E-Books eigentlich "richtige" Bücher? Einerseits ja: Anfang Februar bekräftigte das Bundeskabinett, dass die Buchpreisbindung auch für elektronische Bücher zu gelten habe. Andererseits nein: Elektronische Bücher unterliegen weiterhin einer Mehrwertsteuer von 19 Prozent, gedruckte einer von 7 Prozent. In einer kürzlich veröffentlichten Urteilsbegründung schrieb der Bundesfinanzhof: "Digitale (elektronische) Sprachwerke (E-Books) sind keine Bücher. (…) Das Tatbestandsmerkmal "Bücher" setzt einen physischen Träger voraus, auf dem das Buch materialisiert ist; digitale oder elektronische Sprachwerke fallen nicht unter die Steuerermäßigung."

Was genau mit einem ermäßigtem Steuersatz geadelt wird, ist in Anlage 2 des Umsatzsteuergesetzes von 2006 aufgelistet: Neben Maultieren, Mauleseln, Hauskaninchen, Pektinstoffen, Pektinaten, Pektaten, kursungültigen Banknoten, Briefmarkengeld und Papiernotgeld eben auch "Bücher, Broschüren und ähnliche Drucke, auch in Teilheften, losen Bogen oder Blättern, zum Broschieren, Kartonieren oder Binden bestimmt, sowie Zeitungen und andere periodische Druckschriften kartoniert, gebunden oder in Sammlungen mit mehr als einer Nummer in gemeinsamem Umschlag (ausgenommen solche, die überwiegend Werbung enthalten)." Dass E-Books hier nicht vorkommen, hat einen einfachen Grund: Es gab sie damals schlicht noch nicht.

Bundesregierung und EU-Kommission haben zwar versprochen, die Mehrwertsteuer "technologieneutral" festzusetzen, aber getan hat sich wenig. Und rafft sich die Politik endlich einmal dazu auf, die Gesetzgebung an aktuelle Technik anzupassen, werden die Zumutungen an die Logik eher größer als kleiner. So gilt seit Anfang 2015 eine ermäßigte Mehrwertsteuer auch für "Platten, Bänder, nicht flüchtige Halbleiterspeichervorrichtungen, intelligente Karten (smart cards) und andere Tonträger oder ähnliche Aufzeichnungsträger, die ausschließlich die Tonaufzeichnung der Lesung eines Buches enthalten." Mit anderen Worten: Für Hörbücher auf Speichermedien gibt es eine Steuerermäßigung, für heruntergeladene Hörbücher nicht – ebensowenig wie für Hörspiele oder Musik. (Für Gemälde, Zeichnungen, Stiche, Collagen und Skulpturen hingegen schon.)

Was war nochmal die Idee hinter dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz? Der Gesetzgeber wollte damit bestimmte Dinge wie Lebensmittel oder Kulturgüter erschwinglich halten. Aber warum ist Musik weniger förderungswürdig als bildende Kunst? Warum Hörspiele weniger als Hörbücher?

Das Problem besteht meiner Ansicht nach in dem Versuch, ein Phänomen wie "förderungswürdige Kulturgüter" durch eine detaillierte Aufzählung sämtlicher Erscheinungsformen in den Griff zu bekommen – statt übergeordnete Kriterien aufzustellen, was warum eine Ermäßigung verdient und was nicht. So landen dann sämtliche Phänotypen des Papierbuchs im Gesetz, obwohl man ja eigentlich Sprachwerke und nicht tote Bäume fördern wollte. Und jeder einzelne Fall wird zur Verhandlungsmasse der Lobbyisten. (grh)